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Erste Überlegungen der Stadtleitung zu den Ergebnissen der Wiener Wahlen

  • Friday, 16. October 2015 @ 08:49
Wiener Wahlen 2015 Wir haben unser ambitioniertes Wahlziel, den Einzug in den Gemeinderat, klar verfehlt. Auch die Ergebnisse auf Bezirksebene sind deutlich hinter den Erwartungen vieler AktivistInnen zurück geblieben. Der Gewinn von 5 Bezirksratsmandaten für Wien Anders, wovon jene in Rudolfsheim-Fünfhaus und Ottakring neu gewonnen wurden, ist zwar erfreulich, ändert aber nichts grundlegendes an der Gesamteinschätzung. Die Hoffnung vieler AktivistInnen, den Schwung von der EU-Wahl mitnehmen zu können und ein Wahlresultat zu erreichen, welches Aufmerksamkeit erregt und die politischen Rahmenbedingungen verändert, hat sich nicht erfüllt. Es wird auch in den kommenden 5 Jahren keine fortschrittliche, linke Kraft im Gemeinderat geben, unsere politischen, medialen und finanziellen Möglichkeiten bleiben weiterhin beschränkt. Andererseits sei in Erinnerung gerufen: auch in den 80er Jahren, unter ganz anderen politischen und finanziellen Bedingungen, hatte die KPÖ in Wien "nur" 5 Bezirksratsmandate. Mehr als 5 Bezirksratsmandate hatte die KPÖ bis Ende der 60er Jahre. Die Ergebnisse

8.937 Wähler und Wählerinnen (= 1,07 %) votierten auf Gemeinderatsebene für Andas. 12.449 Menschen (= 1,43 Prozent) wählten auf Bezirksebene Andas. Die KPÖ erreichte 2010 auf Gemeindeebene 8.425 Stimmen (=1,12 %) und auf Bezirksebene 10.611 Stimmen (=1,37 Prozent), die Piraten kandidierten 2010 nicht in Wien.

Die Ursachen?

Festzuhalten ist, dass der angebliche bzw. herbei geschriebene Kampf um den Bürgermeister-Sessel zwischen Häupl und Strache allen anderen Parteien massiv geschadet hat. Auch die Grünen haben prozentuell verloren, die ÖVP ist unter die 10 Prozent Marke gefallen, die Neos blieben hinter dem Nationalratswahl-Ergebnis zurück.

Bürgermeister Häupl hat sich gekonnt als Verteidiger des Rechts auf Asyl präsentiert - offenbar für viele Menschen sehr glaubwürdig. Auch viele potentielle Wähler und WählerInnen von Wien Anders dürften - ergriffen von der Panik eines Wahlsiegs der Strache FPÖ - sich im letzten Moment einmal mehr für SPÖ oder Grüne entschieden haben. Wobei wir dazu nur Vermutungen anstellen können, da wir nicht über empirische Daten für Wien Anders verfügen. Tatsache ist, dass wir den wahlpolitischen Schwung der EU-Wahlen nicht mitnehmen und nutzen konnten. Maximal rund 50 Prozent der Wiener WählerInnen, die bei der EU-Wahl 2014 Europa Anders gewählt haben, haben auch diesmal Anders gewählt, was als Indiz für die beschriebene Tendenz angesehen werden kann und zugleich einmal mehr bestätigt, dass wir unsere WählerInnen bei jeder Wahl neu gewinnen müssen.

Die geballte Arroganz der Macht, für den ORF und die meisten Printmedien standen nur 5 Parteien wienweit zur Wahl, die Wahlmanipulation durch die Meinungsforschung, in der Wien Anders systematisch ausgeklammert wurde, und die Nicht-Präsenz mittels Plakatständern (die MA 46 hat bekanntlich deren Ausstellung mit einer fadenscheinigen Begründung untersagt) hatten sicherlich ebenfalls bedeutenden Einfluss auf das Ergebnis.

