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Es ist genug / für alle da!

  • Saturday, 7. March 2009 @ 13:14
Frauen Wenn die Gesellschaften rund um den Globus heute von einer Finanz- und Wirtschaftskrise erfasst sind, heißt das nicht automatisch, dass wir es auch mit einer Systemkrise des Kapitalismus zu tun haben.

Von Hilde Grammel Zu einer Systemkrise fehlen die Gegenkräfte für eine nach-kapitalistische Gesellschaft bzw. sind diese noch zu schwach. Das einzige, was eine bescheidene Linke unter den gegebenen Umständen tun kann, ist, auf die Weichenstellungen aufmerksam zu machen, die die Mächtigen zugunsten einer Stabilisierung des Systems vornehmen wollen und politischen Druck dahingehend zu entwickeln, diese Weichenstellungen zu verhindern.

Gesellschaftliche Weichenstellung nötig

Laut WirtschaftsexpertInnen handelt es sich bei der gegenwärtigen um eine klassische Überproduktionskrise in dem Sinne, dass die durch die Überproduktion erzielten Profite über Jahrzehnte in den Finanzsektor gesteckt und dort akkumuliert wurden. Durch Schaffung immer neuer Konstrukte wurden immer höhere Formen von Profiten möglich. Zur Veranschaulichung: Betrug im Jahr 1980 die Höhe der im Finanzsektor angelegten Kapitalwerte weltweit 10 Billionen USD, liegt dieser Wert heute bei 167 Billionen USD. Davon werden 60 Billionen von institutionellen Vermögensverwaltern und Kapitalsammelstellen verwaltet, d.h. von Investment- und Pensionsfonds und von Versicherungen. Bisher wurden 2 Billionen dieses fiktiven Kapitals vernichtet. Die entscheidende Frage, vor der wir heute stehen, ist: Gelingt es den Herrschenden, diese Art des Kapitalismus wieder zu stabilisieren, oder gelingt es, gesellschaftspolitische Weichen so zu stellen, damit dies nicht mehr möglich ist? Zu diesen notwendigen Weichenstellungen gehörte, dass Banken, Versicherungen und andere Kapitalsammelstellen – sobald nur mehr durch Einschreiten der öffentlichen Hand sichergestellt werden kann, dass sie ihren Tätigkeiten nachkommen können – in öffentlichen Besitz (staatliches Eigentum und öffentliche Kontrolle) überführt werden.

Die weltweit am raschesten wachsenden Kapitalsammelstellen waren in den letzten Jahren die Pensionsfonds. Die Geschichte ist, zumindest für Österreich, bekannt: das umlagefinanzierte Pensionssystem wurde jahrelang kaputt geredet; Arbeitgeber wurden dadurch„entlastet“, dass ihre Einzahlungen in die staatliche Pensionsversicherung durch Schaffung flexiblerer Arbeitsverhältnisse mit unvollständigem Versicherungsschutz minimiert oder gestrichen wurden; den Menschen in „regulären“ Arbeitsverhältnissen wurde durch steuerliche Begünstigung die private Vorsorge schmackhaft gemacht, quasi als Gebot der Stunde, da die staatlichen Pensionen angeblich nicht mehr gesichert seien (wenngleich dies einer Reallohnkürzung und letztendes einem Pensionsverlust entsprach) etc. Daher lautet die notwendige Weichenstellung: eine sofortige Rücknahme der Pensions„reform“ und eine Sicherung des umlagefinanzierten Pensionssystems.

Banken werden gefüttert

Die derzeitige österreichische Bundesregierung war noch nicht einmal angelobt, hatte sie – infolge einer informellen Absprache zwischen den EU-Finanzministern – den Banken schon 100 Mrd. € als Schutzschirm in nur wenigen Stunden zugesagt. Geht es in der EU doch darum, den Fortbestand der offenen, freien Marktwirtschaft zu sichern und zu verhindern, dass irgendeine systemrelevante Bank pleite geht. Der Großteil dieses Geldes (85 Mrd.) dient dazu, einen Dominoeffekt zu verhindern, indem der Staat Haftungskapital zur Verfügung stellt, für den Fall, dass eine Bank pleite geht und ihre Kredite bei anderen Banken nicht mehr bedienen kann. Die restlichen 15 Mrd. € sind den Banken einfach als Eigenkapital geschenkt worden. Was an dieser Blitzaktion sichtbar wurde, war, dass, sobald es um die Rettung des Bankensystems bzw. des kapitalistischen Systems insgesamt geht, nur wenige Stunden reichen und der Staat ganz unbürokratisch tätig werden kann. Geht es jedoch um Fragen wie die Entschuldung der Krankenkassen (seit Monaten wird die Zahl von 450 Millionen € durch die Medien gejagt, derer die Krankenkassen zu ihrer Sanierung dringend bedürften), werden „Reformen“ in Form von Selbstbehalten, der Schließung von Krankenhäusern usw. als Bedingung gestellt, bevor nur ein Cent von staatlicher Seite in Richtung Krankenkassen fließt. 100 Mrd. € macht umgerechnet eine Verschuldung von € 12.500 pro Kopf. Diese Verschuldung wird jedem/jeder in Österreich Lebenden, unabhängig von Alter, Geschlecht oder Einkommen, aufgebürdet. Im Vergleich dazu verfügt ein/e Erwerbsarbeitslose/r über ein durchschnittliches Jahreseinkommen zwischen € 6.000 und € 8.000. Während in Deutschland die Finanzströme in Richtung Banken nicht bedingungslos fließen – zumindest eine Begrenzung der Managergehälter und ein Dividendenverbot werden verlangt –, gibt es in Österreich solche Maßnahmen nicht. Nicht zuletzt ist die relative Stärke der Linken in unserem Nachbarland ein Garant dafür, dass solche Bedingungen überhaupt durchgesetzt werden können. In Österreich fehlt eine Thematisierung der Umverteilungsverhältnisse bisher völlig, ungeachtet dessen, dass die Jahrzehnte währende Umverteilung in Richtung der Reichen und Superreichen eine der Ursachen für die Krise ist. Seit die Produktivitätsabgeltung nicht mehr in die Lohnpolitik eingeht, sind die Möglichkeiten zu Spekulation und Finanzkapitalveranlagung ins Unermessliche gestiegen, was zu Weichenstellung Nummer drei führt: Gewerkschaften müssen entsprechende Lohnerhöhungen fordern, um das für Spekulationen verfügbare Kapital zu minimieren.

