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Ein schwarzer Freitag für die österreichische Demokratie

  • Wednesday, 2. February 2011 @ 09:55
Am 28. Jänner versammelten sich deutschnationale Burschenschafter, freiheitliche Politiker und die Créme de la Créme des internationalen Rechtsextremismus zu ihrem alljährlichen Traditionsball. Dieses weltweit einzigartige Schaulaufen von Holocaust-Leugnern, Antisemiten und Geschichtsfälschern fand zum wiederholten Mal in den prunkvollen Räumen der Hofburg statt.

Bereits Wochen zuvor hatte sich ein Bündnis unter dem Namen NOWKR11 formiert und eine Demonstration am Praterstern angemeldet. Neben vielen anderen Gruppierungen kündigte auch die KPÖ ihre Teilnahme an den Protesten an.

Was dann folgte kann man getrost als „schwarzen Freitag“ für die österreichische Demokratie bezeichnen. Der Masterplan im Vorfeld: Angst schüren - Proteste verbieten - DemonstrantInnen kriminalisieren

Die Wochen vorher angezeigte Demonstration wurde einen (!) Tag vorher durch die Polizei untersagt. Stattdessen wurde den Veranstaltern eine Standkundgebung im Votivpark vorgeschlagen. Und genau diese Demonstration wurde tags darauf ebenfalls untersagt. Rund um die Hofburg wurde ein generelles Platzverbot verhängt.

Gleichzeitig veröffentlichten Medien offensichtlich von der Polizeiführung gestreute Berichte, die vor bürgerkriegsähnlichen Zuständen in den Strassen Wiens warnten. Es wurden diffuse Ängste vor gewaltbereiten Chaoten geschürt die angeblich zu hunderten aus dem Ausland anreisen würden um Autos anzuzünden und die ganze Stadt in Anarchie versinken zu lassen.

Der Hintergrund dieser strategischen Desinformation ist klar: Es wurde damit bezweckt und auch erreicht, die breite Masse der Bevölkerung von friedlichen antifaschistischen Protesten abzuhalten. Überdies wurde erfolgreich suggeriert, alle DemonstrantInnen wären gewaltbereit.

Das unerwünschte Ergebnis: Wiener Schnitzeljagd und abendliches Kesselhüpfen

Diese demokratiepolitisch völlig unangebrachte Eskalationsstrategie der Polizeiführung führte jedoch am Abend des 28.1. keineswegs zum gewünschten Ergebnis. Denn anstatt einer angemeldeten Demonstration kam es in der ganzen Stadt zu vielen dezentralen und spontanen Versammlungen und Protestkundgebungen. Die weit über tausend Polizisten, die aus dem ganzen Bundesgebiet zusammengezogen worden waren lieferten sich ein bislang beispielloses, stundenlanges Katz und Maus - Spiel mit wenigen hundert Bürgern.

Sobald man Kenntnis von einer Versammlung erlangte rasten dutzende Einsatzfahrzeuge mit Sirenengeheul mal hierhin, mal dorthin - und kamen oft zu spät, denn es war niemand mehr dort. Einige innerstädtische Linien wurden vorsorglich gesperrt, andere wurden angehalten und nach vermeintlichen DemonstrantInnen durchsucht. Einer als Clowns maskierten Samba -Gruppe wurden sogar von schwer bewaffneten Einheiten die Trommeln abgenommen. Ob diese furchterregenden Gestalten planten, damit Anschläge zu verüben ist nicht bekannt.

Wiener Polizisten als Ballschutz für Faschisten

Im Laufe des Abends gelang es der offensichtlich überforderten Truppe doch noch, mehrere Polizeikessel zu errichten und auf unbewaffnete BürgerInnen einzuknüppeln, die sich ihr Recht auf Demonstrations- und Versammlungsfreiheit nicht so einfach nehmen lassen wollten. Danach wurde erst nach eindringlichen Aufforderungen von Passanten ein Rettungswagen für den am Boden liegenden Verletzten gerufen. Ein Polizist bekundete sogar, er sei stolz darauf, den Jungen zusammengeschlagen zu haben. Viele Teilnehmer der spontanen Kundgebungen, die mit ihren Handys und Kameras die Übergriffe der Polizei dokumentieren wollten, wurden wegen „aggressiven Filmens“ in Gewahrsam genommen und Ihre Daten wurden aufgenommen. Wie üblich weigerten sich die mit Körperpanzerung und Schutzhelm bis zur völligen Unkenntlichkeit vermummten Staatsdiener ihre jeweilige Dienstnummer zu nennen, um eine Verfolgung der Übergriffe zu verunmöglichen. Am Ende des Tages kam es zu vier Festnahmen und mehreren verletzten DemonstrantInnen. Zahlreiche BürgerInnen erhielten, wie im letzten Jahr auch eine Verwaltungsstrafe für die Ausübung ihrer verfassungsmäßig garantierten Rechte.

