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Statt Wiener "Häuser zum Leben" - Häuser zum Pflegen

  • Sunday, 6. May 2012 @ 14:08
Soziales Die "Häuser zum Leben", die Wiener PensionistInnenheime, waren und sind eine der wichtigen Einrichtungen der Gemeinde Wien für ältere und alte Menschen, die nicht mehr in der eigenen Wohnung leben und den Haushalt führen wollten oder konnten.

Jeder Wiener Staatsbürger oder jede Staatsbürgerin konnten sich ab dem 60.Lebensjahr bei "Häuser zum Leben" anmelden und später, zu dem Zeitpunkt der notwendig erschien, um den Einzug ins Heim ansuchen. Nach einer bestimmten Wartezeit, die bis zu 7 oder 8 Jahren dauern konnte, wobei auch die langjährige Anmeldung berücksichtigt wurde, konnte man einziehen. Dort stand für Ehepaare ein Zweizimmer- für Alleinstehende ein Einzimmerappartement zu Verfügung.

Die Pension wurde und wird für die Miete bzw. Verpflegung bis auf 20%, die als Taschengeld bleiben müssen, einbehalten. Pensionen, die für die Miete nicht reichten, waren kein Hindernis einen Platz im PensionistInnenheim zu beanspruchen. Die Gemeinde Wien, bzw. der "Fond soziales Wien" zahlte in diesem Fall den Differenzbetrag dazu. Es gibt auch (bisher) keinen Regreß für Angehörige.

Seit 1. Jänner dieses Jahres ist fast alles anders

Plötzlich werden die InteressentInnen, die ins Heim einziehen wollen, gefragt ob sie PflegegeldbezieherInnen sind, in einer Substandardwohnung mit Klo am Gang oder in einer Wohnung im 2.Stock oder höher ohne Aufzug wohnen. Trifft keines dieser Merkmale zu wird man freundlich aber bestimmt abgewiesen, unabhängig davon wie lange Zeit zurück die Anmeldung schon erfolgt ist.

Dieser neue Kriterienkatalog hat gravierende Auswirkungen für alle älteren Menschen in Wien, die dem Slogan "Häuser zum Leben" gefolgt sind. Denn plötzlich kann man nicht mehr "zum Leben" ins PensionistInnenheim einziehen, sondern nur und erst dann, wenn man/frau bereits ein Pflegefall ist. Allerdings mit einer Ausnahme: Wenn die Pension (nach Abzug der 20% Taschengeld) für die volle Bezahlung des Tarifs (für Miete und Verpflegung) reicht, also Mann/Frau "Vollzahler" ist.

Dieser Tarif beträgt derzeit 1448,40.- Euro pro Person monatlich. Die durchschnittliche ASVG-Pension beträgt aktuell 1059.- Euro, die durchnittliche Pension einer Arbeiterin 605.-Euro, einer Angestellten 1106.-Euro (jeweils brutto), der Ausgleichszulagenrichtsatz 814,82 Euro pro Person und 1221,68 Euro für Ehepaare.

Mit anderen Worten, durchnittliche PensionsbezierInnen und insbesondere alleinstehende Frauen haben keine Chance mehr in ein PensionistInnenheim zu kommen, wenn sie nicht unter die neuen Kriterien fallen. Oder anders formuliert: wer es sich leisten kann, hat weiter die Möglichkeit in eines der "Häuser zum Leben" einzuziehen, wer es sich nicht leisten kann, muß warten bis er oder sie ein Pflegefall geworden ist. Insofern verwandeln sich die PensionistInnenhäuser von "Häuser zum Leben" in "Häuser zum Pflegen".

Geldbeschaffungsaktion

Nun könnte man einwenden, die Gemeinde Wien sorgt rechtzeitig dafür, daß mehr Platz für Pflegebedürftige in den PensionistInnenheimen geschaffen wird, da müssen andere, (eben die, deren Pension für die Miete nicht ausreicht) hintanstehen. Schon das ist ein Skandal.

Es geht aber nicht um Vorsorge für eine Zukunft, in der es mehr Pflegefälle geben wird. Denn dann müßte ja der Kriterienkatalog für alle gelten und nicht nur für die PensionistInnen, die sich die Miete nicht leisten können.

Dazu kommt, daß das letzte Belastungspaket der Regierung den Zugang zum Pflegegeld (Stufe 1 und 2) erschwert hat.

Die Wahrheit ist: Es handelt sich bei der "Reform" um eine Geldbeschaffungsaktion des Fond soziales Wien, mit skandalösen sozialen Auswirkungen.

Was steckt also dahinter?

Es geht schlicht und einfach darum, daß der "Fond soziales Wien" sich ab sofort einen beträchtlichen Teil der Zuzahlungen zur Miete in den PensionistInnenheimen ersparen will. Bei "VollzahlerInnen" hat er schon bisher nichts beigetragen. Das ist aber eine kleine Minderheit. Bei den übrigen d.h. bei der Mehrheit der künftigen Insassen, will er nun automatisch auf das Pflegegeld zugreifen und damit die Kosten verringern. Dafür spricht auch, daß Anmeldungen nun nicht mehr bei der Direktion der PensionistInnenheime in der Seegasse, sondern über den "Fond soziales Wien" erfolgen müssen.

" ...vielleicht hilft´s"

Diese Geldbeschaffungsaktion fällt nicht unter das derzeit laufende Belastungspaket, zu dem sich Wien verpflichtet hat, eine Milliarde Euro beizusteuern. Da wartet noch anderes auf uns. Es ist eine von langer und unter der Hand vorbereitete Überrumpellungsaktion, scheinbar auch am Gemeinderat vorbei, zu der es bisher keine öffentliche Debatte und daher auch noch keine Proteste gegeben hat.

In einigen Häusern laufen seit einiger Zeit Umbauten, die insbesondere auch alle Appartements betreffen, die nun behindertengerecht umgebaut werden. Viele Bewohner mußten aus ihrer gewohnten Umgebung ausziehen und einige verlieren auch ihre kleinen Balkone. Es gab dazu bisher keine befriedigende Auskunft warum das so sein soll. Jetzt ist klar warum.

Und was ist mit den vielen Tausenden, die sich bereits vor Jahren angemeldet haben, kein Pflegegeld beziehen, auch nicht auf Substandard wohnen und jetzt ins PensionistInnenheim wollen? "Schreiben's halt beim Anmeldeformular des 'Fond soziales Wien' drauf, wie lang sie schon angemeldet sind, vielleicht hilft´s", war die Auskunft von "Häuser zum Leben" und "Fond soziales Wien" auf der Wiener SeniorInnenmesse. Eine solche Rubrik gibt es aber dort gar nicht....

Michael Graber