Aushungern durch Dumpinglöhne

Das österreichische Volkseinkommen setzt sich zu 50% aus Löhnen und zu 50% aus Profiten zusammen. Abgesehen davon, dass sich hinter solchen Zahlen Ungleichheitsverhältnisse gigantischen Ausmaßes verbergen, ergibt sich daraus die Weichenstellung Nummer vier: eine Steuerpolitik, die eine Tendenzumkehr einleitet und die Profite abschöpft, indem sie etwa die Körperschaftssteuer wieder anhebt. Alleine die OMV hat sich durch die Senkung der Körperschaftssteuer von 34% auf 25% unter Finanzminister Karl-Heinz Grasser zwischen 2005 und 2007 einen Betrag von 676 Millionen € erspart. Was die Frage aufwirft, wann endlich jene Politikerinnen, die eine solche Enteignung öffentlichen Eigentums zu verantworten haben, zur Rechenschaft gezogen werden. Soll heißen: Herr Elsner ist in dieser Republik nicht der einzige „Wirtschaftskriminelle“, sondern nur ein Bauernopfer, das den betrogenen Massen quasi zur Besänftigung der Gemüter vorgeführt wird. Dass das Ganze System hat, wird hinter der künstlichen Aufgeputschtheit des BAWAG-Skandals gütlich vertuscht. Insgesamt ist es also notwendig, die vorhandenen Gelder der Finanzspekulation zu entziehen. Diesem Zweck würden etwa öffentliche Investitionen und die Schaffung von Beschäftigungsverhältnissen dienen, die Normalarbeitszeitverhältnisse sind und nicht solche, in denen die Menschen mit Dumpinglöhnen abgespeist werden. Doch der ÖGB ist weit davon entfernt, diesem Gebot der Stunde Nachdruck zu verleihen. Statt die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich zu erheben, setzt er – so der Titelseite seiner Zeitung „Solidarität“ zu entnehmen – noch immer auf das Erledigen des Geschäftes der Arbeitgeber, wenn er sich damit brüstet, dass flexiblere Gesetze für Kurzarbeit (mit Lohneinbußen) Jobs retten werden. Entsprechende Gesetze wurden im Februar im Parlament verabschiedet.

In Bewegung setzen

Was heißt all das für Frauen und aus einer globalen Perspektive gesehen? Dass es an der Zeit ist, eine neue Weltwirtschaftsordnung zu etablieren, in der alle Menschen dieser Erde nicht nur genug zum Überleben haben, sondern die den Luxus einer solidarischen Kultur des Miteinander, des Denkens, des politischen Engagements, der künstlerischen Betätigung, der Pflege von Beziehungen – kurz: eines menschenwürdigen Lebens, in dem jede/r ihre/seine Potentiale entfalten kann, selbstverständlich ermöglicht. Dass Frauenarbeit – die zumeist Arbeit mit Menschen ist – entsprechend bezahlt werden kann und muss. Dass sogar genug Ressourcen da sind, damit nicht unsere ganze Lebenszeit von Arbeit verschlissen wird. Dass eigentlich all das möglich ist, was uns durch Sparprogramme, Nulldefizite und Sozialabbau jahrelang vorenthalten wurde. Die Ära der verordneten Bescheidenheit ist nämlich an ihr Ende gekommen. Jedoch wird keine einzige unserer Vorstellungen umgesetzt werden, wenn sich nicht Millionen von Menschen in Bewegung setzen. Freiwillig werden die Mächtigen dieser Welt keinen Zentimeter ihrer Macht und ihres Reichtums abgeben, und mag das System, das sie repräsentieren, auch noch so diskreditiert sein. Der erste Schritt in die richtige Richtung ist, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen als unversöhnliche Gegensätze zu erkennen (Die Parole: „Was für die Wirtschaft gut ist, ist für alle gut“ muss als die Lüge erkannt werden, die sie ist).

Die nächste Gelegenheit, dieser Erkenntnis Ausdruck zu verleihen, ist übrigens die EU-Wahl am 7. Juni, bei der in Österreich die Möglichkeit besteht, mit der Liste KPÖ – Europäische Linke eine echte Alternative zum Europa des Neoliberalismus zu wählen.

Der Text entstand unter Bezugnahme auf einen Artikel von Michael Graber