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Keine Vermutung: Der Nationalrat ist die Heimat der Unschuldigen

  • Wednesday, 14. September 2011 @ 10:30
Österreich Für die BürgerInnen war die gestrige Nationalratsdebatte wenig aufschlussreich. Obwohl es an allen Ecken und Enden nach Korruption, Vetternwirtschaft und Verbrechen stinkt, wähnten sich die Protagonisten der Parlamentsparteien allesamt parfümiert und immun gegen jegliche Anschuldigung. Wenn also die "Volksvertreter" samt und sonders unschuldig sind, sind es im Umkehrschluss wir alle, die massiv Dreck am Stecken haben.

Ein satirischer Kommentar von Samuel Edelstein.

Als hätten wir es nicht schon vorher gewusst: Die 183 bestens bezahlten ÖsterreicherInnen im Parlament sind uns, die sie ja vertreten sollen, um Längen voraus. Nicht nur beim Einkommen. Das Geld ist in den Kreisen der VielfachfunktionärInnen ja sowieso etwas, über das man nur widerwillig öffentlich spricht. Nein, allein durch die Kraft ihrer absoluten Unschuld stehen sie, unser aller VertreterInnen, nicht nur weit über uns, sondern auch über allen Dingen und dem Gesetz. Von Moral spricht heutzutage sowieso niemand mehr. Der Kapitän des Piratenschiffs ist unschuldig!

Ein gutes Beispiel hierfür ist Wolfgang Schüssel. Schon als Regierungschef wurde er mit dem Ehrentitel "Schweigekanzler" bedacht. Heute wissen wir auch, warum er damals schwieg. Denn wer nichts sagt, sagt nichts falsches. Oder zuviel. Er sagte auch die Jahre danach nichts von Bedeutung. Zumindest nicht öffentlich oder gar bei einer Parlamentsdebatte. Ob er im Aufsichtsrat seines Atomkonzerns durch brillante Reden aufgefallen ist oder dort ebenso nur schweigend die Börsenkurse las oder mit seinem Blackberry herumspielte bis alles vorbei war, entzieht sich unserer Kenntnis.

Eben jener Wolfgang Schüssel trat, man mochte es als gelernter Österreicher kaum glauben, den Rückzug an. Aus dem geschützten Bereich des Parlaments verabschiedete er sich von uns, nicht ohne wortreich nichts, aber auch gar nichts zuzugeben oder gewusst zu haben. Er ging von uns, indem er uns alle noch einmal ins Gewissen redete: "Wenn Einzelne in meiner Mannschaft irgendwann irgendwas falsch gemacht haben sollten, bin ich nicht schuld, ich habe von nichts gewusst und bin überdies nicht deren Kindermädchen." Nach dieser Denkweise muss man auch den Kapitän eines Piratenschiffs aufgrund der Tatsache freisprechen, dass er nicht geentert, sondern nur gesteuert und kommandiert hat. Wir werden den Verlust seines langweiligen Anblicks im baufälligen Haus am Ring nur schwer verschmerzen können. Zumal ja die Seilschaften, die ihm die Räuberleiter gemacht haben auch weiterhin dafür sorgen, daß niemand die glorreichen Leistungen der Kabinette Schüssel I und II "anpatzt".

Blaues Blut und Schwarze Kassen

Apropos Blut. Ob es das Wiener Blut war, welches den grössten Zahntechniker aller Zeiten zur Feststellung ritt, die FPÖ sei "Der Inbegriff der Sauberkeit" weiss nicht einmal die im Hintergrund agierende Nebenregierung der ÖVP. Es schien gestern sogar so zu sein, dass das Gelächter aus allen Ecken des Hohen Hauses kam, als St. Rache sich und die Seinen als die Unschulds- und Opferlämmer darstellte. Den Knittelfelder Putsch als Säuberung von der "Verschüsselung" der FPÖ darzustellen war, zumindest dialektisch anerkennenswert - wenn man bei Scientology ist wird man für sowas befördert. Die Menschen draussen in den Niederungen des Kapitalismus glauben ja heute noch mehrheitlich daran, dass die Comicpostwürfe und Plakatkampagnen der FPÖ durch sauber und anständig verdientes Geld des Kleinen Mannes ermöglicht werden. Millionenspenden aus der Wirtschaft gibt es wenn, dann nur supersauber und transparent: Also weissgewaschenes Schwarzgeld in durchsichtigen Sackerln.

