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CANCUN: Was notwendig wäre und was tatsächlich ins Haus steht

  • Friday, 3. December 2010 @ 16:37
International Notizen von Hermann Dworczak, Aktivist des ASF, der sich zur Zeit in Cancun befindet.


1. Dezember:

Die dramatischen Folgen des Klimawandels, allgemein die oekologischen Gefaehrdungen und ihre Ursachen sind weitgehend bekannt. Notwendig waeren rasche, konkrete Schritte- mit Zeitlimits und ausreichenden finanziellen Mitteln- um eben die Not, in der sich das natuerliche Ambiente der Menschheit befindet, zu wenden.

Realiter passiert aber kaum etwas. Nicht vorrangig aus " Dummheit " oder " Borniertheit"- obwohl auch sie mitspielen- sondern aus " wirtschaftlichen Erwaegungen", wegen beinharter Profitinteressen. Der offizielle Umweltgipfel hier spiegelt diese Problematik voll wider. Mehrere mexikanische Zeitungen - wie "Novedades" oder " Por Esto!" titelten: " Ein anderes gesellschaftliches Entwicklungsmodell ist notwendig" oder " Es draengt!". Es gibt dedaillierte Berichte , wie durch das Ansteigen des Meeresspiegels infolge der Erderwaermung auch die wunderschoenen Karibikkuesten in Cancun und generell auf der Halbinsel Yucatan gefaehrdet sind.

Und was passiert - ausser schillernden Sprechblasen? Nichteinmal die von Greenpeace geforderte Einstellung des Handels mit CO 2-Emmissionszertifikaten, der nichts als blanken oekologischen Zynismus darstellt, steht bei der offiziellen Klimakonferenz zur Disposition. Der indigene Praesident Boliviens Evo Morales wird am 9.Dezember hierherkommen und erneut die hervorragenden Ergebnisse des cumbre de los pueblos zur "Rettung der Mutter Erde" im Fruehjahr dieses Jahres in Cochabamba vorstellen- in der UNO-Vollversammlung kamen sie bereits zur Sprache. Den Vorschlaegen Boliviens und der anderen ALBA-Staaten droht -wie die Dinge liegen- allerdings ein Begraebnis dritter Klasse.

Nicht weil sie " unvernuenftig " oder " weithergeholt " sind. Im Gegenteil: sie entsprechen den realen Erfahrungen- etwa der Indigenen, die um den Raubbau am Boden, an den Waeldern oder des Wassers genau Bescheid wissen- sind diese natuerlichen Ressourcen doch -oft ihre einzige!- Existenzgrundlage.

Die Erfahrungen und die auf ihnen basierenden- wissenschaftlich erhaerteten- Vorschlaege werden deshalb vom COP 16- Verhandlungstisch weggewischt, weil sie nicht " ins Konzept passen". Und dieses Konzept heisst: in den Grundlinien weitermachen wie bisher- abgefedert mit einigen oekologischen Retouschen ( einige unverbindliche Limits fuer den CO 2-Ausstoss, vage Versprechungen fuer " finanzielle Hilfen", verstaerkter Einsatz von " gruener" Technologie,...).

Fuer die "Verdammten dieser Erde"( Frantz Fanon), die die ueberwiegende Mehrzahl der Menschheit ausmacht, heisst dies : Weiterrackern ohne Landreform; Fortsetzung des miserablen Favela-Daseins in den jetzt schon aus allen Naehten platzenden Metropolen; perspektiv- und hoffnungslose Fortsetzung von Hunger und Elend.

Weil im Moon-Palace, dem offiziellen Tagungsort, die Stimmen " von unten" kaum zum Tragen kommen, geschweige denn akzeptiert werden, ist die Zivilgesellschaft und die politische Linke mit einer Vielzahl von Alternativforen praesent: u.a. wird am Freitag den 3. Dezember die Solidaritats-Karawane von " Via Campesina", der weltgroessten Bauern- und LandarbeiterInnen-Organisation eintreffen. Am kommenden Dienstag den 7. Dezember findet eine - internationale- Grossdemonstration statt. Ihre Botschaft ist eindeutig:" System- statt Klimawandel".


2. Dezember:

Waehrend sich die entwickelten Industriestaaten auf der Klimakonferenz im mexikanischen Cancun weitgehend in Allgemeinheiten ergehen und an Nebenfronten Scharmuetzel abhalten, geht Bolivien in die politische Offensive. Boliviens Botschafter bei den Vereinten Nationen Pablo Solon Romero legte im Plenum in einer griffigen Rede dar, welche Schitte unabdingabar sind zur Rettung des Planeten. Die mexikanische Zeitung "Por Esto! " sprach vom ersten "Bruch auf der COP 16".

Die USA haben bislang nur schwache politische Kaliber hergeschickt, worauf auch Brasiliens Praesident Lula aufmerksam machte. Sie "erwarten sich nicht viel" von Cancun- sprich von ihnen wird es keine konkreten Schritte gegen den Klimawandel geben.

