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“Oida!” is ur-out, Oida!

  • Friday, 10. September 2021 @ 09:56
“Oida” sagt man nicht! Nein, es geht nicht um die Polizistengeschichte. Sondern darum: “Oida!” kann man mittlerweile beinahe als “verbrannt” ansehen. Wenn man sich anschaut, wie die Republik und vor allem die Stadt versuchen, sich amikal unter Verwendung von Dialekt an die Bevölkerung anzubiedern, kommt einem das Kotzen. Da darf man sich zuerst in den Corona-Kampagnen vom Staat duzen lassen und dann so Sachen lesen wie: “Hau di üba’d Häuser, Corona!” Beim Presse- und Informationsdienst heißt das dann als Erklärung: “Respektvoll und zugleich mit einer angemessenen Portion Augenzwinkern möchten wir die Wiener damit ermutigen, sich mit der Impfung den nun langsam wiederkehrenden Alltag nicht mehr nehmen zu lassen.”

Ahja. “Oida!” hats ihnen da aber besonders angetan. Das soll ein Akronym sein für “Obstand hoidn - Imma d’Händ’ woschn - Daham bleiben - A Maskn aufsetzn!” Aber derlei geht auch ohne Umdeuten und auch ohne Corona. Jüngst postete die Gemeinde Wien ein Sujet, daß man sich doch gesund ernähren solle und mehr Gemüse essen — und dazu völlig ohne Zusammenhang: “#OIDA!”

Was soll das? Oder besser: “Herts, gehts no?” Auch die Fremdenverkehrswerbung bemüht sich schon seit längerem darum, das Wienerische irgendwie dazu nutzen zu wollen, die Stadt wieder vor allem für deutsche Touristen attraktiv zu machen. Wenn jetzt tatsächlich jemand zum Würstelstand geht und meint: “A Eitrige mit an Bugel und an Gschissenen und a Krokodü”, kann man nur mehr wie einst Reinhard Mey singen: “Guckmal, ach ne, sieh mal da, Mann aus Alemania!” Weil ein echter Wiener würde das wohl früher so kaum gesagt haben — und heute sicher gar nimmer, seit das eben in Fremdenführern steht.

Auch “16er-Blech” wird kaum mehr verwendet — seit es die Ottakringer Brauerei selbst verbreitet. Und das noch dazu falsch, resultierend aus völliger Unfähigkeit, zu verstehen, wie Dialekt-Scherzkonstruktionen funktionieren: Ein “Blech” ist selbstverständlich keine einzelne Dose — wo bliebe da der Witz? — sondern eine Palette Dosen, analog zum Backblech.

Das Wienerische ist sowieso am Verschwinden — jetzt wird es wieder hervorgeholt von medial wirkmächtigen Institutionen wie dem Staat oder Konzernen, zum Teil zum Einschleimen, zum Teil um der Stadtkultur eine gewisse Exotik zu verleihen, die eben für deutschsprechende Nichtwiener attraktiv ist oder zumindest erscheinen soll.

Viel ist jetzt von “cultural appropriation”, also “kultureller Aneignung” die Rede und meistens ist das ein aufgesetzter Topfen, weil es da um so brennende Fragen geht wie etwa, ob denn eine “Pizza Hawaii” politisch korrekt sei oder ob weisse Männer Dreadlocks tragen dürfen. Wenn es aber darum geht, gewachsene Kultur ökonomisch und politisch zu verwerten oder damit sich einzuweimpern beim “einfachen Volk”, regt sich niemand auf. Das liegt vielleicht auch daran, daß unter den Bobos, die immer so politisch korrekt sind, halt auch eine Menge “kreativer” Werbefuzzis sind, die diese tatsächliche Ausbeutung und durch Pervertierung auch Zerstörung von Kultur — die nur noch von der an sich sowieso verachteten Unterschicht gepflegt wird — mit Wonne betreiben und dann eben von “einer angemessenen Portion Augenzwinkern” faseln.

Wie komme ich dazu, daß ich jedesmal, wenn ich mir denke “Oida!”, und das ist oft, vorkomme wie ein Abziehbild oder wie ein Afrikaner im Bambusröckchen?

Der Staat und das Kapital sind nicht meine Freunde und schon gar nicht meine Haberer! Wenn diese Pappenheimer “respektvoll” mit mir umgehen wollen, dann sollen sie sich der Hochsprache bedienen und mich mit “Sie” ansprechen.

Aber wißts wos? LmaA!


Če, Oberkochmezer der Wiener Zeitschrift "akin" sowie Co-Tratscher der Salzburger Radiofabriksreihe "Schallmooser Gespräche"