Ob sich Graf Ali und seine ebenfalls ganz zufällig vor kurzem abgedankte Gattin Halstuch durch die Tatsache beleidigt fühlen, dass man im Volksmund von blauem und nicht von schwarzem Blut spricht, scheint nur innerhalb der Jagdgesellschaften besprochen zu werden. Und hier ist dezitiert nicht die linkslinke Jagdgesellschaft gemeint, vor der sich der aufs Altenteil zurückgezogene Puppenspieler Khol so fürchtet.

Mizzi und ihr Beissreflex

Unsere allerliebste Finanzministerin, die nicht vergass zu erwähnen, daß sie aus dem "Mittelstand" stamme, und daher wisse, wie schwer es sei, alle glücklich zu machen, las uns allen die Leviten. Und ich spreche nicht vom Buch Leviticus. Was fällt euch überhaupt ein, wegen dieser Unternehensaffäre Telekom die Ära Schüssel in den Dreck zu ziehen? Dazu fällt einem ein, daß jemand, der tief in der sprichwörtlichen Scheisse sitzt, froh sein sollte, wenn er in den Dreck hinübergezogen wird. Dreck am Stecken gehört bei den Multifunktionären ja zum Geschäft. Denn sonst nimmt einem ja keiner mehr die weisse Weste ab, sondern nimmt einem womöglich noch das letzte Hemd.

Die Dankbarkeit der BürgerInnen für die aufopfernde Verteidigung des schwarz-blau-goldenen Zeitalters ist unserer Schotter-Mizzi ebenso sicher, wie die Ekstase der Massen ob der diversen Grätschen des Klubobmanns Kopf oder das weinerliche Nichtssagen Spindeleggers. Nur völlig Heilandsgläubige übersehen die sich anbahnende Revolution in der ÖVP: Die Mizzi wird´s schon richten. Zur Not wird sie auch vom vierten Platz aus Kanzlerin. Schliesslich haben die Schwarzen diesbezüglich ja einen Ruf zu verteidigen. Und man könnte sich in Zukunft auch die eine oder andere Frauenstimme sichern, wenn man eine gestandene Feministin wie Fekter ans Ruder lässt, nachdem alle Ratten das sinkende Schiff verlassen mussten, um zum Kadi zu schreiten.

Die SPÖ wiederum viel gestern vor allem durch die innerhalb der Arbeiter-Aristokratie weit verbreitete Schweigsamkeit auf. Man redete, sagte aber nichts. Man forderte, beschloss aber nichts mit. Mag sein, dass bei den im Klub vertretenen "Genossen" die Angst überwog, den Teppich wegzuziehen, unter dem sich noch der eine oder andere blassrote Skandal verbirgt.

Und wenn ein neoliberaler Sprücheklopfer wie Josef Bucher für das BZÖ in Anspruch nimmt, es sei "frei von faulen Früchten" hat er wohl nur nach oben gesehen - hinauf zur Sonne, die in Kärnten sturzbetrunken vom Himmel fiel. Denn ein Blick in die Runde der orangen Mandatare hätte ihn eines Besseren belehrt. Um mit Jörg Haider zu sprechen: Wie kann einer nur Bucher heissen, wenn er keine Bücher liest. Zumindest keine, die über die eigene "Bewegung" geschrieben wurden.

Alles in Allem erhielten wir, die WählerInnen, gestern eine Lektion in "SSKME". Selber schuld, kein Mitleid erforderlich. Wer diese Gestalten wählt, muss mit dem Schlimmsten rechnen und auf das beste hoffen.

Aber was soll´s: Beim derzeitigen amerikanischen Einheitsbrei aus Serien und Konservendosenlachen ist ein wenig Realsatire im ORF zumindest kurzfristig erfrischend, bis man wieder zurück muss ins Hamsterrad der Lohnarbeit.

Und wieder wundere ich mich ein wenig darüber, dass für viele der Gedanke einer kommunistischen Fraktion im Nationalrat undenkbar erscheint. Wäre es doch ein Fortschritt, in diesem Haus auch wieder einmal die Stimmen der unbestechlichen ArbeiterInnen zu vernehmen.