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Gesetzesnovellen: Ein weiterer Freibrief für Justiz- und Polizeiwillkür

  • Wednesday, 10. March 2021 @ 12:23
Ein Kommentar von Karl Reitter bzgl. der von der Regierung geplanten Änderungen des Epidemiegesetz 1950 sowie des COVID-19-Maßnahmengesetzes aus 2020.

Das Tempo verschärft sich. Die neuen, vom Bundesministerium für Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) vorgeschlagenen Gesetzesnovellen stellen einen weiteren Schritt Richtung Justiz- und Polizeiwillkür dar. Am 3. März wurden zwei Gesetzesänderungen zur Begutachtung ausgesandt, wobei die Frist bereits am 9. März endete. Wäre es nach den staatstragenden Medien gegangen, die Information über diese wäre kaum bekannt geworden. Aber der Reihe nach.

Es geht bei den Änderungen um zwei verschiedene Gesetze. Einmal um das Epidemiegesetz 1950 sowie das COVID-19-Maßnahmengesetz aus 2020. Das Epidemiegesetz 1950 wurde mehrfach novelliert und stellt die gesetzliche Basis der staatlichen Pandiemiemaßnahmen dar. Das COVID-19-Maßnahmengesetz ergänzt und erweitert das Epidemiegesetz, wobei sich einzelne Paragraphen des COVID-19-Maßnahmengesetzes, auf Paragraphen des Epidemiegesetzes beziehen. Die Materie ist also einigermaßen unübersichtlich und für Laien nicht einfach zu durchschauen – für unsere PolizeibeamtInnen im Einsatz wohl ebenso wenig. Von den staatstragenden Medien war differenzierte Information nicht zu erwarten. Statt dessen geschah folgendes bemerkenswertes, und zwar durchgehend: Kaum wurde ein kritischer Artikel zu diesen geplanten Novellen veröffentlicht, war der Artikel auch schon wieder von den Startseiten verschwunden und kaum auffindbar. So geschehen bei der Wiener Zeitung, beim Standard und auf orf.at. Dass da offensichtlich eine Intervention aus dem Gesundheitsministerium vorlag, entging sozusagen niemanden, zahllose Postings zeugen davon. Vergessen wir nicht, die Abhängigkeit von der Presseförderung und staatlichen Inseraten ist in Zeiten sinkender Druckauflagen ist nicht gering zu schätzen. Das Bestreben, dieses Thema möglichst rasch wieder aus dem Fokus der Öffentlichkeit zu nehmen, wundert angesichts der Änderungen nicht. Diese haben es tatsächlich in sich.

Die Novelle des Epidemiegesetz

Wie die Gruppe »Rechtsanwälte für Grundrechte«1 aufzeigen, betrifft die Änderung vor allem den §15. Der Ausdruck »Maßnahmen gegen das Zusammenströmen größerer Menschenmengen« wurde durch den Begriff »Veranstaltungen« ersetzt. Nun soll der §15 Abs. 1a lauten: »Als Veranstaltungen gelten Zusammenkünfte von zumindest vier Personen aus zumindest zwei Haushalten.« »Das bedeutet, das künftig jedes derartige, auch private, Treffen als Veranstaltung gilt und nur mit behördlicher Erlaubnis zulässig, also im Verordnungsweg verboten werden kann.« kommentiert die Gruppe »Rechtsanwälte für Grundrechte«. Diese Interpretation wird von Seiten des Ministeriums explizit geteilt. Der Pressereferent Dipl.-Ing. Daniel Böhm stellt in der APA Aussendung unmissverständlich fest: »Die Regelung zum ‚Zusammenströmen von Menschen‘ soll nun konkretisiert werden. Es wird explizit eine Mindestanzahl von vier Personen festgelegt. … So wie die bestehende Regelung auch, soll die künftige auf alle Orte von Zusammenkünften anwendbar sein und erfasst damit sowohl öffentliche als auch private Orte. Kontrollen im privaten Wohnbereich schließt das Gesetz weiterhin explizit aus.«2 Die Novelle zum Epidemiegesetz sieht weiters vor, dass Epedemiegebiete festgelegt werden können, die weder betreten, noch verlassen werden dürfen. Zudem sollen die Strafen massiv verschärft werden. Wer gegen den §15 verstößt, wer sich also mit drei weiteren FreundInnen wo auch immer trifft, kann nun nach §40 mit 500,- Euro oder eine Woche Gefängnis bestraft werden. Wenn aber ein solches Zusammentreffen als verbotene Veranstaltung tituliert wurde, beträgt die Strafe bis zu 1.450,- Euro oder vier Wochen Arrest. Bei gewerbsmäßigen Veranstaltungen drohen den Veranstaltern bis zu 30.000 Euro.

Die Novelle zum COVID-19-Maßnahmengesetz

Hier geht es vor allem um den §5, um die Ausgangsregeln. Gleich im ersten Absatz §5 (1) wird ein Passus eingefügt, der es in sich hat. Nun genügt auch der Umstand einer wörtlich »nicht mehr kontrollierbaren Verbreitung« um Ausgangsbeschränkungen verhängen zu können. Wenn es nicht so dramatisch wäre, wäre es auch lustig. Jede Pandemie und Seuche beruht auf einer »nicht mehr kontrollierbaren Verbreitung«, oder was sollen wir uns unter einer kontrollierbaren Verbreitung vorstellen? »Herr Landeshauptmann, nehmen wir nach Stockerau lieber Floridsdorf oder Korneuburg, wo soll sich denn das Virus ausbreiten?« Die Begründung von Seiten des Ministeriums für die neu eingefügte Bestimmung ist hanebüchern: Eine unkontrollierbare Verbreitung liege vor, »wenn die Kontaktnachverfolgung auf Grund der unkontrollierten Virusverbreitung nicht mehr aufrechterhalten werden kann«. Das was noch nie der Fall. Ganz offiziell wird von den Behörden zugegeben, dass das Contact Tracing nur in Ansätzen und sehr lückenhaft möglich war und ist. Die Novelle stellt zudem insbesondere Heime unter besondere strenge Bestimmungen. Die menschenunwürdige Isolationen in den Heimen kann mit den neuen Bestimmungen legitimiert werden, egal wo das Virus tatsächlich stark verbreitet ist – und das angesichts der Impfungen insbesondere der alten und ältesten Menschen. Wie die »Rechtsanwälte für Grundrechte« aufzeigen, enthält die Änderung des § 1 Abs. 5c die Möglichkeit, eine Testpflicht statt einer FFP-2 Maske beim Betreten von Arbeitsorten für die Beschäftigten zu verordnen.

27.000 Einwände

Der offenbare Versuch des Ministeriums, die Novelle still und heimlich an der Öffentlichkeit vorbei zu schwindeln, ist offenbar gescheitert. Ein diesbezüglicher Artikel im Standard, obwohl rasch ins Archiv abgeschoben, hatte immerhin fast fünftausend sehr kritische Postings. Nun sollen über 27.000 kritische Stellungnahmen auf der Webseite des Ministeriums eingetroffen sein.3 Wie zu erwarten hat auch bei diesem Thema der staatstragende Standard sofort die Keule der Denunziation parat: Die Flut der Einwände sei das Werk von »Staatsverweigerern« gewesen, werden wir von Gabriele Scherndl belehrt. Und ich war einer davon…

1) https://www.afa-zone.at/beitraege/ste...3-03-2021/
2) https://www.ots.at/presseaussendung/O...-vorgelegt
3) https://www.wienerzeitung.at/nachrich...t-ist.html