Willkommen bei KPÖ Wien Tuesday, 28. December 2021 @ 18:48

Rede von Raoul Narodoslavsky bei der Gedenk-Demonstration zum Februar 1934 in der Brigittenau

  • Monday, 14. February 2011 @ 11:39
Antifaschismus Wenn mich heute wer fragt, woher nimmst du dir das Recht, anlässlich des 12. Februar 1934 auf die Strasse zu gehen, du hast doch diese Zeit nicht erlebt, was willst du dann dazu reden? Denen will ich sagen, wer wenn nicht meinesgleichen, hätte denn dann das Recht dazu?

Ja, es war mein Vater, der in Gösting bei Graz mit seinen Genossen / Kameraden im Schutzbund den vorhandenen Anweisungen folgte und die alle dabei jämmerlich verraten wurden.

Ja, ich bin der Sohn eines „Staats-Verbrechers“ und sein Verbrechen war, wie er sagte "ich bin für einen Betriebsrat und Mitbestimmung, für ein Parlament das den Namen verdient eingetreten.. und weil es notwendig war, habe ich die Reste mit der Waffe in der Hand verteidigt..... danach war ich ein Räuber und Hund....verurteilt von ehemals kaiserlichen Knechten..."

Ja, ich bin der Sohn einer Frau, die 1941 mit 18 Jahren einer kommunistischen Gruppe beigetreten ist, Geld für die Rote Hilfe sammelte, widerständig bliebt und sich nach 1955 dafür nicht schämte.

Ja, die Eltern meines Vaters wären heute Gastarbeiter aus Slowenien bzw. Jugoslawien oder Ungarn. Ja, der Vater meiner Mutter hatte keinen wirklichen Ariernachweis und 7 Jahre Angst um seine 2 Kinder und sein Leben.

Ja, die Mutter meiner Mutter wurde im Jänner 1941 von Graz aus dem Krankenhaus als „unlebenswert“ nach Hartheim überstellt und starb binnen einer Woche „infolge Herzstillstand“.

Daher nimmt sich unsereins das Recht, hier zu stehen und zu sagen, hinter allen diesen Dingen steht mehr als das einzelne individuelle Böse, dahinter steht ein System und dieses System heißt Kapitalismus.

Untrennbar ist mit den Ursachen des Februaraufstandes 1934 auch die damalige Weltwirtschaftskrise des Kapitals verbunden. Die Weltwirtschaftskrise der Jahre 1929 bis 1933 brachte unendliches Elend über die Arbeiterschaft. So sank die Produktion auf unter 50 Prozent des Volumens vor der Wirtschaftskrise. So waren Ende 1934 in Österreich rund 770.000, das waren knapp 40 Prozent der unselbständig Erwerbstätigen, arbeitslos oder ausgesteuert. Und von diesen 770tausend waren rund 60 Prozent, also 450tausend ohne jede reguläre Unterstützung.

In dieser Notzeit, die nicht von den Lohnabhängigen verschuldet war, kam es in Europa zu vielen Streikbewegungen und Auseinandersetzungen zwischen Besitzenden und Besitzlosen, Ausbeutern und Ausgebeuteten.

Aus dem Wahlheft der SP im Jahre 1930 (der letzten bürgerl.demokr. Wahl): "Der Kapitalismus steht dieser Krise nahezu hilflos gegenüber...... Zur gleichen Zeit verlangen die Kapitalisten vom Staate, er möge durch große Staatsaufträge Arbeit und Beschäftigung schaffen, aber auch die Steuern herabsetzen, die angeblich Produktion und Export hindern und von der Arbeiterschaft Lohnsenkungen" usw usw

Und sollte wer meinen, das habe sie oder er doch erst unlängst wo als Forderung der Bundeswirtschaftskammer oder des Wirtschaftsbundes oder Ähnlichem gelesen oder gehört... nun, der liegt schon richtig Es sind die gleichen Forderungen bei den gleichen Krisen. Es sollen wir die Zeche zahlen für Dinge, die wir nicht bestellten. Es soll uns ein Berufsheer schützen. Es sollen, wenn nicht anders machbar, wir in irgendwelche Kriege ziehen, für billige Rohstoffe und die Aufmüpfigen durch Arbeit frei werden.

Soweit zu dem Bogen, der vom Februar 1934 zum März 1938, vom Widerstand gegen die Naziherrschaft bis zur Befreiung im Mai 1945 zum Heute führt.

Dieser Kampf der österreichischen Arbeiter am 12. Februar war nicht die Revolution um ein sozialistisches Österreich, es war der Kampf um die Wiederherstellung einer parlamentarischen demokratischen Ordnung, welche die klerikal-faschistoide Regierung Dollfuss abgewürgte um einen „Ständestaat“ zu errichten.

Es ist nicht das Ende der Geschichte.... Wichtig erscheint uns als KPÖ Brigittenau, heute zu dieser Feier, zu diesem Zusammentreffen unserer Meinung Ausdruck zu verleihen, das uns allen gemeinsam nicht weiterhelfen wird in einer neuen Zeit des europäischen Imperialismus, wenn wir uns gegenseitig unsere Unterschiede vorrechnen und uns wechselseitig belehren. Verschiedene rote Fahnen sind hier... oft werden sie in den Liedern der Unterdrückten und der Arbeiterkultur besungen, als Zeichen der Hoffnung und der Einheit. Viele von Euch kennen diese Lieder. Oft ist von Brüdern, seltener von Schwestern der Text.

In meinen umsorgten und behüteten Kindertagen in meiner Partei habe ich noch nicht begriffen, was das alles bedeutet. Später lernte ich und begriff, dass im Schutzbund des Februar 1934 mein Vater wirklich mit einem Gewehr kämpfte, dann ins Exil gehen musste, Verfolgungen ausgesetzt war und was das bedeuten kann. Und noch später begriff ich, dass wir es sind, welche die rote Fahnen der Arbeiter weiterzutragen haben.

Vor 41 Jahren trat ich der KPÖ bei. Vieles hat sich verändert in dieser Zeit.

Eine der Lehren daraus - laßt uns zusammenstehen im Kampf um Freiheit und für eine menschenwürdige Gesellschaft. Heute bei einer Gedenkveranstaltung und morgen überall dort wo es notwendig ist.......