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Ja, ich bin der Sohn eines „Staats-Verbrechers

  • Monday, 17. February 2014 @ 12:14
Wenn mich heute wer fragt, woher nimmst du dir das Recht, anlässlich des 12. Februar 1934 auf die Strasse zu gehen, Du hast doch diese Zeit nicht erlebt, was willst du dann dazu reden?

Denen will ich sagen, wer wenn nicht meinesgleichen, hätte denn dann das Recht dazu? Denn: Ja, es war mein Vater, der in Gösting bei Graz mit seinen Genossen / Kameraden im Schutzbund den vorhandenen Anweisungen folgte und die alle dabei jämmerlich verraten wurden.

Rede von Raoul Narodoslavsky bei der Februar-Gedenk-Kundgebung am 14. Februar 2014 in Wien-Brigittenau. Sie wehrten sich, wogegen denn: Hier z.B.: gegen den "Korneuburger Eid" der austrofaschistischen Heimwehren, dieser lässt an Deutlichkeit wohl nichts zu wünschen über: "Wir sind und bleiben Feinde des parteipolitischen Parlamentarismus, und wenn wir uns heute an den Tisch der Parteien drängen, dann tun wir es nicht, um mit ihnen zu schmausen, sondern um die Tafel aufzuheben. Jeder Kamerad kennt nur drei Quellen seiner Kraft: seinen Gottesglauben, seinen eigenen zähen Willen und das Wort seiner Führer.“

"Jeder Kamerad fühle und bekenne sich als Träger der neuen deutschen Staatsgesinnung."

"Wir verwerfen den westlichen demokratischen Parlamentarismus und den Parteienstaat! Wir wollen an seine Stelle die Selbstverwaltung der Stände setzen und eine starke Staatsführung, die nicht aus Parteienvertretern, sondern aus den führenden Personen der großen Stände und aus den fähigsten und bewährtesten Männern unserer Volksbewegung gebildet wird."
"Der Staat ist die Verkörperung des Volksganzen; seine Macht und Führung wacht darüber, daß die Stände den Notwendigkeiten der Volksgemeinschaft eingeordnet bleiben." "Endziel ... muß der Zusammenschluß aller deutschen Stämme zum großen Deutschen Reich sein."
["Korneuburger Eid" der Heimwehren, 18. Mai 1930] Heimwehren, angeführt vom katholischen ehemaligen Hochadel, z.B. H.R. „Fürst“ Starhemberg


Ja, ich bin der Sohn eines „Staats-Verbrechers“ und sein Verbrechen war, wie er sagte.. . ich bin für einen Betriebsrat und Mitbestimmung, für ein Parlament, das den Namen verdient, eingetreten.. und weil es notwendig war, habe ich, haben wir versucht, die Reste mit der Waffe in der Hand zu verteidigen.........
danach war ich ein Räuber und Hund....verurteilt von ehemals kaiserlichen Knechten... siehe PIUS X - dieser bezeichnete nur wenige Tage nach der blutigen Niederschlagung der Aufstände das militärische Vorgehen als „heilsame Härte“. „Es gibt eine Härte, die zur Barmherzigkeit wird“, heißt es dazu in einer Gesprächsnotiz. Weissel, Münichreither, Stanek Wallisch u.a. sollten also „Danke“ sagen für den Strick, den ihnen diese Regierung um den Hals legen ließ, bis das der Tod festgestellt wurde.

Oder Pius des X. Botschafter, Nuntius genannt: Brief des Apostolischen Nuntius in Wien, Enrico Sibilia, an das vatikanische Staatssekretariat. Darin spricht Sibilia im Blick auf die Niederschlagung der Aufstände in Wien von einem „besonderen Zeichen der Güte Gottes“: „Mich freut es in tiefster Seele vor allem, das Rathaus von der wahren Tyrannei der Roten befreit zu sehen, war es doch über die Volksschulen die größte Produktionsmaschine von Kriminellen. Aus jenen sind die roten Direktoren nun verjagt und durch beste Katholiken ersetzt worden“ Dank und Amen und Klostersuppe, Exzellenz.

Ja, ich bin der Sohn einer Frau, die 1941 mit 18 Jahren einer kommunistischen Gruppe beigetreten ist, Geld für die Rote Hilfe sammelte, widerständig blieb, sich nach 1955 und 1968 dafür nicht schämte und in der KPÖ bis zu ihrem Ableben 2011 aktiv bleib.

Ja, die Eltern meines Vaters wären heute Gastarbeiter aus Jugoslawien bzw Slowenien oder Ungarn.

Ja, der Vater meiner Mutter hatte keinen wirklichen Ariernachweis und 7 Jahre Angst um seiner 2 Kinder und sein Leben.

Ja, die Mutter meiner Mutter wurde im Jänner 1941 von Graz aus dem Krankenhaus als „unlebenswert“ nach Hartheim überstellt und starb binnen einer Woche „infolge Herzstillstand“.

Daher nimmt sich unsereins das Recht, hier zu stehen und zu sagen, hinter allen diesen Dingen steht mehr als das einzelne individuelle Böse, dahinter steht ein System und dieses System heißt Kapitalismus.

Untrennbar ist mit den Ursachen des Februaraufstandes 1934 die damalige Weltwirtschaftskrise des Kapitals verbunden.

Die Weltwirtschaftskrise der Jahre 1929 bis 1933 brachte unendliches Elend über die Arbeiterschaft. So sank die Produktion auf unter 50 Prozent des Volumens vor der Wirtschaftskrise. Ende 1934 waren in Österreich rund 770tausend , das waren knapp 40 Prozent der unselbständig Erwerbstätigen, arbeitslos oder ausgesteuert... und von diesen 770tausend waren rund 60 Prozent, also 450tausend ohne jede reguläre Unterstützung..........

