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Protestbrief von Fritz Propst zum Ehrengrab für Dollfuß in Hietzing

  • Saturday, 2. April 2011 @ 11:48
Antifaschismus Werter Herr Bezirksvorsteher, werte Damen und Herren der Bezirksvertretung Hietzing


Mit großem Erstaunen und ebensolcher Empörung habe ich kürzlich erfahren, dass es am Hietzinger Friedhof ein Ehrengrab für Dr. Engelbert Dollfuß gibt.
Ein Ehrengrab wird in der Regel vom Staat oder der Gemeinde für Menschen vergeben, die entweder eine hervorragende Leistung auf dem Gebiet der Kunst, Wissenschaft oder im Sport erbracht haben.

Dr. Dollfuß hat im Jahr 1933, als in Deutschland Hitler zur Macht kam, begonnen auch in Österreich eine faschistische Herrschaft zu errichten.
Es begann mit der Einschränkung der Pressefreiheit mittels der Einführung der Vorzensur, mit Versammlungsverboten und dem Verbot des 1. Mai in Wien, obwohl sich an diesem Aufmarsch bis zu 400.000 Menschen beteiligten, und der Auflösung des Parlaments. Zahlreiche Hausdurchsuchungen (in Parteilokalen der SPÖ) und Verhaftungen wurden vorgenommen. Ferner wurden der Republikanische Schutzbund und die KPÖ verboten.
Bundeskanzler Dollfuß ernannte Major Fey, den Führer der faschistischen Heimwehr, zu seinem Vizekanzler und die Heimwehr zur Hilfspolizei. Dies alles war eine klare Vorbereitung für die faschistische Machtergreifung.
Am 11. Februar 1934 erklärte Vizekanzler Major Fey bei einer Kundgebung in Korneuburg: "Morgen räumen wir mit dem roten Gesindel auf". Dies war auch Anlass, dass der Schutzbund am 12. Februar in den Parteiheimen der SPÖ und den Gemeindebauten einen Bereitschaftsdienst organisierte. In der Folge kam es dann - beginnend mit Linz - zu Schießereien und zuletzt setzte Dollfuß das Bundesheer ein, und ließ auf zahlreiche Gemeindewohnhäuser, in denen sich Frauen und Kinder befanden, mit Kanonen schießen.

Anschließend ließ er 9 Männer, die die Demokratie verteidigten, hinrichten - wobei die grausamste Hinrichtung an Karl Münichreiter erfolgte, der schwer verwundet auf der Tragbahre zum Galgen geschleppt wurde. Ein Gnadengesuch seiner Gattin, die dann als alleinstehende Mutter von 3 Kindern im Alter zwischen 2 - 10 Jahren unversorgt zurückblieb, wurde abgelehnt. Dies sind die "hervorragenden Leistungen" dieses angeblich christlich-sozialen Bundeskanzlers.

Es ist für mich und ich denke für alle österreichischen AntifaschistInnen unverständlich, dass in der Zweiten Republik, die Ergebnis der Niederwerfung des deutschen Faschismus und der Befreiung Österreichs ist, das Bundeskanzleramt und die Wiener Stadtverwaltung, wo die SPÖ bis vor kurzem die absolute Mehrheit hatte, diesem Mann noch immer ein Ehrengrab widmet.

Wir Hietzinger Kommunisten und Kommunistinnen, alle noch lebenden Freiheitskämpfer und alle AntifaschistInnen fordern jedenfalls die sofortige Aberkennung dieser Ehre für Dollfuß und die Aufhebung des Ehrengrabes.

Wir ersuchen und erwarten von der Bezirksvertretung, dass Sie diese unsere Forderung unterstützt.

Es kann nicht sein, dass jener Mann, der in Österreich den Faschismus errichtet und Blutschuld auf sich geladen hat, ein Ehrengrab bekommt, während seine Opfer noch immer nicht rehabilitiert sind.


Freundschaft und Freiheit
Fritz Propst
Obmann der KPÖ-Hietzing