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Transnationaler Migrant*innenstreik in Österreich 2012, für gleiche Rechte, gegen Rassismus

  • Thursday, 1. March 2012 @ 11:36
Antirassismus Zum zweiten Mal findet in diesem Jahr der unter dem Motto "für gleiche Rechte, gegen Rassismus" der Transnationale Migrant*innenstreik auch in Österreich statt. Ausgehend von einem massenhaften Streik gegen rassistische Einwanderungsgesetze in den USA im Jahr 2006 haben seitdem Migrant*innen auf der ganzen Welt den 1. März zum transnationalen Streiktag ausgerufen. Streik bedeutet dabei nicht nur Arbeitsniederlegung, sondern das Bestreiken jeder Form des rassistischen Alltags. "Ich sage nicht Entschuldigung! Ich muss mich für nichts entschuldigen, bei allem was mir zusteht! Und für ein gerechtes und menschenwürdiges Leben muss sich niemand nirgendwo bedanken! So wie die Sonne für alle da ist, und nicht nur für die Einen, fordern wir gleiche Rechte für alle!", bringt Zoraida Nieto, Aktivistin der 1. März Initiative, die Idee des Migrant*innenstreiks auf den Punkt. Migrant*innenstreik in Wien, Linz und Innsbruck

In mehreren Städten Österreichs sind vielfältige Aktionen geplant: In Wien gibt es, neben einem Aufruf zum Sprachstreik gegen diskriminierende Sprachenpolitik, über den Tag verteilte Kundgebungen am Handelskai, am Stephansplatz und am Viktor-Adler Markt mit Teach Ins, offenem Mikrofon und Musik zu Themen rund um Recht auf Migration und Forderungen von Flüchtlingen. Darüber hinaus finden eine Betriebsversammlung von Mitarbeiter*innen und Nutzer*innen von Jugendzentren, ein ganztägiges Info- und Kulturprogramm in den Räumen des Migrant*innenvereins "Centro Once" in Simmering, Straßentheater in der Innenstadt, sowie Film- und Partyveranstaltungen statt. In Linz plant die Selbstorganisation von und für Migrantinnen "MAIZ" ein ganztägiges Programm in der Innenstadt mit öffentlichem, von den Teilnehmer*innen selbst organisiertem Unterricht, alternativ zu den ansonsten stattfindenden Deutschkursen. In Innsbruck unterstützt der ÖGB Tirol den Aufruf zum Migrant*innenstreik.

Sprachstreik für Sprachenrechte, gegen Deutschzwang

Mit dem Sprachenstreik, ein Schwerpunkt des diesjährigen Migrant*innenstreiks, soll die Forderung nach Sprachenrechten und die Absage an diskriminierende Sprachpolitik und den Zwang zum Deutsch sprechen artikuliert werden. Die 1. März Initiative wendet sich damit gegen die in Österreich vorherrschende politische Debatte über sogenannte `Integration´. Diese bedeutet in der Praxis, dass mit immer neuen Gesetzen und Verordnungen Migrant*innen, mit der Drohung, das Aufenthaltsrecht zu verlieren, dazu gezwungen werden sollen, immer schneller ein vorgegebenes Niveau der deutschen Sprache vorzuweisen. Sowohl in Betrieben, wie den Bäckereiketten "Anker" und "Ströck", als auch in zahlreichen Schulen und Kindergärten, wird durch Verbote, andere Sprachen als Deutsch zu benutzen, versucht, eine monolinguale Sprachnorm durchzusetzen. Auf der anderen Seite wird denen, die keinen geregelten Aufenthaltsstatus haben, die Teilnahme an geförderten Deutschkursen verwehrt. "Sie machen Druck und sagen: 'Du musst A1, A2, B1, oder oder oder... können.' Sie betreiben mit uns eine Spielerei. Und ich wiederum will mehr Deutsch lernen, aber ich als Asylwerber darf es nicht," so Nebojsa Mladenovic, politischer Flüchtling und 1. März-Aktivist.

