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Industriellen Vereinigung wirbt für Sozial-Kahlschlags-Offensive - SPÖ empört sich (noch?) medienwirksam

  • Monday, 26. October 2009 @ 11:15
Österreich Insider vermuteten ja, dass wesentliche Teile der "Projekt Österreich" Rede von Vizekanzler Pröll direkt in den Büros der Industriellen Vereinigung (IV) am Schwarzenbergplatz erarbeitet wurden. Bei einer Pressekonferenz am 20. Oktober bekundete die IV jedenfalls volle Unterstützung für die Überlegungen von Pröll, zugleich präsentierte die IV ihre Sozial-Kahlschlags-Offensive.

Zuerst zeigte sich IV-Präsident Sorger aber als besorgter Staatsbürger. Die Budgetkonsolidierung, so Sorger, sei "Conditio sine qua non", denn andernfalls "verliert der Staat seine Handlungsfähigkeit". Wie die Handlungsfähigkeit herstellbar sei, weiß Sorger natürlich auch - "durch überlegte und zeitsensible Ausgabenreduktionen UND Wachstum". Die Ideen der IV zur "Ausgabenreduktion" sind rasch skizziert: das faktische Pensionsantrittsalter sei zu erhöhen, die 'Hacklerregelung' soll sofort gänzlich aufgehoben werden, die Pensionssysteme von Bund, Ländern und Gemeinden seien (auf dem niedrigsten Stand, davon ist auszugehen) zu harmonisieren und das gesetzliche Pensionsalter auf 67 Jahre anzuheben.

Auch zum Thema Schule, Gesundheitssystem sowie Verwaltung hat die IV - laut Selbstbekundung - "umfassende Reformstrategien". Die Studiengebühren sollen wieder eingeführt werden, die 2008 durchgeführte Mehrwertsteuersenkung auf Medikamente soll fallen. Zudem will die IV `Stabilitäts- und Haushaltziele´ in der Verfassung festgeschrieben haben, womit sich die Politik einmal mehr freiwillig in die Geiselhaft der (Finanz)Märkte begeben würde.

Taschenspielertricks und unverschämte Lügen

Die Vorgangsweise der Interessensvertreter des Kapitals ist bekannt. Richtige Fragestellungen (kein Staat kann sich auf ewig riesige Budgetdefizite leisten, da ja die Zinszahlungen große Summen verschlingen) werden mit neoliberalen Dogmen vermixt (warum z.b. die "Maastricht-Verschuldungsgrenze" bei 60 Prozent des BIP liegt kann kein seriöser Wirtschaftswissenschaftler erläutern). Postulate (Geht´s der Wirtschaft gut, Geht´s uns allen gut), die in keinster Weise der Realität entsprechen, und Behauptungen werden mit Lügen gemixt.

Die Behauptung der IV, "Wir haben in der Vergangenheit lang über unsere Verhältnisse gelebt und abgefeiert - jetzt muss die Zeche bezahlt werden“, ist an Dreistigkeit und Absurdität nicht zu überbieten. Faktum ist, dass die Nettorealeinkommen der unselbständig Beschäftigten im Jahr 2005 um 1,7 Prozent unter jenen des Jahres 1995 gelegen sind, obwohl das Bruttoinlandsprodukt im gleichen Zeitraum um 19 Prozent gestiegen ist. Faktum ist, dass Österreich ein Steuerparadies für Superreiche ist, denn Österreich ist mit 1,3 Prozent bei vermögensbezogenen Steuern Schlusslicht im OECD-Raum. Und Tatsache ist auch, dass in Österreich 10 Prozent der Bevölkerung rund 66 Prozent des gesamten Vermögens besitzen. Von „wir haben über unsere Verhältnisse gelebt“ kann also keine Rede sein.

Wenn die IV „Einnahmenseitige Maßnahmen“, sprich Steuererhöhungen ablehnt, dann betätigt sie sich, da helfen alle Beteuerungen nichts, als „Bodyguard ihrer Klientel“, denn zwischen Steuern und Steuern besteht halt ein Unterschied.

Seltsame Positionierung der SP-Gewerkschaft

Zwar hat Bundeskanzler Faymann sich schon gegen die vorzeitige Beendigung der Hackerregelung ausgesprochen und auch zum (Sozial)Transferkonto gibt es von der SPÖ Ablehnung, doch es lohnt sich, genauer hinzuschauen.

