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Beim Lesen der Zeitung

  • Thursday, 31. March 2011 @ 09:45
Österreich Mit Kopfschütteln und Unglauben beugt man sich dieser Tage über die Nachrichten aus dem Land am Strome. Die Meldungen zeichnen ein Sittenbild von den Verteilungskämpfen an den Futtertrögen der Macht. Während die schwarze Reichshälfte dabei ist zu implodieren, flüchtet unser Grinsekanzler nach Europa um dort halbherzige Initiativen zum Atomausstieg zu setzen. Die deutschnationalen Schreihälse sind verdächtig leise geblieben, ob all der Affären. Zum einen, weil diese ihnen bei der nächsten Wahl nutzen werden, zum Zweiten weil man nicht zu sehr auf die eigenen Skandale aufmerksam machen möchte. "Justizia wird schon ganz schwarz vor Augen"

Während früher wenigstens noch nach aussen hin der Anschein von der Unabhängigkeit der Justiz gewahrt wurde, bemüht sich Bandion-Ortner erst gar nicht mehr darum, ihre Beamten zu Ergebnissen kommen zu lassen. Dem über Jahrzehnte gehegten und gepflegten Motto "Wenn man nicht mehr weiter weiss, bildet man einen Arbeitskreis" wird neuerdings ein ähnlich richtungsweisender Slogan in der Justiz nachgeschoben: "Wir ermitteln unter Hochdruck."

Dass Überdruck in einem Gefäss zu unvorhersehbaren Problemen führen kann, wissen wir nicht erst seit Fukushima. In diesem Fall scheint vor allem exzessive Dampfplauderei für den Druckanstieg gesorgt haben. Das "Ermitteln" wird zum Selbstzweck, hat nur noch die Aufgabe den Beschuldigten einen schmerzlosen und profitablen Abgang zu ermöglichen, ausgenommen sind natürlich Tierschützer oder Kunststudenten.

Da haben wir zum Beispiel den Eurofighter - Komplex. Der grösste Beschaffungsvorgang der zweiten Republik - und damit verbunden ein Rattenschwanz an Verfahren gegen blaue und schwarze Lobbyisten und Politiker. Die Abgründe, die sich hier auftaten sind mit Filz nur unzureichend beschreibbar, es handelt sich schon um imprägnierten Loden, so undurchdringlich scheinen die Netzwerke der Mächtigen. Und dann die Meldung : "Kein Prozess gegen Wolf, Steininger und die Rumpolds". Die jahrelangen unter Hochdruck geführten Ermittlungen haben den Schmierenden wie den Geschmierten wieder einmal eine weisse Weste massgeschneidert. Und damit dem Grafen Kanonenhändler aus dem Burgenland auch weiterhin nix passieren kann, rückt seine Ehefrau wieder ins Parlament mit nach, um dort gut bezahlt auf die Druckanzeige im Ermittlungskochtopf schauen zu können.

Eine Seite weiter, eine neue Tasse kalter, schwarzer Kaffee. Günther Platter erklärt: "Die ÖVP ist eine saubere Partei." Da hat er aber recht, eine "supersaubere" sogar.

Dass man mit dem Behindertenausweis eines verstorbenen Angehörigen sein Dienstauto recht praktisch in Parlamentsnähe parken kann, störte lange Jahre nur diejenigen Mandatare der ÖVP wirklich, die trotz verzweifelter Suche in der Verwandtschaft niemanden passenden fanden. Aber Schwamm drüber, ein supersauberer Rücktritt und weiter im Text.

Zuerst kommt der schöne, junge talentierte Finanzminister in die Mühlen der unter höchstem Druck ermittelnden Justiz, dann wird der Strasser Ernstl, der alle immer so gut und günstig beraten hat, beim Versuch gefilmt, "zwei Ausländer vom Secret - Service" auffliegen zu lassen. Sogar vor dem Mittel der Hausdurchsuchung schreckt man in seinem Falle nicht zurück, diese erfolgte sogar fast augenblicklich - nämlich erst Tage später. Schliesslich, Sie ahnen es bereits "wird unter Hochdruck ermittelt".

Zum Glück steht mit Hubert Pirker schon ein fähiger Ersatzmandatar bereit, um auch weiterhin in Brüssel ordentlich und supersauber arbeiten zu können. Schliesslich wolle man ja gar keine Parlamentarier die sich nur auf das Mandat konzentrieren, sondern Leute die aus dem Berufsleben kommen, so ein sichtlich gequälter ÖVP Klubchef in der gestrigen ZIB. Im Falle Pirker heisst das: zuerst Europaabgeordneter, dann Lobbyist mit einer Zweigniederlassung in der Brüsseler Privatwohnung von Othmar Karas, nun wieder Mandatar. Das ist wahrlich eine saubere Optik, das muss man der ÖVP lassen.

Dass die EU-Abgeordnete Ranner nun leider ebenfalls zurücktreten musste, obwohl ihre privatwirtschaftlichen Malversationen in Österreich schon lange bekannt waren, kann in der Logik der Christlich - Sozialen nur daran liegen, daß Brüssel ausserhalb des Hoheitsbereichs der unter Hochdruck ermittelnden Justiz liegt. Schliesslich ist ein Privatkonkurs mit 7 Millionen Euro in unserem Land noch lange kein Grund, an der Qualifikation für ein Mandat zu zweifeln. Die Veruntreuungsvorwürfe machen überhaupt nur lächerliche 500.000,- Euro aus und fallen somit gar nicht erst ins Gewicht. Da lächelt sogar der Dollfuß von der Mauer im Parlamentsklub nur milde herab.

