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Wer ist die Mittelschicht?

  • Monday, 7. April 2008 @ 13:03
Österreich Gerne öffnen wir unsere Web-Site für das Statement einer Frau, die auf die unakzeptablen Zustände in Österreich hinweist und die "die Nase gehörig voll hat". Nachfolgend der Kommentar von S.H., welchen wir über E-Mail erhalten haben. "Die Diskussionen zwischen den Regierungsparteien nehmen in meinen Augen seltsame Formen an: Seitens der SPÖ (Sozialminister Buchinger, Bundeskanzler Gusenbauer) wird von Steuerentlastungen von kleinen und mittleren Einkommen zwischen € 1200 brutto (€ 960 netto) und € 3900 brutto (€ 2267 netto) gesprochen... Wenn € 1200 brutto ein kleines Einkommen sind, wie nennt man dann das Einkommen einer/eines VerkäuferIn, das sogar bei den wenigen Vollzeitbeschäftigungen in diesem Bereich nicht immer diesen Betrag erreicht, und das in einer sogenannten Dienstleistungsgesellschaft???

Wie verpraßt ein Mensch € 2267 im Monat??? Ist das wirklich die Mittelschicht???

Wie werden diese Einkommensgrenzen gemessen???

Ich kann mir nur vorstellen, daß alle Einkommen in Österreich addiert werden und dann durch die Anzahl der arbeitenden Bevölkerung dividiert werden... Ist eine solche Berechnung angebracht, erst recht in einem Land, in dem die Einkommensschere so weit auseinander geht??? Es erinnert mich an Statistiken, wie „JedeR ÖsterreicherIn hat € xy auf dem Sparbuch“... Mein Sparbuch mit diesen Phantasiesummen kann ich leider nicht und nicht finden...

Als Wienerin kann ich nur mit folgenden Erfahrungen mein Erstaunen untermauern:

In Wien betragt die Sozialhilfe € 744/Monat inklusive Mietzuschuß und Heizkostenzuschuß, wenn € 960 wirklich ein kleines Einkommen sind, sollte die Sozialhilfe im 8.reichsten Land der Welt nicht wenigstens € 960 betragen??? Sollte das gesetzlich festzulegende Mindestgehalt nicht wenigstens die Höhe eines „kleinen Einkommens“ betragen??? Derzeit bin ich Notstandshilfebezieherin, als solche bekomme ich knapp € 600 im Monat (dieser Betrag liegt immerhin um einiges unter dem Existenzminimum), nebenbei arbeite ich im 8. reichsten Land der Welt als freie Dienstnehmerin auf geringfügiger Basis als Nacht- und Wochenenddienst und bekomme für 8 12h-Dienste im Monat € 320, das sind € 3,33/Stunde im Nacht- und Feiertagsdienst!!!

Meine Tagesfreizeit investiere ich in meine ehrenamtliche Tätigkeit in der Flüchtlingsbetreuung. AsylwerberInnen in Wien, die in Grundversorgung leben, haben folgende finanzielle Mittel zur Verfügung: Verpflegungsgeld von € 5/Tag, Taschengeld von € 40/Monat, nach Vorlage von entsprechenden Rechnungen bis zu € 150/Jahr Bekleidungsgeld, sowie nach Vorlage von Eintrittskarten maximal € 10/Monat Freizeitgeld, sie werden in Flüchtlingsheimen untergebracht, wo sie keine Miete oder Energiekosten zahlen müssen. Wenn sie in Privatunterkünften leben, so bekommen sie maximal € 110/Monat Mietzuschuß, wobei sie einen Mietvertrag vorlegen müssen, in diesem Fall müssen sie dann mit insgesamt € 290/Monat und Person auskommen, und das in einem Land, wo der Mittelstand mit bis zu € 2267 im Monat lebt... Asylwerber dürfen nicht arbeiten, ja nichteinmal Lehrberufe dürfen sie erlernen!!! Dankenswerterweise sind sie immerhin krankenversichert und von Rezeptgebühren befreit...

In Anbetracht all dieser Tatsachen empfinde ich es als Hohn und Beleidigung, wenn PolitikerInnen € 2267 im Monat als mittleres Einkommen bezeichnen, dessen BezieherInnen dringend unterstützt werden müssen!!!

Ich denke die Politik sollte sich zuallererst um die EinkommensbezieherInnen kümmern, die weniger als € 1000 im Monat zur Verfügung haben, etwa durch die Einführung eines BEDINGUNGSLOSEN Grundeinkommens, für alle Menschen, die seit drei Jahren in Österreich leben, dieses bedingungslose Grundeinkommen sollte jährlich valorisiert werden und 25% über der Armutsgrenze liegen, im Gegenzug sollte kein Einkommen mehr als das fünffache des Grundeinkommens betragen und kein Vermögen das zehnfache dieses Grundeinkommens überschreiten. Auch ein jährlich zu valorisierender MINDESTLOHN, der 25% über der Armutsgrenze liegt sollte festgelegt werden!

All das, sowie Freifahrt für AsylwerberInnen, Sozial- und NotstandshilfebezieherInnen und Obdachlose, sowie die Abschaffung der Selbstbehalte in der Gesundheitsversorgung kann (politischen Willen vorausgesetzt) durch eine entsprechende Wertschöpfungsabgabe und Vermögenssteuer in einem der reichsten Länder der Welt problemlos finanziert werden!!!

Anmerkung der Redaktion:

# Wie aufmerksame Leser und Leserinnen sicherlich schon festgestellt haben, finden sich auf der Website der KPÖ-Wien natürlich auch Kommentare mit denen wir nicht zu 100% übereinstimmen. Dies ist auch bei diesem Kommentar der Fall. Wir denken aber, dass in einer Vielfalt der Meinungen und im Widerstreit der Ideen sich sinnvolle Ideen und Vorstellungen für ein "gutes Leben für Alle" entwickeln können.

# Rund 2.550.000 Menschen verfügen in Österreich - vielfach trotz Erwerbstätigkeit - über ein Jahres-Brutto-Einkommen von maximal 15.000 Euro (Zahlen des Finanzministeriums laut Kurier, 21.3.2008). Womit auch durch die Zahlen eindrucksvoll dokumentiert ist, dass die Wahrnehmungen von Frau H. der Lebensrealität von hunderttausenden Menschen in Österreich entspricht.

# Was die Einkommens- und Vermögensgrenzen betrifft, ist die KPÖ der Meinung, dass vor allem die großen Konzerne und die Spitzenverdiener einen solidarischen Beitrag zu den Staatsfinanzen leisten sollen - Apropos Spitzenverdiener: 0,8 % der Menschen in Österreich (= 54.000 Personen) verfügen über ein Jahres-Brutto-Einkommen von 100.000 Euro und mehr!!!!