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Rede von Mülkiye Lacin

  • Tuesday, 3. May 2016 @ 10:28
Die KPÖ-Wien Auch Mülkiye Lacin vom Rat der Kurdischen Vereine in Österreich sprach am 1. Mai vor dem Parlament in Wien. Nachfolgend die Rede, die von ihrer Tochter Sirma Lacin gehalten wurde.

Liebe Freudinnen und Freunde. Es freut mich zu sehen, dass heute die Menschen hier erschienen sind. Ganz besonders in einer Zeit da die politische Lage in Österreich sehr bedenklich und an einem Wendepunkt zu stehen scheint.

Wie viele von Ihnen wissen, begann der 1. Mai als Generalstreik von Arbeiterinnen und Arbeitern in Amerika zur Verkürzung der Arbeitsstunden.

Auch wenn der langjährige Kampf viele Errungenschaften mit sich gebracht hat, gilt es immer noch zahlreiche Hürden zu überwinden. Vor allem neue Hürden, die durch globale Entwicklungen unserer Zeit entstanden sind, die die Existenz des Menschen und eines mündigen und gleichberechtigen Lebens und Arbeitens, bedrohen. Die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer. Zu beobachten ist eine Vermögenskonzentration auf der einen Seite und eine Verminderung und Entwertung auf der anderen Seite. Radikale Kürzungsprogramme vor allem in den Bereichen Bildung und Soziales eingetreten, wodurch Zugänge noch mehr erschwert werden. Die aktuellen Krisen rund um das Thema Flucht und Migration, führen zu einer Radikalisierung und Zuspitzung in der Gesellschaft. Rassismus und Resentiments stehen immer mehr an der Tagesordnung im alltäglichen Leben von Menschen mit Migrationshintergrund. Wie so oft sind es nicht die Leidensverursacher solcher Krisen, die die Konsequenzen tragen sondern Bürgerinnen und Bürger, Arbeiterinnen und Arbeiter.

In vielen Ländern der Welt darf der 1. Mai nicht als Tag der Werktätigen gefeiert werden, so auch in der Türkei. Versammlungsverbote, polizeiliche Interventionen – in der Vergangenheit mit dutzenden Toten –, hunderte inhaftierte Gewerkschaftsfunktionäre und ArbeitnehmerInnen , gehören nach wie vor zum Alltag in der Türkei.

Journalistinnen und Journalisten werden verhaftet, weil sie Ereignisse nach beobachtbaren Faktoren beurteilen und veröffentlichen. Weil sie die Wahrheit über die politischen Aktionen von Erdogan und seiner AKP Regierung ans Tageslicht bringen.

Menschenrechtsaktivist_innen verschwinden von einem Tag auf den anderen, werden in Gefängnisse gesperrt und aus der Öffentlichkeit in die Vergessenheit verbannt.

Rechtsanwälte, die für faire und gleichberechtigte Vorgehensweisen und Urteile kämpfen, werden die Lizenzen entzogen und ihnen das arbeiten verboten.

Akademiker_innen, Wissenschaftler_innen, Ärztinnen und Ärzte, Lehrer und Lehrerinnen und all diejenigen, die ihre Augen nicht verschließen und für die Demaskierung der politischen Tricks und Manipulationen des türkischen Regimes (rejims) eintreten, erfahren, soziale, politische und wirtschaftliche Repressalien. Sie gehen so weit, das unangekündigt in die Privatsphäre eingedrungen wird, Wohnungen ohne Beweis und Grundlage durchsucht werden und vieles mehr.

Es dient klar als Unterdrückungsinstrument der türkischen Regierung, um mutige und engagierte Menschen, mundtot zu machen. Menschen die für die Freiheit und Gleichberechtigung aller kämpfen und sich einsetzen, leiden unter der Politik des AKP-Regimes.

So wurden in den vergangenen Monaten in 7 kurdischen Städten in der Türkei, 58 Mal Ausgangssperren verhängt. Ein Land, dass Teil der europäischen Gemeinschaft werden möchte, überfällt mit Panzern und einer bewaffneten Armee, kurdische Dörfer und ermordet unschuldige Kinder, Frauen und Männer. Dabei widersprechen Ausgangssperren der türkischen Verfassung, in der das Recht auf Leben, Gesundheit, Bildung und Reisefreiheit des Menschen als Grundrecht zugesichert ist.

Menschen werden aus ihrem Alltag herausgerissen, von Trinkwasser und Elektrizität abgeschnitten. Medizinische Versorgung der Menschen ist nicht mehr gewährleistet, Apotheken und Spitäler werden geschlossen oder in militärischen Aktionen ganz gezielt zerstört, wodurch wesentliche Lebensgrundlagen zunichte gemacht werden.

Eine weiter politische Strategie für den Vernichtungskrieg ist die Zerstörung geschichtlicher Relevanz. Türkische Soldaten, Polizei, Söldner und Paramilitärische Gruppen haben sich verbündet, um wichtige historische Bauten und Denkmäler zu zerstören. Nach dem Motto „Vernichte die Geschichte eines Volkes und du vernichtest das Volk selbst“.

Das Wissen um historische Entwicklungen und Geschichte, ist wesentlich für die Identität eines Menschen. Wenn aber nun alle Beweise einer historischen Bedeutung und Relevanz vernichtet sind und dadurch für die nächsten Generationen in Vergessenheit geraten, wird die Grundlage einer kulturellen Identität und Integration, aufgelöst und zerstört. Die türkische Regierung erhofft sich dadurch, eine Legitimation für ihren Vernichtungskrieg gegenüber der kurdischen Bevölkerung, zu erschwindeln.

Der türkische Staatsterror zielt aber nicht nur auf die Zerschlagung historischer Einrichtungen sondern auch auf eine von Außen erzwungene Veränderung soziokultureller und sozio-ökonomischer Strukturen in kurdischen Städten und Dörfern. Gentrifizierung und Marginalisierung sind hier die
Schlüsselwörter.

So werden kurdische Familien aus ihrem gewohnten Lebensraum und Umfeld herausgerissen und zwangsumgesiedelt. Ohne dabei eine angemessene Entschädigung, geschweige denn eine Abzahlung ihrer Häuser und Grundstücke zu erhalten. Eine von Außen erzwungen Abwanderung kurdischer Bevölkerungen, die sowieso schon marginalisiert ist und dadurch zur Gänze aus ihrer sozialen, kulturellen und ökonomischen Gemeinschaft entrissen werden.

Deshalb rufen wir dazu auf. Stoppt den Staatsterror der AKP und Erdogans Regierung, die sich durch die Aktionen der letzten Monate als klar antidemokratisch und rassistisch entpuppt hat. Wir werden weiterhin für Demokratie, Gleichheit, Frieden kämpfen und das gemeinsame Leben verteidigen.