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Zwei trotzkistische Kleingruppen sind noch kein breites linkes Wahlprojekt

  • Wednesday, 23. July 2008 @ 19:43
Sylvia Lutz, die im 3. Bezirk in der KPÖ aktiv ist, und KPÖ-Landessprecher Didi Zach waren letzten Samstag beim Treffen des Linksprojekts im Amleringhaus in Wien, wo über eine Kandidatur zur NR-Wahl 2008 entschieden wurde.

Nachfolgend ein Interview (es wurde am Dienstag, 22. Juli, durchgeführt) zu ihren persönlichen Wahrnehmungen, Einschätzungen und Schlußfolgerungen.

Frage: Das Votum für eine Kandidatur beim Treffen am Samstag war recht eindeutig, auch die Beteiligung war ja nicht schlecht. Sind Eure Bedenken damit zerstreut?

Zach: Meine nicht. Nach dem Eröffnungsstatement von Hermann Dworczak hätten bei einer sofortigen Abstimmung wahrscheinlich 95 % der Anwesenden für die Ausrufung der Räterepublik gestimmt – so enthusiastisch und pathetisch hat Hermann die Chancen und Möglichkeiten in der gegenwärtigen Situation skizziert. Die Gruppendynamik und der Bauch spielten für die breite Zustimmung der Versammelten zur „Kandidatur jetzt sofort“ eine größere Rolle als die Analyse. Ich bezweifle, so wie der steirische KPÖ-Landesobmann Franz Parteder, dass damit einer erst zu formierenden breiten linken Bewegung in Österreich wirklich ein guter Dienst erwiesen wurde. Lutz: Ich teile diese Einschätzung im wesentlichen. Das Ergebnis der Abstimmung ist durch eine Vielzahl von Wortmeldungen zuvor beeinflusst worden, die sich, was den inhaltlichen Ausdruck betrifft, sehr ähnlich waren und die auch in ähnlichem rhetorischen Stil vorgetragen wurden. Es wirkte auch mich so, als ob im Vorfeld manchen Gruppen ihre Mitglieder vergattert haben. Zudem wurde jede derartige Wortmeldung von penetrant lautem Applaus begleitet. Durch dieses Vorgehen ist eine Gruppendynamik entstanden, die für mich persönlich eigentlich beängstigend war.

Zach: Ja, in der Plenardebatte gab es – auch in meiner Wahrnehmung – eine Vielzahl vorbereiteter Statements von Mitgliedern von LSR und SLP. Und der Tenor der Reden war jener, der schon in den von den Organisationen festgelegten Beschlüssen niedergeschrieben war: „Jetzt ist die Chance – Wir müssen kandidieren“. Widersprüche würden schlicht ignoriert. Mehrere SLP-Mitglieder erklärten z.B., dass das konkrete Wahlresultat sowieso wurscht sei, da es primär um die hervorragenden und exzellenten Agitationsmöglichkeiten in einem Wahlkampf gehe.

Wie war eigentlich die Beteiligung aus den Bundesländern?

Zach: Aus Vorarlberg war niemand anwesend, aus Tirol wurde berichtet, dass es noch kein Treffen gegeben hat. SLP-Mitglieder aus Salzburg und Oberösterreich meinten, dass es großes, großes Interesse von jungen unorganisierten Menschen am Projekt geben würde, doch von einer wirklichen Meinungs- und Willensbildung konnten auch Sie nicht berichten. Auch aus Niederösterreich war niemand zugegen, der wirklich etwas repräsentiert. David Stockinger steht zwar für eine kleine Gruppe innerhalb der SJ-Niederösterreich – doch politisch orientiert er sich an der KI, deren wichtigstes Projekt ja die Isolierung und Bekämpfung der KPÖ ist.

Lutz: Jene Redebeiträge aus den Bundesländern, die Bedenken gegen eine bundesweite Kandidatur - aufgrund fehlender organisatorischer und personeller Ressourcen – formulierten, wurden ignoriert. Klaus Kotschnig z.B., der in Kärnten als Betriebsratsvorsitzender tätig ist, hat explizit gegen eine Kandidatur in Kärnten Stellung bezogen. Aus der Steiermark waren zwei Vertreter einer Bürgerliste in Kapfenberg anwesend – doch auch sie formulierten ihre Skepsis. Einige Anwesende meinten, dass ein bundesweite Kandidatur gar nicht nötig wäre. Doch wenn es keine bundesweite Kandidatur gibt, dann, so glaube ich, wird auch das Medieninteresse rasch Vergangenheit sein. Andere Bedenken, wie das Fehlen einer durchdachten inhaltlichen Ausrichtung und das Fehlen von Menschen aus anderen Zusammenhängen wurden ebenfalls nicht wahrgenommen. Ich hab erst kürzlich mit einer Grünen aus dem Bundesvorstand der Grünen Partei und mit einer Attac Gründerin über das Linksprojekt geredet – beide haben abgewunken als sie die Namen der Initiatoren des Projekts erfahren haben.