AK-Präsident Tumpel empörte sich zwar über die Aussagen der IV , doch zugleich markierte Tumpel, wo die Schmerzgrenze der FSG liegt. Wenn Tumpel sich gegen „einseitiges und überhastetes Vorgehen“ ausspricht, so zeigt dies, dass es um den Zeitpunkt und nicht um das Prinzip geht, dass es um´s Bremsen der IV (wie selbst im Titel der Stellungnahme angemerkt wird) und nicht um eine gänzlich andere Verteilungslogik geht. Tumpel, der, um Missverständnisse zu vermeiden, die Botschaft auch gerne wiederholt: "Wesentlich gespart werden darf erst dann, wenn Aufschwung längerfristig spürbar ist und die Arbeitslosigkeit nicht weiter steigt (...) Die ArbeitnehmerInnen haben die Krise nicht verursacht, dennoch sollen sie allein die Zeche zahlen. Nicht mit uns!"

Warum ArbeitnehmerInnen, deren Nettoreallöhne im letzten Jahrzehnt gesunken sind, überhaupt einen Beitrag zur Budgetkonsolidierung leisten sollen, erklärt Tumpel nicht. Warum angesichts der Steuerprivilegien für Unternehmen und Superreiche nicht sofort zur Tat geschritten wird, sprich Steuererhöhungen für diese Gruppen auf die Tagesordnung gesetzt werden, erklärt Tumpel auch nicht.

Die sozialpartnerschaftliche Gehirnwäsche, die Gewerkschaftsfunktionäre über Jahrzehnte an sich selbst vollzogen haben, zeigt einmal mehr Wirkung. Da nutzt dann auch nichts, dass Tumpel und seine AK-Experten zentrale Fragen (Steuerprivilegien für Vermögende und Unternehmen) richtig benennen.

Nicht mit der Mobilisierung der Mitglieder, nicht mit Aktivitäten bis hin zu Streiks, gemeinsam mit dem ÖGB, wird gedroht, sondern auf "Einsicht" der IV-Mitglieder gehofft: "die IV (solle sich) lieber fragen, wie sie selbst einen Beitrag (zur Budgetsanierung) leisten kann".

Ähnlich auch der Vorsitzende der Fraktion sozialdemokratischer GewerkschafterInnen (FSG), Wolfgang Katzian, der ebenfalls erklärt „Keine Budgetkonsolidierung ohne gerechten Betrag der Krisenverursacher“.

Was „gerecht“ ist, ist bekanntlich relativ und subjektiv. Warum Katzian nicht für eine andere Lohn- und Steuerpolitik eintritt, bleibt schleierhaft, denn auch er selbst erläutert mit Zahlen, wie katastrophal die Auswirkungen der Steuerpolitik auf ArbeiternehmerInnen sind. Nur 8 Prozent der Staatseinnahmen kommen „aus Steuern auf Gewinne und 4 Prozent aus Steuern auf Kapital, Grund und Boden“.

Das Resümee

Geht es nach dem Willen der IV, die ja ein gewichtiger Player in der österreichischen Politik ist, dann sollen und werden für die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise alle zahlen - außer natürlich die Superreichen und die Unternehmen, die über Jahrzehnte von der neoliberalen Umverteilung von unten nach oben profitiert haben.

Noch spuckt die SPÖ-Führung große Töne. Doch zu befürchten ist, dass die sozialdemokratische Gewerkschaftsführung für Tauschgeschäfte, die ja in Österreich eine lange und große Tradition haben, ein offenes Ohr haben wird. Gegen eine minimale Anhebung dieser oder jener Steuer für Superreiche, die publikumswirksam als großer Erfolg verkauft werden kann, werden Gewerkschafts- und SPÖ-Führung im „Abtausch“ auch einer Erhöhung der Mehrwertssteuer und der Durchsetzung diverser sozialer Grausamkeiten zur Budgetkonsolidierung zustimmen.

Gründe sich gegen solch eine Politik zu wehren, gibt es für Erwerbstätige und Arbeitslose, Lehrlinge, Studierende und PensionistInnen allerdings mehr als genug.

Didi Zach, Landessprecher der KPÖ-Wien