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Religion als Mittel

  • Sunday, 8. February 2009 @ 10:39
Österreich Gedanken ueber das schlampige Verhaeltnis von Politik und Glaubenslehre - von Bernhard Redl

Erst-Veröffentlichung in Akin, Nr. 3 vom 27.1.2009

Susanne Winter hat recht. Natuerlich nicht mit ihren grauslichen Statements vor einem rassistischen Publikum, das ihr dafuer Applaus zollte. Sondern mit dem Satz: "Man muss Religionen beleidigen duerfen". Denn leider stimmt es, wenn die FPOe sagt, dass mit diesem Prozess der §188 StGB ("Herabwuerdigung religioeser Lehren") wieder reaktiviert worden sei. Er war zwar nicht so totes Recht, wie das die FPOe behauptet -- die letztendlich freigesprochenen "Habsburg Recycling" koennen ein Lied davon singen --, Verurteilungen hatte es aber in den letzten Jahrzehnten kaum mehr gegeben. Das Problem mit Religionen und ihren Kirchen ist, man kann sie nicht kritisieren, ohne dass sie beleidigt sind -- denn ihre Wahrheit kommt von Gott und wer den kritisiert, verletzt ihre Gefuehle. Glaeubige sind nun mal sehr sensibel. Und da muss nicht erst Frau Winter mit ihrem hanebuechenen Unsinn daherkommen -- erinnern wir uns nur an den Karikaturenstreit.

Doch nur weil jetzt am heftigsten gerade ueber den Islam diskutiert wird, heisst das nicht unbedingt, dass andere Religionsgemeinschaften diesbezueglich toleranter sind. In einer aufgeklaerten Gesellschaft muss man sie kritisieren duerfen. Denn Religion ist eben nicht Privatsache und kann sie auch nie werden, denn sie ist immer auch politisch: Religionsgemeinschaften definieren Werte und Vorschriften -- egal, ob diese in ihren jeweiligen heiligen Buechern festgeschrieben sind oder ob sie der Klerus frei erfindet. Damit sind sie ein zumindest moralischer Gesetzgeber, beispielsweise im Iran sogar ein tatsaechlicher.

Also gehoeren sie aber auch in die politische Sphaere -- es mag beispielsweise den Katholiken unbenommen sein, dass sie in ihrer Messe ihren Gott verspeisen, aber wenn sie sich in Fragen von Abtreibung und Verhuetung einmischen, muss man sie kritisieren duerfen. Speziell die Katholiken als Beispiel heranzuziehen ist besonders relevant, denn diese sind hier die bestimmende Religion. Sie sind in Europa einigermassen domestiziert -- aber ihr politisches System ist immer noch ein strikt hierarchisches und patriarchales, demokratie- und wissenschaftfeindlich bis dorthinaus. Man frage nicht, was passieren wuerde, wenn der katholische Klerus in eine aehnliche Herrschaftsposition wie die Mullahs im Iran kaemen. Schliesslich und endlich ist §188 nichts anderes als eine eingeschrumpelte und an den Gleichheitsgrundsatz angepasste Version der Regeln der Heiligen Inquisition. Man schlage nach im Rechtsinformationssystem des Bundeskanzleramts und findet dort §188 wie folgt beschlagwortet "Blasphemie, Gotteslaesterung, Religionsfreiheit, Pietaet, Sekte". Das ist es: "Blasphemie" -- die Redakteure des Rechtsinformationssystems kennen die Traditionen des Rechts und sie wissen, welchen Leuten der Paragraph wichtig ist und nach welchen Begriffen diese suchen. Natuerlich, der Kirche erlaubt man nicht mehr selbst zu urteilen, die Strafbedrohung ist doch ein wenig gelinder als der Scheiterhaufen und die Gerichte scheuen davor, diesen doch recht ekligen Paragraphen, dem man ansieht, wes Geistes Kind er ist, ueberhaupt anzuwenden. Dennoch, es gibt diesen Paragraphen noch.

Warum Religionskritik?

Religionskritik ist genau deswegen, weil sie so tabuisiert ist, notwendig. Religion ist aber oft genug nicht nur selbst Politik gewesen, sondern auch Mittel der Politik -- egal, ob sie von der Vaterlaendischen Front, waffenweihenden Bischoefen, juedischen Siedlern im Westjordanland oder den Antreibern palaestinensischer Selbstmordattentaeter genutzt wurde und wird. Umgekehrt ist auch Religionskritik ein politisches Mittel -- in letzter Zeit findet Religionskritik in einem groesseren Rahmen aber ueberhaupt nur mehr als Mittel statt. Als eigentlicher Inhalt der Auseinandersetzung ist sie fast nur noch Thema akademischer Zirkel.