Es gab also auch kritische Stimmen?

Zach: Ja, es gab, wie von Sylvia schon angesprochen, auch kritische Stimmen. Sehr positiv war auch, dass von der Vorbereitungsgruppe her vereinbart war, dass 2 Pro- und Contra-Reden gleichberechtigt zu Wort kommen können.

Frage: Ist es wirklich so schlimm, dass das Wahlprojekt noch kein fertiges Programm hat?

Zach: Ja, find ich schon. Eine Kandidatur zu beschließen, ohne sich über Eckpunkte eines Programms verständigt zu haben ist schon eine sehr gefährliche Sache. Und die programmatischen Entwürfe, die die LSR in den Raum stellt, sind absolut kontraproduktiv. Die Forderung nach „Enteignung der obersten 10.000 und der Verstaatlichung der Banken“, die auch heute auf der Pressekonferenz dargebracht wurde, ist in Zeiten wie diesen ein Maximalprogramm. Ein solches zu propagieren ist für eine Organisation, die sich als Mitgliedspartei einer straff organisierten Internationale, der 5. Internationale, versteht, legitim. Wer jedoch solch eine Maximalforderung zur Eintrittsbedingung bzw. zur zentralen Forderung eines breiten linken Wählbündnis macht, der ist keine Stütze, sondern ein Hemmschuh eines breiten linken Wahlbündnisses.

Was sind eigentlich Eure größten Bedenken gegen diese Kandidatur?

Lutz: Ich sehe kein Programm bzw. keine dezidiert vereinbarten Programm-Eckpunkte, ich sehe keine AktivistInnen jenseits von LSR, SLP und den paar KI-Aktivisten, ich sehe keine Klarheit zur Frage der KandidatInnen. Selbst die Frage, ob bundesweit kandidiert werden soll, ist eigentlich unbeantwortet. Ich befürchte zudem, dass diese vorschnelle Kandidatur ein mögliches Linksprojekt nachhaltig negativ beeinflussen kann. Die Euphorie wird genauso schnell verfliegen wie sie entstanden ist. Vielleicht werden manche daraus lernen, dass es nicht sinnvoll ist ohne abgeklärte Inhalte kandidieren zu wollen. Und manche werden vielleicht auch erkennen müssen, dass mit manchen eine Zusammenarbeit schwierig ist, da die viel zitierte Offenheit nur eine leere Worthülse ist, die nicht praktiziert und gelebt wird. Ich war ja bei einigen Vorbereitungssitzungen dabei – aber ich seh keinen weiteren Sinn für eine Mitarbeit. Ich habe jedenfalls beschlossen mich in diesem Linksprojekt nicht weiter zu engagieren. Die Art und Weise der Diskussionskultur, der Umgang miteinander und die Kategorisierung von potentiellen und wirklichen MitstreiterInnen in Freund und Feind finde ich zutiefst verabscheuungswürdig und entspricht nicht meinem Verständnis von linker Politik. Wertschätzung und Respekt wurden als wichtige Werte von einigen beim letzten Treffen am Samstag angesprochen und eingefordert, aber eine Selbstverständlichkeit sind diese Werte in diesem Projekt offenbar noch nicht.

Zach: Meine Bedenken können ja nachgelesen werden. Kurz gesagt – die angebliche Fusion bzw. das Zweckbündnis zweier trotzkistischer Gruppen, die sowieso nur in Wien präsent sind, ist deren freie Entscheidung. Wenn jedoch behauptet wird, dass es sich um „das Linksprojekt“ und den „Beginn einer aufzubauenden breiten Linkspartei“ handelt, dann können auch wir von der KPÖ nicht tatenlos zuschauen. Nicht weil wir einen Alleinvertretungsanspruch hätten, sondern weil damit die Gefahr heraufbeschworen wird, dass die Entwicklung einer breiten anti-neoliberalen Linken in Österreich für Jahre behindert wird. Aber zugleich werden in der Politik die Karten immer wieder neu gemischt – ich bin also trotzdem zuversichtlich, dass in geraumer Zeit auch in Österreich sich manches hin zum Positiven verändern wird.

Weitere Infos zu den aktuellen Entwicklungen beim linken Wahlprojekt. Verfasst von Federico Mahrer, der am Samstag noch Mitglied des Präsidiums der Tagung war.