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Über BürgerInnen, Bürgerrechte und Bürger in Uniform

  • Friday, 23. March 2012 @ 13:33
Österreich Die im letzten Falter veröffentlichten Beispiele aus der österreichischen Beamtenrealität schockieren. Und illustrieren gleichzeitig beispielhaft jene Mechanismen, die dazu führen, dass sich derartige Auswüchse erst bilden können.

So berichtet der Falter, dass jene vier rechtskräftig verurteilten Polizisten, die im Jahr 2006 den Afrikaner Bakary J. in einer Lagerhalle solange prügelten bis dessen Schädelknochen brach, dank rechtswidriger Urteile der Disziplinaroberkomission noch immer im Dienst sind.

Die Folter (Treten, Prügeln, Scheinhinrichtung durch Anfahren mit einem Polizeiauto), so urteilte die Disziplinaroberkommission des Bundeskanzleramts laut Falter in einem ersten Spruch, sei "nämlich als `allgemein begreifliche, heftige Gemütsbewegung´ und daher `mildernd´ zu interpretieren. Eine Entlassung sei `nicht gerechtfertigt´."

Der VwGH hob dieses Urteil zwar als rechtswidrig auf. Doch die Disziplinarkommission erließ im zweiten Anlauf wieder ein Urteil zum Vorteil der prügelnden Polizisten. Zwei der vier Folterpolizisten wurden in die Beamtenfrühpension geschickt, 2 weitere Folterpolizisten arbeiten noch immer bei der Polizei.

Ähnlich seltsam das Agieren im Fall zweier pädophiler Polizisten. Die Beamten wurden zwar wegen des Besitzes tausender Kinderpornos zu mehrmonatigen Haft verurteilt, doch das Disziplinargericht schickte sie zurück aufs Wachzimmer, denn der Besitz von Kinderpornos sei nur ein „minderschweres Vergehen“.

Es herrscht dringendster Handlungsbedarf

Wenn Kadavergehorsam und Korpsgeist in unserer Exekutive dazu führen, dass es zwei verschiedene gesetzliche Realitäten gibt, nämlich eine, die für BürgerInnen gilt und eine, die für BürgerInnen in Uniform gilt, rüttelt das an den Grundfesten der Gesellschaft.

Wenn sich die BeamtInnen mittels eines völlig unbrauchbaren Berufungssystems selbst über Urteile, die im Namen des Volkes gefällt wurden, de facto hinwegsetzen können, zeigt das vor allem eines auf: Es herrscht dringendster Handlungsbedarf. Nicht die Möglichkeiten des Staates seine BürgerInnen zu überwachen müssen ausgebaut werden. Es müssen endlich Möglichkeiten für die Gesellschaft geschaffen werden, das Treiben derer zu überwachen, die in ihrem Namen eine Uniform tragen.

Wie soll man Vertrauen in ein Rechtssystem haben, in dem alle gleich, jedoch manche viel gleicher sind?

Schon oft haben wir KommunistInnen gefordert, dass BeamtInnen in Uniform ihre Dienstnummern gut sichtbar tragen. Das mag angesichts der Folterpolizisten und der Pädophilen in Uniform ein sehr kleiner Schritt sein. Aber es wäre ein Schritt in die richtige Richtung und würde dafür sorgen, dass PolizistInnen sich nicht anonym und sicher fühlen können, wenn sie BürgerInnenrechte verletzen.

Nikolaus Lackner

Zum Thema siehe auch Klaus (KPÖ): Urteilsspruch im Fall Bakary J. ist beschämend und bedenklich