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SPÖ-Landesparteitag: Amnesie der Parteiführung schreitet voran

  • Sunday, 27. April 2008 @ 12:14
Seit 15 Jahren ist Michael Häupl Vorsitzender der SPÖ-Wien. So war der gestrige SPÖ-Landesparteitag - was nicht verwundern soll - am Beginn durch Lobeshymnen auf Häupl geprägt. Landtagspräsident Johann Hatzl erklärte: "Michi verkörpert die Partei und die Wiener. (..) Michael Häupl ist die ideale Verbindung von Wiener Gemütlichkeit und politischer Entschlossenheit".

Dann folge der Auftritt von Kanzler Gusenbauer. Der appellierte laut SPÖ-Pressedienst an die Einigkeit und Geschlossenheit seiner (sic!) Partei, - denn die soziale Erneuerung des Landes "funktioniert nur, wenn die SPÖ mit großer Einmütigkeit, Geschlossenheit und großer Leidenschaft für die Menschen kämpft". Gemeinsam und aufopferungsvoll gekämpft mit Gusenbauer haben hunderttausende SPÖ-Mitglieder während des letzten Nationalratswahlkampfes, doch von sozialer Erneuerung des Landes ist nichts zu sehen. Im Gegenteil: Alle zentralen Wahlversprechen wurde gebrochen. Die Studiengebühren gibt es noch immer, die Eurofighter sind gelandet und von einem mehr an sozialer Gerechtigkeit keine Spur. Höhepunkt der Inszenierung war natürlich der Auftritt des Bürgermeisters - der hatte wieder einmal die rosa-rote Brille aufgesetzt: Wir wollen, dass sich auch in Zukunft niemand Sorge um seine materielle Zukunft machen muss."

Eine Behauptung, die nur als schallende Ohrfeige für all jene, die am Rande der Gesellschaft leben, für all jene, die keine Perspektive mehr haben, zu verstehen ist.

Denn Faktum ist, dass 12,7 Prozent der Bevölkerung in Wien „arm oder armutsgefährdet“ sind – womit Wien über dem Österreich-Durchschnitt liegt.

Faktum ist, dass in Wien mittlerweile rund 85.000 Menschen im wahrsten Sinn des Wortes von Sozialhilfe abhängig - womit sich die Zahl der SozialhilfeempfängerInnen seit dem Jahr 2000 verdoppelt hat.

Die Sozialhilfe-Richtsätze wurden zwar zum 1. Jänner 2008 um durchschnittlich 2,9 Prozent erhöht, doch gleichzeitig hat die SPÖ-Wien schon im April 2007 eine saftige Kürzung der Mietbeihilfen beschlossen. Konkret wurde der Selbstbehalt bei der Mietbeihilfe für EmpfängerInnen der Sozialhilfe um unglaubliche 37 % angehoben. Womit dieser Personengruppe pro Jahr 300,-- Euro verloren gehen. Zugleich haben sich - laut einer Studie der Arbeitkammer - die Mieten in Österreich im Zeitraum 2001 bis 2006 um über 20 Prozent erhöht. Die Mietbeihilfe für SozialhilfeempfängerInnen ist aber inklusive der Erhöhung zu Jahresbeginn lediglich 5,6 Prozent gestiegen.

Faktum ist auch, dass sich seit 1994 die Arbeitslosigkeit in Wien um 20 % zu genommen hat und Wien im Bundesländervergleich Spitzenreiter bei der Arbeitslosenquote ist.

Faktum ist, dass 2005 in Wien 322.136 Menschen – trotz Erwerbstätigkeit – laut amtlicher Statistik über ein Jahresbruttoeinkommen von maximal 20.000 Euro verfügen können. Und rund 220.000 PensionistInnen müssen mit rund 1.000 Euro netto pro Monat auskommen.

Faktum ist, dass Häupl am Landesparteitag zwar wieder einmal die Inflationsentwicklung beklagte, er aber den Beitrag der SPÖ-Wien am Schlamassel verdrängt. Denn die Abwasserentsorgung in Wien wurde innerhalb eines Jahres um 28 % verteuert, die Müllabfuhr um 19,5 %. Innerhalb von 2 Jahren wurde Strom um fast 12 Prozent und Gas um rund 23 Prozent teurer. Und ein Öffi-Einzelfahrschein für Bus, Bim oder U-Bahn wurde innerhalb weniger Jahre um 30 % teurer. Parkscheine wurden zuletzt um 50 % verteuert und die Jahreskarte der Wiener Bäder um satte 29 Prozent.

Wer angesichts all dieser erschreckenden und beschämenden Zahlen davon schwafelt, dass die SPÖ dafür eintreten werde, dass "sich auch in Zukunft niemand Sorge um seine materielle Zukunft machen muss", bedarf eigentlich dringend medizinischer Betreuung, denn fortgeschrittene Amnesie ist sicherlich zu diagnostizieren.

Angesichts der wirtschaftlichen Möglichkeiten der Stadt Wien und angesichts des Fakts, dass die SPÖ seit 1918 bis auf wenige Jahre immer mit absoluter Mehrheit regierte und damit tun und lassen konnte, was ihr beliebte, sind die Zahlen aber auch ein beeindruckendes Zeugnis für das Scheitern sozialdemokratischer Politik in Wien bzw. zur riesengroßen Kluft zwischen Wort und Tat von sozialdemokratischen Parteiführungen.

Didi Zach (Landessprecher der KPÖ-Wien)

Ps.: Nicht nur die Fakten ignoriert die SPÖ-Führung in Wien gekonnt. Damit die Parteibasis "Dampf ablassen kann", wettert Häupl nicht nur gerne gegen politische Kontrahenten sondern kritisiert auch schon mal die Auswüchse der Globalisierung. Der "Klassenkämpfer" Häupl laut SPÖ-Pressedienst: "die Behauptung, dass der Markt alles regulieren könne, das einzig Gerechte sei, bezeichnete Häupl als "unsäglichen Mist".