Zwar hatte die Wien Anders Website gute Zugriffszahlen, die Facebook-Seite hatte mehr Likes als jene der NEOs und der ÖVP-Wien, die Beitragsreichweite lag bei 184.000. Aber das Internet und Facebook sind nur ein Ausschnitt der Realität, Facebook-Likes sind noch lange keine Stimmen bei einer Wahl. Die wichtige Botschaft - es braucht linke Opposition im Gemeinderat - wurde von uns zu wenig in den Mittelpunkt gerückt, für zehntausende Menschen waren unsere Botschaften und Signale offenbar unklar und nicht wirklich glaubwürdig.

Unsere Fehler?

Das Wahlprogramm von Andas deckte sich weitgehend mit wichtigen KPÖ-Forderungen. Zu fragen ist, ob die WählerInnen 1, 2 zentrale Themen ausmachen konnten, ob die WählerInnen einen zentralen Slogan mit Andas assoziiert haben oder ob hier nicht zu wenig Zuspitzung erfolgt ist. Andererseits: trotz vieler Straßenaktivitäten, trotz der guten FB-Zugriffszahlen ist festzuhalten, dass wir viele Menschen natürlich nicht erreichen konnten und viele potentielle WählerInnen wohl erst durch den Stimmzettel von uns erfahren haben.

Wichtig war, dass das KPÖ-Logo und die Logos der Allianz-Parteien auf den Materialien und am Wahlzettel sichtbar waren. Ein anderes Agieren hätte wohl dazu geführt, dass selbst die Mobilisierung der KPÖ-Stamm-WählerInnenschaft noch schwieriger gewesen wäre.

Der Erfolg von Europa Anders war zum Teil sicherlich auch dem Spitzenkandidaten Martin Ehrenhauser geschuldet. EinE "Promi-Kandidat*in" a la Ehrenhauser stand bei der Wiener Wahl nicht zur Verfügung.

Hätte die KPÖ bei einer Allein-Kandidatur ähnliche Ergebnisse einfahren können? Wir werden es nie in Erfahrung bringen - sowohl Pro- wie Contra Argumente für solch eine Behauptung sind spekulativ.

Fakt ist, in Wien hat die Wahl-Allianz Wien Anders 5 Bezirksratsmandate und 12.449 Stimmen auf Bezirksebene erreicht. In Oberösterreich fanden 2 Wochen vorher in diesem Herbst Landtags- und Gemeinderatswahlen statt, mit einem sehr erfreulichen Ergebnis für die KPÖ - der Verteidigung des Gemeinderatsmandats in Linz und dem Zugewinn von 814 Stimmen. Gratulation auch auf diesem Wege an die GenossInnen und Gerlinde Grünn.
Die KPÖ hat in den letzten Jahren auf verschiedenen Ebenen Bündnisse und Allianzen sowie die Zusammenarbeit mit Unorganisierten angestrebt, ohne sich zu verstecken oder gar aufzugeben. Wir werden weiterhin die Herausforderung annnehmen, uns selbstbewusst als KPÖ und offen für mögliche Allianzen je nach konkreter Situation zu engagieren.


Bezirksergebnisse werfen interessante Fragen auf

Zwar sind die Ergebnisse auf Ebene der Bezirksvertretungen teilweise deutlich besser (erreichte Andas in der Leopoldstadt auf Gemeindeebene 684 Stimmen, so sind es auf Bezirksebene 1254 Stimmen, in Margareten gab es 376 Stimmen für den Gemeinderat, aber 652 auf Bezirksebene), doch die Frage ist, ob auf Ebene der Bezirke trotz der insgesamt ungünstigen Situation nicht mehr möglich gewesen wäre.
Doch auch hier gibt es Zahlen, die die Erklärungsmuster nicht einfacher machen - z.B. die Donaustadt. Auf Gemeinde-Ebene 776 Stimmen (=0.84 %), auf Bezirksebene "nur" 942 Stimmen (=1,0 Prozent). Und dies obwohl in der Donaustadt von der KPÖ seit einem Jahrzehnt eine engagierte Kommunalpolitik gemacht wird, die auch engagiert und gut kommuniziert wird (u.a. durch die mehrmals pro Jahr erscheinende Kaktus-Zeitung) und es auch politischen Kontakt mit wichtigen Bürger*Innen-Initiativen gibt.