Eine zu Bruch gegangene Fensterscheibe in der Mariahilferstrasse erlangte Symbolcharakter: Es handelte sich um eine Filiale von Kleiderbauer, jenes Geschäft das untrennbar mit dem völlig an den Haaren herbeigezogenen Terrorismus- und Mafiaverfahren gegen eine Gruppe von Tierschützern verbunden ist. Dumm nur, daß mittlerweile mehrere Zeugen angeben, die Scheibe sei nicht mutwillig eingeschlagen worden, sondern zu Bruch gegangen, als WEGA Beamte brutal einen Demonstranten dagegen stießen.

Natürlich waren die Freiheitlichen, der politischer Arm der extremen Rechten die ganze Zeit über fest im Sattel ihres hohen Rosses. Der oberste Ballsecurity Guggenbichler (FP) beglückwünschte die Exekutive zu Ihrem „Erfolg“ und wurde nicht müde, in Presseaussendungen die DemonstrantInnen zu diffamieren. Die blauen Polizeigewerkschafter von der AUF schenkten derweil öffentlich heisse Getränke für die eingesetzten BeamtInnen aus. Und in der Hofburg selbst freute sich die blaue Politprominenz um Graf, Strache, Rosenkranz und Gudenus darüber, dass es Ihnen ein weiteres mal gelungen war an diesem historisch bedeutsamen Ort der Bevölkerung auf der Nase herumzutanzen.

Kleine Siege mit grosser Wirkung

Unter Beteiligung der KPÖ gelang es mehrfach für kurze Zeit den Verkehr am Gürtel zu blockieren und lautstark aber durchgehend friedlich auf das Demonstrationsverbot aufmerksam zu machen. In Flugblättern wurde auf den Symbolcharakter des Balls für die Internationale des Extremismus ebenso hingewiesen, wie auf die Kriminalisierung der Proteste.

Während die Kolonnen der Polizeifahrzeuge mit Tatütata zwischen den verschiedenen Versammlungsorten hin und her rasten, schafften es einige tatsächlich, bis zum Burgtor und der Hofburg vorzudringen, und dort ihre Transparente zu entrollen. Besonders ärgerlich für die Rechtsextremisten dürfte gewesen sein, dass ausgerechnet die „sexuell abartigen Untermenschen“ (aus einem Nazi-Blog) vom queerfeministblock ein solches an der Fassade befestigen konnten.

Eine spontane Demonstration vor dem Polizeianhaltezentrum an der Rossauer Lände, wohin verhaftete Demo - Teilnehmer gebracht worden waren löste sich gegen Mitternacht unter großem Jubel auf, als sich die Tore öffneten und man sie freiließ.

Für das nächste Jahr ist natürlich wieder zu erwarten, dass versucht werden wird, den WKR Ball in der Hofburg durchzuführen. Aufgrund der demokratiepolitischen Fehlentscheidungen und der offensichtlich auf Eskalation ausgerichteten Strategie der Exekutive in den letzten Jahren ist jedoch zu erwarten, dass der Protest sowohl an Breite in der Gesellschaft gewinnt, als auch gehöriger Druck auf die politischen Entscheidungsträger entstehen wird, andere Veranstaltungsorte in Erwägung zu ziehen. Die Mobilisierung gegen diese Veranstaltung begann bereits am Tag nach dem letzten Ball. Die KPÖ wird sich selbstverständlich wieder an den zu erwartenden Protesten teilnehmen, obwohl wir hoffen, dies nächstes Jahr unter geordneteren Bedingungen und gemäß unserer Verfassung tun zu können. Wir rufen alle BürgerInnen auf sich diesen Protesten anzuschließen und sich bereits heute Gedanken darüber zu machen, wie kreative friedliche Aktionen diesen bereichern könnten. Nie wieder Nazis in der Hofburg!

Nikolaus Lackner (KPÖ Leopoldstadt)