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Mindestsicherungs-Kürzungen: Wir alle sind gemeint

  • Tuesday, 6. December 2016 @ 07:37
"Wer arbeiten geht, darf nicht der Dumme sein" lautet die Parole von Rechts. Statt höhere Löhne zu fordern pochen FPÖ und ÖVP jedoch auf Sozialabbau durch weitere Verschärfungen bei der bedarfsorientierten Mindestsicherung.

Kürzlich beschlossen ÖVP, FPÖ und Team Stronach in Niederösterreich ebenfalls massive Kürzungen. Die Ersparnis für das Landesbudget wird wahrscheinlich keine 10 Millionen Euro betragen. Auslöffeln dürfen die Suppe die Ärmsten. Unter Beifall des Boulevards. Vergessen ist, dass unter der Verantwortung des Finanzlandesrates Wolfgang Sobotka über eine Milliarde Euro an Wohnbaugeldern verspekuliert wurde. Als "Belohnung" wurde Sobotka zum Innenminister befördert.

Die Fakten

Bevor jemand die "bedarfsorientierte Mindestsicherung" (in Wien 837,76 Euro für Alleinstehende, 628,32 Euro pro Person bei einem Paar, 226,20 Euro pro Kind) bekommt, muss das eigene Vermögen aufgebraucht werden bis nur mehr 4.188,80 Euro übrig sind. Ausnahmen sind die als Hauptwohnsitz genutzte Eigentums-Wohnung und die Wohnungseinrichtung. Wer ein Auto besitzt, muss dieses verkaufen - außer das Gefährt ist berufs- bzw. behinderungsbedingt notwendig. Der/die BMS-BezieherIn muss dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Es gibt strenge Kontrollen und auch Bezugssperren.

Tatsache ist, dass fast 80 Prozent der BezieherInnen in Wien nur Ergänzungsleistungen erhalten und die Höhe der Mindestsicherung in Wien durchschnittlich bei 311 Euro pro einzelnem Bezieher liegt. Die verlogenen Argumente von FPÖVP

Der Wiener ÖVP-Chef Blümel, einer der Hardliner in der Causa, fordert Kürzungen und eine Deckelung der Mindestsicherung für Familien - er begründet dies mit "kinderreichen Ausländer- und Asylanten-Familien", die sich auf "unsere Kosten" in der Hängematte ausruhen würden.

Asylwerber erhalten, trotz aller gegenteiligen Behauptungen von Boulevard-Medien und FPÖVP, KEINE Mindestsicherung. Mindestsicherung erhalten NUR anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzbedürftige, die den selben strengen Regeln wie ÖsterreicherInnen unterworfen sind. Laut plausiblen Recherchen sind maximal 15-20 % der armutsgefährdeten Menschen, die in Österreich Mindestsicherung beziehen, anerkannte Flüchtlinge. Genaue Zahlen werden bis dato nicht erhoben.

Kürzungen, Deckelungen und andere von FPÖVP angedachte Verschärfungen bei der Mindestsicherung werden also vor allem Österreicher und Österreicherinnen und da insbesondere alleinerziehende Frauen, Kinder, Working-Poor und Arbeitslose treffen.

Bundesweit gilt nämlich: Ein großer Teil hat Arbeit - aber der Lohn ist (auch wegen Teilzeitarbeit) so lächerlich gering, dass trotzdem Mindestsicherung bezogen werden kann. Viele BMS-BezieherInnen stehen dem Arbeitsmarkt aber auch gar nicht zur Verfügung (Kinder, Menschen mit Behinderungen, AlleinerzieherInnen, Frauen mit geringer Pension etc.).

Arbeitslose, so ein weiteres Hetzargument von FPÖVP, würden das System skrupellos ausnutzen. Tatsache ist, dass nicht einmal ein Drittel der BMS-BezieherInnen arbeitslos ist. Und ignoriert wird, dass z.B. in Wien rund 150.000 Personen ohne Erwerbsarbeit sind, es aber nicht einmal 10.000 offene Stellen gibt - die Rechnung kann also nicht aufgehen.
Zum Argument "viele (ausländische) Kriminelle" machen sich mittels einer Kinderschar und dem BMS-Geld "ein schönes Leben" und gefährden das Sozialsystem. 101.983 Bedarfsgemeinschaften erhalten in Wien Mindestsicherung - 0,3 Prozent (also rund 300 Familien) mit sechs oder mehr Kindern sind als BMS-BezieherInnen registriert. In 9 (neun!!!!) Bedarfsgemeinschaften sind zehn oder mehr Kinder gemeldet. So viel zur "Bedrohungslage".

