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Viel Arbeit, wenig Kraft – Weitere Mehrbelastungen für die Pflegekräfte im Wiener Krankenanstaltenverbund geplant!

  • Wednesday, 24. September 2014 @ 10:28
Der jetzt schon bestehende Mangel an ÄrztInnen im öffentlichen Gesundheitssystem – und da vor allem in den Spitälern - wird sich in Zukunft noch vermehren. Arbeitszeiten in den Krankenanstalten von 70 Stunden in der Woche sind durch eine neue EU-Richtlinie bald nicht mehr erlaubt, höchstens 48 Stunden pro Woche dürfen es in Zukunft sein. Zudem erfordert ein neues Ausbildungsschema für angehende ÄrztInnen, dass sie im Rahmen ihres Turnusdienstes nicht mehr zum Großteil für Routinetätigkeiten (Infusionen anhängen, Spritzen geben, usw.) eingesetzt werden können. Schlagend werden diese Änderungen schon im nächsten Jahr.

Eine Analyse von Patrick Kaiser, Dipl. Krankenpfleger im KAV Wien Lange hat die Führung des Wiener Krankenanstaltenverbundes (KAV) von dieser drohenden Entwicklung gewusst, aber bis dato nicht reagiert. Nun wurde verzweifelt eine schnelle und kostengünstige Lösung präsentiert. Anstatt mehr Mittel und Personal einzusetzen, soll, wie schon oft, eine jetzt schon überlastete Berufsgruppe den kommenden Missstand kompensieren: das Pflegepersonal.

Laut dem Gesundheits- und Krankenpflegegesetz dürfen Diplomierte KrankenpflegerInnen im sogenannten „mitverantwortlichen Tätigkeitsbereich“ diverse ärztliche Tätigkeiten auf Arztanordnung durchführen. Dazu gehören: das Verabreichen von Infusionen/Injektionen, Blutentnahmen, Spülungen, Legen von Magensonden, usw. Die Verantwortung für die fachgerechte Durchführung obliegt dem Pflegepersonal. Viele dieser Tätigkeiten übernehmen bis jetzt TurnusärztInnen, da die professionelle Pflege mit diversen hauswirtschaftlichen Arbeiten, aber auch „Zettelwirtschaft“ und Verwaltungsarbeit mehr als ausgelastet ist. Dabei klagt die Krankenpflege bereits jetzt über chronischen Personalmangel, was immer öfter zu Selbstanzeigen ganzer Stationen wegen „nicht mehr adäquat möglicher Pflege“ führt.

Die Generaldirektion des KAV hat trotzdem die bisherige Leitlinie für die Zusammenarbeit zwischen Medizin und Pflege aufgekündigt. Sie versucht, den Großteil der ärztlichen Routinetätigkeiten ohne Personalausgleich bereits ab Jänner 2015 durch einen Erlass an die Pflegekräfte abzuschieben. Es wird von einer erhofften „Aufwertung der Pflegeberufe“ gesprochen! Warum Mehrarbeit für eine bereits jetzt überlastete Berufsgruppe eine Aufwertung darstellen soll, erschließt sich wohl ausschließlich der hochwohlgeborenen Leitung.

Die Frechheit und Gemeingefährlichkeit dieses Vorhabens der Generaldirektion brachte nun selbst die – ansonsten relativ zahme - Hauptgruppe II (Berufsgruppen im Gesundheitsbereich) der GDG dazu, eine bemerkenswerte Stellungnahme abzugeben.

Interessante Auszüge daraus:

„…Primär verstehen wir die Berufsgruppen des Krankenanstaltenverbundes als Mitglieder eines großen „Team Gesundheit“. In diesem Team sollen alle MitarbeiterInnen für jene Tätigkeiten herangezogen werden, für die sie ausgebildet wurden – in einem klar abgegrenzten Tätigkeitsbereich…“

„…Dabei erfolgt eine Aufwertung einer einzelnen Berufsgruppe nicht nur durch die generelle Übernahme gesetzlich verankerter Tätigkeiten, sondern auch durch das Bereitstellen dringend benötigter Ressourcen (StationssekretärInnen, Serviceassistenz). Solange ein Teil der wertvollen Arbeitszeit der Gesundheits- und Krankenpflege mit administrativen und hauswirtschaftlichen Tätigkeiten gebunden ist, ist eine KAV-weite Umsetzung des §15, noch dazu bis 1. Jänner 2015, abzulehnen. In jenen Bereichen, in denen nicht einmal die PPR (Berechnung des Bedarfs an Pflegekräften auf einer Station) erfüllt wird, muss sogar vehement Abstand davon genommen werden...“

„…Erst wenn diese flächendeckend gesichert sind, ist es dem interdisziplinären Team möglich, im vollen Umfang der gesetzlich verankerten Möglichkeiten zu agieren. Ebenso bedarf es einer umfassenden Rechtssicherheit für alle Beteiligten um eindeutige Verantwortlichkeiten aufzeigen zu können…“

„…. Gefragt sind daher keine neuen Erlässe sondern die Bereitstellung der Ressourcen, die wir bereits mit Inkrafttreten der alten Erlässe eingefordert haben…“

„…Doch auch Ihr persönlicher Einsatz ist gefordert (gemeint ist das Pflegepersonal). Sie leben in diesem „Team Gesundheit“ nicht an einer Berechnungsmatrix sondern unter realen Bedingungen mit den zu betreuenden Menschen. Agieren Sie entsprechend Ihrem Berufsbild und zeigen Sie Ihren Vorgesetzten die Grenzen des mitverantwortlichen Tätigkeitsbereichs klar auf. Was können Sie übernehmen, was ist warum nicht möglich? Welche Ressourcen benötigen Sie? Bringen Sie sich im Rahmen der mit dem Schreiben des GD-Stellvertreters verlautbarten Prozessabläufe ein. Wir leiten gerne stellvertretend für Sie Anregungen, Problemdarstellungen aber auch Lösungsvorschläge unter Wahrung Ihrer Anonymität an die VerantwortungsträgerInnen weiter…“

Aus der Stellungnahme der Hauptgruppe II (GDG-KAV) und der Personalvertretungen der Spitäler im KAV

Starke Worte. Warum die zuständige Gewerkschaft allerdings in den letzten Jahren fast lautlos bei Personalabbau und Verdichtung der Arbeit zugesehen hat, ist ein anderes Kapitel. Nicht umsonst zeigen bereits 40% des Pflegepersonals konkrete Burnout-Symptome, über die Burnoutgefährdung gibt es nur Dunkelziffern.

Wir meinen jedenfalls:

Anstatt ständig Ressourcen aus dem Gesundheitswesen abzuziehen und Einsparungen zu suchen, muss dem Gesundheitswesen MEHR GELD UND PERSONAL zur Verfügung gestellt werden! Damit das Gesundheitswesen und dessen Beschäftigte nicht noch kränker werden.

Wir fordern: Entlastung des Pflegepersonals im KAV durch Hilfskräfte, StationssekretärInnen usw. Dann kann auch professionelle Arbeit geleistet werden, die dem Tätigkeitsprofil entspricht.

Gerade den Pflegekräften als große Gruppe in den Krankenanstalten muss klar sein, dass sie hohe Verantwortung hat Missstände aufzuzeigen und dagegen anzukämpfen. Denn: Wenn die Pflege es will, stehen im Spital alle Räder still!

Gleichzeitig hoffen wir auf die Solidarität aller derzeitigen und zukünftigen PatientInnen, für deren Wohl zu kämpfen es sich lohnt.