Man nehme sich die oesterreichische Innenpolitik her: Haider spielte mit dem Antisemitismus, weil er die nach wie vor vorhandenen Ressentiments nutzen wollte. Strache und Winter agitieren gegen den Islam, um einen Kulturkampf zu fuehren, der die Auslaenderfeindlichkeit speziell gegen Migranten aus der Tuerkei nutzen will und um ihren Anhaengern ein saubere Rationalisierungsmoeglichkeit ihrer Vorurteile zu liefern. In unserer kleinen linken Welt ist das nicht anders: Die Antiimps verstehen sehr richtig den aufflammenden politischen Islam als eben eine politische Bewegung, neigen aber leider dazu, damit auch den Islam und vor allem seine Kleriker verteidigen zu wollen. Die Gruppe namens "Cafe Critique" wiederum erkennt im Islam alles Boese. Sie versucht sich in ihrer Kritik abzusetzen von der FPOe, doch ist ihre Religionskritik auch nur ein Mittel zu dem Zweck, politische Positionen zu unterstuetzen, die letztlich nichts anderes sind als Bush Seniors "Neue Weltordnung". Dabei werden alle vernutzt, die irgendwas Boeses ueber die Rueckschrittlichkeit des Islams zu sagen haben. Und die Israelitische Kultusgemeinde applaudiert -- unberechtigtermassen, denn eine Religion, die in ihren Hauptstroemungen Frauen nach wie vor als quantité negligable ansieht, sollte sich da besser zurueckhalten.

Die grosse Ausnahme bildet hierzulande die Mehrheitsreligion: Kritik am Katholizismus findet nicht auf dieser Ebene statt -- die einzigen, die sich in der Kritik hervortun (und damit auch die einzigen, die ueberhaupt eine inhaltliche Religionskritik um ihrer selbst willen aeussern und damit auch eine groessere Oeffentlichkeit erreichen), sind die Basischristen, die immer noch glauben ihren Verein reformieren zu koennen. Religionskritik von politischer Seite aber findet in diesem Falle so gut wie nicht statt -- denn damit kann man im immer noch erzkatholischen Oesterreich nichts gewinnen. Schliesslich haengen nach wie vor etwa 6 Millionen Menschen dieser christlichen Geschmacksrichtung an. Das ist auch logisch: Religionskritik ist nur ein taugliches Mittel, Minderheiten, aber auch einen Aussenfeind ganz weit weg herunterzumachen. Fuer Religionsbejahung gilt das umgekehrte: Nur wenn ich mich als Minderheit behaupten oder einen Aussenfeind definieren will (egal ob Christen in den USA und in Europa oder ob Muslime in der Tuerkei, im Iran oder auf dem Maghreb), ist das in Anschlag bringen der Religion ein taugliches Mittel.

Und noch einen Grund gibt es, warum Religionskritik am Katholizismus hierzulande weder als Mittel noch als eigentlicher Inhalt recht funktioniert. Auf der rechten Seite des parteipolitischen Spektrums sowieso nicht --- das sind alles "gute Christen". Aber auch SPOe und Gruene wollen es sich mit den Katholiken nicht verscherzen. Auch ihr Waehlerpotential gehoert mehrheitlich dazu. Und die Linke? Man tut sich schwer mit der Kritik, wenn man hoert, welch deftigen Worte die Caritas von sich gibt, wenn es um Sozialpolitik geht. Man kann es nicht wegleugnen, dass man sich freut, wenn eine Arigona Zogaj vor dem Zugriff der Polizei geschuetzt wird -- und dafuer hat halt ein Pfarrer gesorgt. Ja, man bewundert richtig einen Bischof Kraeutler, der in Brasilien den Grossgrundbesitzern den Kampf ansagt und der in Interviews redet, als waere er Vorsitzender einer kommunistischen Partei.

Sich davon aber blenden zu lassen, waere verkehrt. Auch im Islam gibt es eine Sozialbewegung und den eher fortschrittlichen Alewiten graust vor dem schiitischen Ahmadinejad -- von den vielgestaltigen dissidenten Stroemungen im Judentum, dem zentrale Autoritaeten generell zuwider sind, ganz zu schweigen. Aber muss man religioes sein, um gute Dinge zu tun? Vielleicht muss man an etwas glauben, das ja, aber das muss nicht Gott sein. Vor allem aber: Auch hier geht es um politisches Engagement, diesmal halt um eines, das uns sympathisch ist. Und so gilt auch hier, dass dieses einer politischen Kritik zugaenglich sein muss, und auch, dass man selbst den sympathischen Vertretern der Katholiken hin und wieder sagen muss, dass angesichts der Positionen ihres Oberhirten sie vielleicht doch ueberlegen sollten, ob sie nicht im falschen Verein sind.

Was wiegts, das hats

Religion wie Religionskritik muessen an ihrem politischen Gehalt gemessen, gewogen und danach beurteilt werden. Susanne Winter ist nicht nur wegen Herabwuerdigung religioeser Lehren verurteilt worden, sondern auch wegen Verhetzung. Das ist ein politisches Delikt. Auf dieser Ebene sollte diese Auseinandersetzung gefuehrt werden. Lasst Gott, was Gottes ist, und gebt der Politik das, was der Politik ist.

Bernhard Redl

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