Dass sich der Schüssel Wolferl bei der RWE nur der Förderung des Ausbaus erneuerbarer Energien widmet, wird ebenso frech der Öffentlichkeit vorenthalten, wie seine Verdienste um die supersaubersten Regierungsperioden, die dieses Land je geniessen durfte. Dass von den MinisterInnen seiner Kabinette bald schon mehr auf der Anklagebank sitzen als in Aufsichtsräten ist nur ein vorübergehender Zufall. Schliesslich gilt ja die Unschuldsvermutung.

"Blaue Flecken auf brauen Jacken"

Aber nicht nur bei den Schwarzen geht was weiter heutzutage. Auch die Reihen der Blaubraunen werden nicht verschont. Um sein Erlöser - Image nicht vor seiner Wahl zum Bundeskanzler mit Dementis zu besudeln, zieht es der rassistische Zahntechniker mit Wehrsportvergangenheit vor, zu schweigen. Schliesslich hat er bis jetzt auch alles ausgesessen und weggelächelt. Die Bilder mit uniformierten Neonazis - vergessen. Der Nazigruss mit Biertonne am Kopf: umgedeutet zu einer Bierbestellung. Daß man ihm gerichtsfest eine Nähe zum Nationalsozialistischen Gedankengut unterstellen darf, stört ihn heute nicht mehr, seine Anhängerschaft noch weniger. Der selbsternannte Oppositionsführer findet es nicht opportun, sich zu solchen Dingen zu äussern, wie sie in der letzten Zeit in seinem Einflussbereich geschehen. Dabei läuft doch alles supersauber!

Da hätten wir z.B. sieben RFJler, die im Freiheitlichen Freizeitzentrum Tirol einer Rede zur SS lauschten. Obwohl schon einigen vorkam " daß das ein bisserl zach" geweesen ist, was da verkündet wurde, dauerte es noch weitere 5 Monate, bis man sich von den 15 - 31 Jährigen Hoffnungsträgern der Bewegung distanzierte. Nun die Distanz wird wohl nur solange aufrechterhalten werden, wie die Justiz "unter Hochdruck ermittelt". Danach geht bei den Blauen alles meist sang- und klanglos in Normalität über. In Wien kann man es als RFJler sogar wieder bis zum Bezirksrat bringen, nachdem man wegen eines Hakenkreuzes auf dem Oberarm vorübergehend fallengelassen wurde.

Daß den Neonazis nun Ihre "Heimatseite" abhanden gekommen ist, stört wohl nur die eingefleischtesten deutschnationalen Burschenschafter im Parlament. Was haben sie nicht alles versucht, um gut auszukommen mit den Kameraden vom ausserparlamentarischen Widerstand! Man hat sich gegenseitig Emails geschrieben, sich mit Informationen versorgt. Selbst der oft geäusserte Hinweis "Wir haben Informanten bei der Polizei" half nichts - die Seite wurde abgedreht, weil trotz jahrzentelanger Bemühungen offensichtlich immer noch einige Antifaschisten herumlaufen, denen noch nicht das Handwerk gelegt werden konnte. Die personelle Nähe zwischen den Protagonisten der FPÖ, diverser Burschenschaften und dem Klientel der AlpenDonauRecken ist sowieso nicht so einfach abzustellen. Nein, auch so etwas wird nicht kommentiert, wo kämen man denn da hin? Da wartet man lieber darauf, daß die faulen Äpfel von anderen Bäumen fallen, auch wenn sie sich um den eigenen Stamm bereits türmen.

Auch der Vorarlberger FP- Gemeindepolitiker, der zuhause zahlreiche Waffen und NS Devotionalien hortete, muss sich nicht fürchten. Supersauber wurden Parteimitgliedschaft und Mandat zurückgelegt, und nun ermittelt die Justiz unter Hochdruck. Es ist ja nicht der erste blaue Mandatar mit einem Faible für die Geschichte von Mord und Totschlag, also wozu auch nur ein Wort darüber verlieren. Beim nächsten Veteranentreffen am Ulrichsberg kann man sich ja sowieso Ersatz besorgen und trifft zudem auch die Gesinnungsgenossen, die wegen fehlender Bildungsnachweise nicht auf den WKR-Ball dürfen.

Womit wir beim nächsten Erfolg der Seilschaften "unserer Leut´" wären. Es darf auch weiterhin in der Hofburg ungestört Rechtswalzer getanzt werden, denn wie gehabt gelang aufgrund der exzellenten Vernetzung tief in die Exekutive die Niederschlagung aller öffentlichen Proteste. Wie schön, daß endlich auch kreative Ideen umgesetzt werden, wenn sich doch jemand auf die Strasse traut um zu demonstrieren. Da werden Strafverfügungen wegen Verstoßes gegen "das Gebot Einbahnstrassen nur in Fahrtrichtung zu begehen oder zu Befahren" ausgeteilt. 100,- Euro Disziplinierungsgeld für linkslinke Gutmenschen. Schade nur, dass auch bei denen einige dabei sind, die einmal den Führerschein gemacht haben und wissen, dass das Gehen gegen die Einbahn sogar dann ausdrücklich erlaubt ist, wenn man ein Radl oder ein Mofa schiebt. Nun ja, die werden sich`s auch so merken, diese Berufsdemonstranten.

Während ich die Zeitung vor mir schliesse und gedankenverloren Rauchkringerl in die Luft blase, fällt mir direkt ein Stein vom Herzen. Alles halb so schlimm, die Justiz ermittelt unter Hochdruck. Ein wirklicher Skandal wäre doch schliesslich nur gewesen, wenn die Kommunisten wieder im Parlament sitzen würden.

Samuel Edelstein