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Grüne für Mietenstopp: Zach: "Ich bin begeistert, aber skeptisch"

  • Monday, 12. November 2012 @ 11:47
Wien-Politik Maria Vassilakou, die grüne Wiener Vizebürgermeisterin, erklärte der Tageszeitung "Österreich" gestern, dass Sie für eine Mietzinsbegrenzung von 7 Euro pro m2 am privaten Wohnungsmarkt eintrete und dazu die Meinung der Wiener und Wienerinnen per Volksbefragung erfahren will, obwohl es sich um ein Bundesgesetz handelt. Von ÖVP und FPÖ gab es prompt den Vorwurf, die Grünen würden KPÖ-Positionen aufgreifen. Gleichzeitig zeigte sich der Landessprecher der KPÖ-Wien skeptisch, ob es den Grünen mit dieser Forderung ernst ist. Wir haben Didi Zach um ein kurzes Interview gebeten.

Frage: Ist der Vorstoß der Grünen und von Vassilakou nicht unterstützenswert?

Zach: Der Vorstoß ist sehr unterstützenswert. Ich bin begeistert, wenn die Grünen uralte KPÖ-Forderungen aufgreifen und unterstützen. Es stellt sich aber die Frage, ob Vassilakou es ernst meint?

Frage: Wie kommst du zu dieser Vermutung?

Zach: Tatsache ist, dass ein Gesetz zur Begrenzung der Mieten von der Regierung ausgearbeitet und vom Parlament beschlossen werden muss. Und dort - selbst wenn die SPÖ mitziehen sollte, was fraglich ist - sehe ich unter den gegenwärtigen politischen Rahmenbedingungen weit und breit keine Mehrheit für solch ein Gesetz.

Frage: Aber die KPÖ fordert doch auch immer wieder Dinge deren gesetzliche Umsetzung in den Sternen steht.

Zach: Korrekt. Doch wir haben - als kleine Oppositionspartei, die weder im Parlament sitzt noch Gesetze mitausarbeiten darf - das Privileg, sagen zu können, wofür wir stehen und wohin wir wollen. Die Grünen, die in Wien Regierungspartei sind, müssen sich hingegen gefallen lassen, mit ihrer eigenen Praxis konfrontiert zu werden. Die Grünen tun ja seit geraumer Zeit so, als ob eine Stimme für die Grünen zur sofortigen Realisierung von Forderungen führen würde, was ja eine glatte Lüge und plumpeste WählerInnen-Täuschung ist.

Frage: Äh. Die KPÖ darf also unrealisierbare Forderungen erheben, die Grünen dürfen dies aber nicht?

Zach: Blödsinn. Natürlich dürfen und sollen die Grünen sagen, wohin Sie wollen, für welche Forderungen Sie eintreten. Aber die Grünen müssen sich zugleich gefallen lassen, dass Sie mit Ihrer eigenen Praxis konfrontiert werden. Tatsache ist z.B., dass die Wiener Grünen ihr großes Wahlversprechen "Eine Öffi-Jahreskarte soll nur 100,- Euro kosten", ohne mit der Wimper zu zucken, entsorgt haben, obwohl Sie nun in Wien in der Stadtregierung sind. Und auch viele andere Versprechungen und Positionen wurden von den Wiener Grünen aufgegeben.

Frage: Andernfalls hätte es wahrscheinlich keine rot-grüne Stadtregierung gegeben.

Zach: Möglich. Aber es ist ein ganz, ganz schlechter Stil, Versprechungen zu machen, die dann - mit dem Hinweis auf Sachzwänge - still und heimlich entsorgt werden.

Frage: Zurück zum Mietenstopp. Unterstützt die KPÖ diese Forderung.

Zach: Aber natürlich, keine Frage. Wir trommeln dies schon seit vielen Jahren, aber `Österreich, Heute und all die anderen Qualitätszeitungen´ ignorieren unsere Ideen ja leider.

Frage: Warum freust du dich nicht trotzdem, wenn Zeitungen kluge Ideen aufgreifen?

Zach: Ich freue mich - ehrlich. Und ich gestehe Menschen und Parteien zu, sich zu ändern. Ich schätze Personen, die sagen `ich hab mich geirrt´. Wenn es den Grünen ernst ist mit dem Thema Mietenstopp, dann sollten Vassilakou & Co aber zuerst Selbstkritik üben und vor allem sollten die Grünen Funktionäre dort tätig werden, wo Sie unmittelbar Dinge ändern können. Konkret: Erst kürzlich hat SP-Wohnungsstadtrat Ludwig verkündet, dass bei der Neuvermietung von Gemeindewohnungen künftig das wesentlich teurere Richtwertsystem zu 100 Prozent zur Anwendung kommen wird. Ich hab von Vassilakou dazu bis heute nichts gehört. Und ich hab - um bei Thema Mieten zu bleiben - von Vassilakou auch noch nichts dazu gehört, dass die Stadt Wien den sozialen Wohnbau wiederaufnehmen wird. Dadurch könnte großer Druck auf den privaten Wohnungmarkt in Wien ausgeübt werden.

Frage: Wolfgang Fellner schreibt in Österreich, das Thema Wohnen könnte zum Mega-Thema der Wahlen 2013 werden. Teilst du diese Ansicht?

Zach: Schon möglich. Denn SPÖ und Grüne könnten da wieder einmal das Blaue vom Himmel versprechen und sich dann auf nicht vorhandene Mehrheiten im Parlament ausreden. Wenn Vassilakou und die SPÖ was tun wollen, dann sollen sie in Wien Taten setzen. Da haben Sie eine bequeme Mehrheit und niemand kann SPÖ und Grüne an Taten hindern. U.a. kann Vassilakou, die ihr Herz für die kleinen Leut entdeckt, z.B. auch die Frage einer "Null-Lohnrunde" im öffentlichen Dienst in Wien zur Koalitionsfrage machen - ich bezweifle aber, dass Vassilakou soviel Mumm hat.

Frage: Bleiben wir beim Thema Wohnen. Was forderst du also konkret von den Wiener Grünen?

Zach: Betrachten wir die Fakten. 60 Prozent aller Wienerinnen und Wiener wohnen entweder in Gemeindebauten oder in geförderten Miet- oder Genossenschaftswohnungen. Zugleich werden die Mieten im privaten Bereich immer unerschwinglicher. Eine Stadtregierung, die sich dem sozialen Ausgleich verpflichtet fühlt, und dies beanspruchen sowohl SPÖ wie Grüne ja für sich, muss also dafür sorgen, dass die Regelung, wonach neu vermietete Gemeindewohnungen in Wien dem Richtwertsystem unterliegen, umgehend rückgängig gemacht wird. Zudem kann und muss die Stadtregierung beschliessen, dass Mietzinserhöhungen, die vom Gesetz erlaubt aber nicht zwingend sind, ausgesetzt werden, womit enormer Druck auf den privaten Wohnungsmarkt in Wien erzeugt würde. Und last but not least könnte Wien beschliessen, endlich wieder Gemeindewohnungen zu bauen - aber dazu höre und lese ich nichts von den Grünen. Was mich veranlasst zu befürchten, dass es bei der Ansage von Vassilakou um WählerInnen-Täuschung geht und nicht um eine ernst gemeinte Neupositionierung der Wiener Grünen.

Danke für das Gespräch.