Zugleich ist festzuhalten: Das schon seit den Nationalratswahlen immer wieder aufgeworfene Thema der politischen Intervention in den „großen Flächenbezirken“ (10, 11, 21 und 22.), in denen es speziell auch besonders hohe FPÖ Ergebnisse gibt, bleibt weiter ungelöst. In Simmering stellt nach den Wahlen die FPÖ erstmals den Bezirksvorsteher. In den anderen 3 Bezirken ist die SPÖ nur äußerst knapp Erster geblieben. Schon jetzt darf davon ausgegangen werden, dass neben dem „Kampf um den Bürgermeister“ bei den kommenden Bezirksratswahlen in diesen Bezirken auch der „Kampf um den Bezirksvorsteher" im Mittelpunkt der Wahlwerbung der SPÖ stehen wird. Neben der gut überlegten und kontinuierlichen Auseinandersetzung sowohl mit der FPÖ wie auch mit der SPÖ und Ihrer Verantwortung für die FPÖ-Erfolge wird es auch intensivere Überlegungen zu diesen Fragen geben müssen.

Knappe Entscheidungen

Tatsache ist, dass nur geringfügig bessere Ergebnisse auf Bezirksebene deutlich mehr Mandate gebracht hätten. Im Detail: In Meidling haben wir ein Bezirksratsmandat um 11 Stimmen verfehlt. In der Josefstadt fehlen 20 Stimmen auf ein Mandat, im Alsergrund 14 Stimmen. Und auch in Mariahilf fehlen nur 39 Stimmen.
Hätten wir 9 Bezirksratsmandate als Erfolg bilanzieren können/wollen? Haben wir 9 mögliche Bezirksratsmandate bei der Konstituierung von Wien Anders am 21. März schon als Erfolg betrachtet oder hatten wir damals noch höhere Erwartungen?

Schluss-Resümee

Mit dem Wahlergebnis wird Wien nicht transparenter, demokratischer, sozialer, ... D.h. also: Wer ein Wien will,
- in dem es leistbare Mieten gibt
- in dem Frauen gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit bekommen
- in dem der öffentliche Raum nicht privatisiert wird
- in dem Nulltarif auf Öffis Realität ist
- in dem gleiche politische und soziale Rechte für alle Menschen, die hier leben, Realität sind,

der/die muss sich auch weiterhin einmischen. Und wer solch ein anderes Wien will, der muss auch bei Wahlen darum kämpfen, dass nicht der Status Quo fortgeschrieben wird, sondern dass in allen Bezirksvertretungen und im Gemeinderat eine Opposition links von SPÖ und Grünen Realität wird - denn nur werden den schönen Reden einer blass-roten/zart-grünen Stadtregierung auch reale Taten folgen.

Positiv ist auf jeden Fall, dass die Zusammenarbeit in Wien Anders produktiv und lösungsorientiert war, viele Menschen sich in die Wahlkampagne eingereiht haben und viele Aktivitäten gesetzt wurden. In den einzelnen Bezirken ist die Situation zwar unterschiedlich, aber unbestreitbar ist, dass der AktivistInnenkreis weit über die KPÖ hinaus ging. Auch daher wollen wir als KPÖ am Projekt Wien Anders weiter aktiv mitarbeiten.

Die Erklärung wurde (mit 3 Enthaltungen) einhellig angenommen.

Ps.: Auf Wunsch von Gen. Zach wurde in der Stadtleitung auch die Frage behandelt, ob Landessprecher Zach angesichts des Wahlresultats seine Arbeit fortsetzen soll. In geheimer Abstimmung sprachen 15 GenossInnen Zach Ihr Vertrauen aus, es gab 1 Gegenstimme.


Hinweis: Einladung zur AktivistInnenberatung der KPÖ Wien

Thema: Die Wiener Wahlen

Was ist gut und was ist nicht gut gelaufen im Wahlkampf? Wie kam es zu den Ergebnissen? Was sind unsere politischen Schlußfolgerungen? Wie weiter in/mit Wien Anders?

Freitag, 13. November, Beginn: 18 Uhr
Ort: Haus der KPÖ, Drechslergasse 42