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Und Jetzt? Frauen aus Margareten

  • Monday, 23. January 2017 @ 10:18
Ausgezeichnet besucht war die Matinee für Margarete Schütte-Lihotzky im Filmcasino. Im Bild Wolf-Goetz Jurjans, Maren Rahmann, Katharina Stemberger und Bezirksvorsteherin Susanne Schaefer-Wiery. Nachfolgend die Rede von Wien Anders/KPÖ-Bezirksrat Wolf Goetz Jurjans.

Es war keine Kunst, auf die Idee zu kommen, den 120. Geburtstag von Margarete Schütte-Lihotzky festlich zu begehen. Es war keine Kunst, von der Margaretner Bezirksvertretung die Zustimmung zur Finanzierung der Idee zu bekommen. Ich danke allen, die zugestimmt haben.

Auf die Idee zu kommen, die Künstlerin Katharina Stemberger für dieses Fest zu gewinnen, war auch keine Kunst. Aber: Es war die Idee der Künstlerin, der Veranstaltung den Titel: “Und jetzt? Frauen aus Margareten” zu geben. Also mit einer Frage einzuladen, die zur Antwort zwingt und mit einer Feststellung, die von “Kleinformatigen” als gefährliche Drohung verstanden werden kann.

Zu Recht, wie ich meine. Die Idee ist ja im marxschen Sinne zur materiellen Gewalt geworden und hat eine Masse von 250 kritischen Menschen ergriffen.

Wenn sich also hier im Filmcasino Margareten heute eine kritische Masse versammelt hat ,um einer Revolutionärin zu gedenken, ist das schon eine Schlagzeile wert: Mein Vorschlag: “120 jährige verursacht Ausnahmezustand in Margareten.” Die Betroffenheit des aufgeregten ÖSTERREICH wäre uns HEUTE sicher. Tatsächlich macht der Rückblick auf diese aufregende Frau aus Margareten betroffen und wirft Fragen auf.

Sie hat das Wohnen und den Alltag der Menschen revolutioniert.
Sie hat das Vorurteil gegen Frauen in Männerberufen zerstört indem sie erste Architektin in Österreich wurde. Sie hat sich freiwillig der Gewalt des Naziregimes unter Einsatz ihres Lebens ausgesetzt und hat ihr widerstanden, um ein neues Österreich möglich zu machen. Sie ließ sich durch das langjährige Ignorieren ihrer Leistungen nicht verbittern.
Woher nahm diese Frau immer wieder die Kraft und Freude am Leben, 103 Jahre lang?
Wie gelang es ihr, fachliche, politische und moralische Standards zu setzen und dabei ein bescheidener, warmherziger Mensch zu bleiben?

Von Anfang an war es neben ihrer unersättlichen Neugierde und ihrem Mut ihr soziales Engagement und die rationale Erfassung der Aufgaben, die sie bewegt haben. Sie hat sie künstlerisch umgesetzt und dem Funktionellen das Liebevolle beigegeben.

Sie hinterließ ein Werk und Erinnerungen, die in der Welt von 2017 von immer mehr Menschen als weltfremde Provokation verstanden werden. In einer Welt, die soziales Engagement als naives Gutmenschentum verächtlich macht, der profitable Sachzwang den Blick auf humane Lösungen verstellt, engagierte Kunst und KünstlerInnen als gewaltbereite Schmarotzer diffamiert werden und Menschen mit Visionen der Arztbesuch empfohlen wird.
In einer Welt, in der Gesinnungslosigkeit, Gleichgültigkeit und Opportunismus eine humane Gesinnung zum unbrauchbaren Geschäftsmodell erklärt. In der uns Minister nicht erklären, wie menschliches Leid zu vermeiden ist, sondern welche Bilder menschlichen Leids wir zu ertragen haben. Einer Welt, von der Stephen Hawking meint, dass wir uns in der gefährlichsten Phase der Menschheitsgeschichte befinden.

Dieser Entwicklung setzt Margarete eine Erzählung entgegen, die eine reale Erfolgsstory ist. Voll Ecken und Kanten, mit scheinbar unüberwindbaren Hindernissen, die sie mit Klarheit und Leidenschaft, mit Geduld und Entschlusskraft meistert. Die Erzählung eines fundamental anderen, vielen unbekannten Österreichs, innovativ, zärtlich, widerstandsfähig, Partei ergreifend für die Ausgestoßenen und Unterdrückten.

Wie einen Kassiber hat sie ihre Geschichte in eine Flaschenpost verwandelt, in der Hoffnung, den Nachgeborenen zu nützen. Die Frage: “Und jetzt?” muss jede und jeder einzelne, müssen wir, müssen Millionen selbst entscheiden und die Konsequenzen der Entscheidungen tragen. Mit der Erinnerung an Margarete Schütte-Lihotzky geht das leichter. Mit Frauen, besonders aus Margareten, macht es mehr Freude.