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Wien ist anders. Ist Wien anders?

  • Wednesday, 7. September 2005 @ 09:20
Die Stadtverwaltung, die SPÖ-Mehrheit im Rathaus und der Bürgermeister sonnen sich im Hoch der für sie günstigen Umfragewerte: Noch mehr als die absolute Mehrheit kann es zwar nicht werden, aber die möchte Michael Häupl nicht nur halten, sondern weiter ausbauen.

Von Melina Klaus, Spitzenkandidatin der KPÖ zur Gemeinderatswahl. Wien sei das Gegenmodell zur anti-sozialen Regierungspolitik – sagt die SPÖ-Wien.
Für viele Menschen stellt sich das Leben in der Stadt aber alles andere als rosig dar. Nicht rosig ist die Situation z. B. für die offiziell 90.000 arbeitslosen Menschen in der Stadt, darunter fast 10.000 Jugendliche. Die in der Statistik versteckten Arbeitslosen eingerechnet dürften sogar 100.000 Menschen keine Erwerbsarbeit haben. Nach Jahrzehnten sozialdemokratischer Alleinregierungen liegt die Arbeitslosigkeit in der Stadt Wien bedeutend über dem österreichischen Durchschnitt.

Wer in Wien Arbeit sucht findet einen trostlosen Arbeitsmarkt vor. Mehr als 30.000 - unter ihnen relativ gut bezahlte - Industriearbeitsplätze wurden nämlich in den letzten zehn Jahren abgebaut. Statt dessen boomen heute die Teilzeit- und atypischen Beschäftigungsverhältnisse vor allem für Frauen.

Armut gibt es auch im "Roten Wien"

Erwerbsarbeitslosigkeit, unsichere Beschäftigungsverhältnisse, Verschlechterung des Pensionsrechts: Immer mehr WienerInnen sitzen in der Armutsfalle. Seit dem Jahr 2000 hat die Zahl der SozialhilfeempfängerInnen um die Hälfte zugenommen und in Wien sogar um mehr. Ein Drittel der in Armut lebenden Menschen sind im übrigen Kinder.
Für alles das versucht die SPÖ-Mehrheit im Wiener Rathaus die schwarz-blaue Regierung im Bund verantwortlich zu machen. In der Bundespolitik hat die SPÖ jede Erhöhung des Selbstbehaltes im Gesundheitssystem abgelehnt. Mit guten Gründen. Von Klassenmedizin war zu Recht die Rede. In Wien war es anders. Die Erhöhung des Spitalskostenbeitrages von 7,93 Euro auf 10 Euro pro Tag hat die Gemeinde Wien allein und in eigener Verantwortung beschlossen. Wessen Interesse vertritt die SPÖ-Stadtpolitik also?

Nur ein Vergleich: Durch die Erhöhung des Spitalskostenbeitrages sollen 2 Millionen Euro (27 Millionen Schilling) von den Versicherten hereingebracht werden. Zur selben Zeit aber dürfen die Unternehmen in Wien der Gebietskrankenkassa 360 Millionen Euro (5 Milliarden Schilling) an von den Beschäftigten bereits abgeführten Sozialversicherungsbeiträgen schuldig bleiben. Wüden diese Schulden eingetrieben, gäbe es keine Finanzierungsschwierigkeiten der Wiener Krankenhäuser.

Mieten sind viel zu teuer

Reden wir vom "Roten Wien" und seinem Markenzeichen, dem kommunalen Wohnbau: 220.000 Gemeindewohnungen werden in Wien von der Stadt verwaltet. Eine beträchtliche Macht, die hilft, die Mieten im Interesse der Menschen niedrig zu halten, sollte man meinen. Trotzdem muss ein/e Beruftstätige/r im Schnitt 42 Prozent des Einkommens für die Miete ausgeben, bei Familien mit Kindern steigt dieser Anteil sogar auf 45 Prozent.

Arbeitsplatzverlust, eine chronische Krankheit oder die Trennung vom Lebenspartner/der Lebenspartnerin haben allzu oft den Wohnungsverlust zur Folge. Nach Jahrzehnten sozialdemokratischer Stadtverwaltung wird Wohnen in Wien wieder zur Armutsfalle. Und genauso wie in anderen Teilen Österreichs ergreift die Angst vor einem sozialen Absturz immer mehr Menschen. Wer also die Wiener Politik als besonders sozial hervorhebt, hat den Kontakt mit der Lebenswirklichkeit von hunderttausenden WienerInnen verloren.

Gegen den neoliberalen Einheitsbrei!

Die SPÖ-Rathauspolitik stellt kein "Gegenmodell" zu ÖVP, FPÖ, BZÖ Bundesregierung dar. Nicht nur, weil zwei Drittel aller Beschlüsse des Gemeinderats in der abgelaufenen Periode einstimmig erfolgt sind (Kurier, 1. Juli 2005).

Die Wiener Stadtpolitik ist von der allgemeinen Entwicklung in Österreich nicht zu trennen. So waren und sind SPÖ und Grüne z. B. - so wie die Regierung auch - gegen eine Volksabstimmung über die EU-Verfassung in Österreich.
Das Versprechen vom "Ederer-Tausender" benannt nach der einstigen SPÖ-Stadträtin, der sich durch den EU-Beitritt in unseren Taschen einfinden sollte, ist vielen Menschen wohl auch noch in Erinnerung. Seit diesem Versprechen sind Jahre ins Land (und Frau Ederer in den Vorstand des Siemens-Konzerns ein-) gezogen. Die Preise sind seither gestiegen, die Löhne, Gehälter und die Pensionen hinken hinterher.
Nein, die SPÖ-Wien ist nicht "anders", außer in einer Hinsicht: Sie ist mächtiger und machtbewusster als andere SPÖ-Landesparteien, und sie nützt diese Macht weidlich aus. Was nützt es also, wenn die SPÖ bei den nächsten Gemeinderatswahlen statt 45 Prozent 50 Prozent bekommt? Sie hat ihre unangefochtene Position in der Vergangenheit nicht für eine alternative und soziale Politik genützt. Sie wird es auch in Zukunft nicht tun.

Daher geht es um die Stärkung einer sozialen Opposition, für die Prinzipien von Bedeutung sind.