Eine Plattform gegen diskriminierendes Asyl- und Fremdenrecht

Ein weiterer Fokus liegt darauf, eine Plattform für Flüchtlingen und Migrant*innen zu schaffen, die ihrer Stimme gegen sozialen Ausschluss, Illegalisierung, Kriminalisierung und Abschiebung, wie sie durch die letzte Novelle des Fremden- und Asylrechts weiter verschärft wurden, öffentlich Gehör verschaffen wollen. "Was meinen sie mit "Integration", wenn sie gegen uns Isolation betreiben" Unser Intellekt, unsere Projekte, die menschliche Entwicklung werden blockiert. Genauso wie dort, wo wir herkommen, werden wir hier schikaniert, hierarchisiert und verachtet. Aber dieses Europa ist nicht nur euer Europa, es ist auch mein Europa", meint Nebojsa Mladenovic, der vor seiner Flucht in Montenegro Projekte für die Rechte der Roma geleitet hat. Für die 1. März-Initiative ist es besonders wichtig, dass nicht, wie sonst oft, über die Leute geredet wird, denen in Österreich Rechte verweigert werden, ohne dass diese selbst zu Wort kommen. "Wir selbst sind Sprecher*innen und Akteur*innen unserer eigenen Erfahrungen und wir haben selbst die Antwort auf die eigene Lage im Ausschluss" betont Zoraida Nieto.

Für Fragen und Interviewwünsche stehen wir unter obenstehendem Kontakt gerne bereit

Initiative 1. März

http://1maerz-streik.net

Kontakt: tel.: 069910168028 (Hans-Georg Eberl)

e-mail: 1.maerz.presse@gmail.com

---------------------- Hintergrundinformationen:

Diskiminierende Praktiken gegen Asylwerber*innen in Österreich ? eine unvollständige Auswahl:

Neu ankommende Asylwerber*innen werden wochenlang in Erstaufnahmelager in Traiskirchen oder im Abschiebezentrum Zinnergasse/Simmering isoliert und von Unterstützung abgeschnitten.

Auf der Grundlage der "Dublin II"-Konvention werden oftmals Flüchtlinge ohne Zugang zum Asylverfahren nach Ungarn, Slowakei oder Italien abgeschoben. Dies betrifft aktuell u.a. zahlreiche Flüchtlinge aus Somalia.

Der Wiener Flughafen ist Drehscheibe für FRONTEX-Massenabschiebungen u.a. nach Nigeria, Georgien, Russland und Ex-Jugoslawien.

Denjenigen, die es ins Asylverfahren schaffen, wird zugemutet, über lange Jahre von minimaler "Grundversorgung", abgeschnitten von Erwerbsarbeit, in Sammelunterkünften, willkürlich über ganz Österreich verteilt, zu leben. Das betrifft sogar schwer kranke Personen, wie Dialyse-Patient*innen.

Häufig werden abgelehnte Asylwerber*innen mit rechtswidrigen Verwaltungsstrafen für sogenannten "Illegalen Aufenthalt" schikaniert, die bloße Existenz einer Person in Österreich wird kriminalisiert.

Zum transnationalen Migrant*innenstreik am 1. März:

Der transnationale Migrant*innenstreik am 1. März geht auf die Proteste im Jahr 2006 in den USA zurück. Auslöser war damals "The Border Protection, Anti-terrorism, and Illegal Immigration Control Act of 2005", bekannt auch als H.R. 4437. Das Gesetz denunzierte u.a. die damals rund 12 Mio. undokumentierten Migrant_innen wie auch ihre Helfer_innen als verbrecherische Personen. In den folgenden Jahren schlossen sich weltweit Migrant_innen und Unterstützer_innen mit den gleichen Anliegen gegen Ausbeutung und Kriminalisierung den Protesten am 1. März an. In Frankreich, Griechenland, Italien und Spanien finden seitdem zahlreiche Aktionen an diesem Tag statt. Bei den Aktionen zum 1. März geht es um die Sichtbarkeit einer heterogenen sozialen Gruppe, die sich transnational verständigt und solidarisiert. Damit sind nicht die Grenzen der Herkunft, sondern der Widerstand gegen politische und gesellschaftliche Machtverhältnisse, die Ungleichheit und Ausschlüsse produzieren, das gemeinsame Projekt.