Übrigens: Der Wiener ÖVP-Chef Blümel erhält als nichtamtsführender Stadtrat pro Jahr 120.000 Euro aus Steuergeldern "für's Nasenbohrn".

Wollen wir Obdachlosen-Zeltstädte am Karlsplatz?

Kürzungen und Decklungen der BMS treffen alle - unabhängig von der Staatsbürgerschaft. Ein Beispiel: Eine Wienerin, die sich daheim um zwei kleine Kinder und ihren durch einen Arbeitsunfall schwer behinderten Mann kümmert, hat gegenwärtig für diesen vierköpfigen Haushalt (exkl. Pflegegeld) 1.708 Euro pro Monat zur Verfügung. Diese Familie würde im Falle einer Deckelung 208 Euro pro Monat verlieren!

Perfid auch die ÖVP-Forderung "Mindestsicherung soll erst dann bezogen werden können, wenn zuvor auch in das System eingezahlt worden ist“. Die Folge wäre, dass auch junge Menschen mit österreichischem Reisepass, da diese noch nicht in das System eingezahlt haben, um jede finanzielle Unterstützung umfallen würden. Allein in Wien sind laut neuesten Zahlen nämlich rund 56.000 Mindestsicherungs-BezieherInnen jünger als 18 Jahre.

Klar gesagt werden muss: Die Mindestsicherung (ehemals Sozialhilfe) ist keine Versicherungsleistung sondern einzig und allein der letzte Rettungsanker um zu verhindern, dass hunderttausende Menschen quasi gezwungen werden "unter der Brücke zu schlafen" oder aber Obdachlosen-Zeltstädte am Karlsplatz und im Prater entstehen. Es soll verhindert werden, dass Menschen, die finanziell ganz Unten sind, versuchen sich mit Schwarzarbeit, Einbruch und Diebstahl oder Drogengeschäften ein Überleben zu sichern - alles Alternativen die außer der FPÖ, die an der Eskalation der Situation wahrscheinlich sehr interessiert ist, niemand wollen kann.

Noch eine Zahl: Die BMS macht mit einem Aufwand von 765 Millionen Euro bundesweit rund 0,7% der Sozialausgaben aus. Während das letzte soziale Sicherungsnetz angeblich u.a. aus Finanzgründen gekürzt wird, wurde im neuen Bundesbudget eine beachtliche Ausweitung der Gelder für Bundesheer und Polizei beschlossen.


Für Polizei und Bundesheer gibt es Rekordbudgets

2,3 Mrd. Euro wird die Republik 2017 für das Bundesheer ausgeben. Gegenüber 2016 ist dies eine Steigerung von 11,9 Prozent. Für die Innere Sicherheit sind sogar 3,5 Milliarden Euro veranschlagt. Die Steuerprivilegien für Euro-Millionäre und Großkonzerne werden von der Regierung weiterhin nicht angetastet, zugleich wird über zu hohe Sozialausgaben gejammert.

Mit Sturmgewehren kann man aber keine Miete zahlen. Mit Einsatzhelmen keine Arztrechnungen begleichen. Hubschrauber helfen keiner Alleinerzieherin und keiner Mindestpensionistin.

Offiziell dient die Hochrüstung des Bundesheeres und der Polizei der "Terrorbekämpfung". In Wirklichkeit geht es wohl auch darum allfällig auf die selbst gemachten sozialen Spannungen "reagieren" zu können. Diese Befürchtung bestätigt indirekt auch ÖVP-Verteidigungssprecher Schönegger, wenn er erklärt: „Durch die nunmehr möglichen Investitionen (...) werden die Fähigkeiten und die Einsatzbereitschaft des Österreichischen Bundesheeres vor allem im Hinblick auf Inlandseinsätze deutlich gesteigert."

Ein Ausblick

Auch in Wien wird die Debatte um "Kürzungen und Deckelungen" bald an Brisanz gewinnen, denn dass die zart-rosa/blass-grüne Stadtregierung bei ihrem Nein zu Kürzungen und Decklungen bleibt, darf bezweifelt werden.

Unsere Aufgabe ist es, dass letzte soziale Auffangnetz zu verteidigen, damit wir nicht amerikanische oder südafrikanische Verhältnisse bekommen. Wehren wir uns gemeinsam und solidarisch gegen eine Politik auf dem Rücken der Ärmsten. Und bedenken wir, dass auch wir morgen schon konkret betroffen sein können.

Didi Zach, Landessprecher der KPÖ-Wien