In dieser Notzeit, die nicht von den Lohnabhängigen verschuldet war, kam es in Europa zu vielen Streikbewegungen und Auseinandersetzungen zwischen Besitzenden und Besitzlosen, Ausbeutern und Ausgebeuteten......

Aus dem Wahlheft der SP im Jahre 1930 (der letzten bürgerl.demokr. Wahl):
"Der Kapitalismus steht dieser Krise nahezu hilflos gegenüber......
Zur gleichen Zeit verlangen die Kapitalisten vom Staate, er möge durch große Staatsaufträge Arbeit und Beschäftigung schaffen, aber auch die Steuern herabsetzen, die angeblich Produktion und Export hindern und von der Arbeiterschaft Lohnsenkungen" ....usw usw

HEUTE am 14.2.2014 : Im Jänner 2014 zählt die Arbeitslosenstatistik rund 500tsd Menschen zu ihren – höflich umschrieben - Klienten. 1,5 Mio Menschen in Österreich sind armutsgefährdet.
Gestern am 13.2.2014 erklärt so ein Wirtschaftsforscher om ORF-Staatsfunk: für die Aufbringung der 13, 16 oder 19 Milliarden Euro Bedarf der Hype Alpe Adria, die wir da, Sie und ich, zahlen sollen, gibt es nur 2 Mitteln: Einsparen z.B. im Sozialbereich und den Pensionen und/oder Steuerbelastungen rauf

Ja gerne rauf, bei den Profiteuren, nicht bei den Lohnsteuerzahlern

Es sind die immer gleichen Forderungen bei den gleichen Krisen.
Es sollen wir die Zeche zahlen für Dinge, die wir nicht bestellten.
Wir Alle haben keine Aktien, Fonds usw, wir haben nicht spekuliert, wir haben nicht Menschen in die Not getrieben oder fremdes uns anvertrautes Erspartes verplempert..

Es sollen, wenn nicht anders machbar, immer W I R für die Obrigen, die Geld und Produktionsmittel besitzen, in irgendwelche Kriege ziehen, für billige Rohstoffe oder wie einst in Dachau die Aufmüpfigen durch Arbeit frei werden sollen von Lohn und Leben.

Gegen all diese seit einem Jahrhundert gleichen Gaunereien, Unterdrückung, Ausspielen von Interessen der Arbeitenden untereinander stehen wir hier.

Wir stehen hier um zu erinnern aber auch um aufzuzeigen:
Der Kapitalismus – jene Gesellschaftsform, in der wir hier und jetzt leben - hat keine Rezepte gegen seine durch sein Wesen verursachten Krisen, außer letztendlich Unterdrückung, Not und Krieg.
Darum muß eine andere, eine sozialistische Welt her, in welcher kein Mensch ein verächtliches, geknechtetes und unterdrücktes Wesen ist, erkämpft werden.

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Ergänzung: Winfried R. Garscha von der KPÖ-Brigittenau verlas auf der Demonstration eine Resolution, die von der Wiener Stadtverwaltung verlangt, endlich den Beschluss der Brigittenauer Bezirksvertretung von vor mehr als einem Vierteljahrhundert umzusetzen und den Höchstädtplatz in "Johann-Koplenig-Platz" umzubenennen.

Nachfolgend die Resolution:
 

Wir, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Abschlusskundgebung des alljährlichen Brigittenauer Gedenkmarschs zur Erinnerung an den 12. Februar 1934, haben uns zum 80. Jahrestag des bewaffneten Kampf der österreichischen Arbeiterbewegung gegen die Zerstörung der sozialen Errungenschaften der demokratischen Republik und die Aufrichtung einer faschistischen Diktatur in unserem Lande auf dem Höchstädtplatz versammelt.

Hier, an der langjährigen Wirkungsstätte von Johann Koplenig, der hier auch mit einem Denkmal geehrt wird, wollen wir daran erinnern, dass Koplenig der einzige Unterzeichner des Gründungsdokuments der Zweiten Republik, der Unabhängigkeitserklärung vom 27. April 1945, ist, an den noch keine Bezeichnung einer öffentlichen Verkehrsfläche in Wien erinnert.

Johann Koplenig, der von 1924 bis 1965 an der Spitze der KPÖ stand, ist Mitverfasser der historischen Erklärung der Leitung der Kommunistischen Partei Österreichs im Prager Exil in der Nacht vom 11. zum 12. März 1938, die den Auftakt zum opferreichen Widerstandskampf der KPÖ gegen die Nazi-Diktatur bildete.
Johann Koplenig gehörte der Provisorischen Regierung des Jahres 1945 als Vizekanzler an, die die Grundlagen für die Zweite Republik als Antithese zum Nationalsozialismus schuf.

Wir verlangen von der Wiener Stadtverwaltung, endlich den Beschluss der Brigittenauer Bezirksvertretung von vor mehr als einem Vierteljahrhundert umzusetzen und diesen Platz in "Johann-Koplenig-Platz" umzubenennen.

Bis zum 70. Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung im kommenden Jahr werden wir die zuständigen Stellen der Stadt am 27. jeden Monats an diese Forderung erinnern und uns dabei phantasievolle Methoden einfallen lassen, um dieser Forderung Gehör zu verschaffen.
Am 27. April 2015 werden wir uns wieder hier versammeln und auf jeden Fall die Umbenennung des Platzes feiern. Wir gehen aber davon aus, dass der Platz spätestens zu diesem Erinnerungstag auch offiziell den Namen Koplenigs erhalten wird.
 
 
Winfried R. Garscha