Die Vertreter Japans haben gleich wissen lassen, dass sie nicht einmal die ohnedies sehr schwammigen Bestimmungen des Kyoto Protokolls ueber 2012 hinaus verlaengern wollen. Also kein "Kyoto 2".

Die international agierende Organisation "Friends of the Earth" hat die Gruendung eines weltweiten Fonds vorgeschlagen, der insbesonders den in Unterentwicklung gehaltenen Laendern bei ihren oekologischebn Massnahmen finanziell unter die Arme greifen soll. Die EU moechte jedoch nur Kredite vergeben- was die Verschuldung der armen Laender weiter potenzieren wuerde.

Quer zu solchen imperialen Anwandlungen hat Bolivien die politische Offensive egriffen. Boliviens Botschafter bei den Vereinten Nationen Pablo Solon kritisierte hier im Plenum die "Unausgewogenheit der Konferenz", in der "einige entwickelte Industrienationen" ihre Vorstellungen durchzuboxen versuchen und damit verhindern, dass es " tatsaechlich zu Massnahemen gegen den Klimawandel kommt." Notwendig waere, dass die " Indutriestaaten ihre Emissionen um 40, 50 Proezent reduzieren". Tatsaechlich jedoch "haben Laender wie Australien oder Oesterreich ihre Emmissionen um 30 bzw. 10 Proent gesteigert".

Der indigene Praesident Boliviens Evo Morales wird ebenso wie Hugo Chavez aus Venezuela hierherkommen . Beide werden die hervorragenden Ergebnisse des cumbre de los pueblos zur "Rettung der Mutter Erde" im Fruehjahr dieses Jahres in Cochabamba vorstellen- in der UNO-Vollversammlung kamen sie bereits zur Sprache.


Die Zivilgesellschaft und die politische Linke ist hier von Tag zu Tag staerker preasent: morgen Freitag den 3. Dezember wird die Solidaritats-Karawane von " Via Campesina" eintreffen. Am kommenden Dienstag den 7. Dezember findet eine - internationale- Grossdemonstration statt. Ihre Botschaft macht immer mehr die Runde: "Systemwandel statt Klimawandel". Und die Proteste werden nicht auf Cancun beschraenkt sein. Weltweit wird es zu Aktionen kommmen- in West und Ost. Auch in Oesterreich- wie etwa in Graz.


3. Dezember:

Fast eine Woche dauert hier in Cancun bereits der offizielle UNO-Klimagipfel COP 16. Weitergegangen ist bis jetzt nichts. Nun wird es selbst den Vereinten Nationen zu bunt. Deren Verantwortliche fuer Fragen des Klimawandels Christiana Figueres kritisierte in aller Offenheit den bisherigen schleppenden Verhandlungsprozess und unterstrich. " Nur irgendein Abkommen reicht nicht aus".

Fuer den mexikanischen Praesidenten Felipe Calderon und seine amerikafreundliche PAN-Regierung ist der Klimagipfel vor allem eine Show. Eine Show um von seiner extrem schlechten performance abzulenken: vom rein militaristisch gefuehrten Kampf gegen die Drogenbosse, der jaerlich tausende Tote fordert und so- nach allen ExpertInnenmeinungen- nicht gewonnen werden kann; von seiner katastrofalen Sozialpolitik- die juegsten offiziellen Daten zeigen, dass die Zahl der Armen in Mexiko in einem Jahr von 31 auf 34 Prozent gestiegen ist; und last but not least der brutalen Umweltpolitik, die - wie Greenpeace ausfuehrt- ungebrochen auf die Gewinnung fossiler Brenstoffe setzt.

Die USA wieder haben bislang nur ihre zweite Garnitur hierhergeschickt, Japan will kein " Kyoto 2", die EU setzt gegenueber den in Armut gehaltenen Laendern vor allem auf Kredite und bilaterale Vertraege, was diese weiter in der Schuldenfalle und Abhaengigkeit beliesse.

Bewegung wird es aller Voraussicht nur dann geben, wenn es zu einer Art politischen " Zangenoperation " kommt: fortschrittliche, zukuntsweisende Vorschlaege " von innen"- also von Staaten wie Bolivien, Venezuela oder Ecuador. Und Druck " von aussen"- durch die Proteste der sozialen, indigenen und oekologischen movimientos bzw. der politischen Linken. Ob letztere das schaffen wird sich u.a. heute weisen, wenn die " Karawane " von via campesina hier ankommt. Es wird sich zeigen, ob das Protestpotential eine kritische Masse erreicht, die beruechtigten sektiererischen Spaltungslinien unter den unterschiedlichen Zugaengen ueberwunden werden koennen und ein Brueckenschlag mit der " Opposition im Moon Palace" stattfindet.