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Koalitionsstreit: Spürbare Entlastung? Ein Durchbruch? Oder doch nur Rosstäuscherei?

  • Thursday, 27. March 2008 @ 09:34
Die SPÖ jubelt - man habe einen sozialpolitischen Durchbruch geschafft. Wie immer ist ein Blick hinter die Fassaden notwendig. Analysieren wir also die vereinbarten Maßnahmen.

Ein Kommentar von Didi Zach, Landessprecher der KPÖ-Wien. 1.) Die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung werden für kleine Einkommen ab 1. Juli 2008 gestrichen bzw. reduziert. Korrekt ist, dass dies eine erfreuliche Entlastung für rund eine Million ArbeitnehmerInnen bringen wird. Bei 1.000 Euro Bruttoeinkommen (= rund 800 Euro netto) bedeutet das eine monatliche Ersparnis von 30 Euro im Monat. Bei einem Bruttoeinkommen von 704 Euro (= rund 580,- Euro netto) beträgt die monatliche Ersparnis 21,10 Euro. Aufgrund der Einkommenssituation von Frauen profitiert von dieser deutlichen Entlastung etwa jede zweite Arbeitnehmerin - so die SPÖ erfreut.

So weit, so gut. Was ist also anzumerken:

a) Beginnen wir mit dem letzten Jubelpunkt, beginnen wir mit einer Frage. In welch einem wirtschaftlichen System leben wir, wo Frauen für gleichwertige Arbeit um rund 30 % weniger als Männer verdienen, wo rund 50 % der Frauen - trotz Arbeit - weniger als 1.351 Euro brutto pro Monat verdienen?

b) die Kosten dieser Maßnahmen werden sich (laut Berechnungen) auf rund 300 Millionen Euro belaufen. Die Maßnahmen sind ein Vorgriff auf die große Steuerreform, die nun erst 2010 kommen wird. Die Steuerreform soll sich insgesamt auf rund 3 Mrd. Euro belaufen soll. Wer rechnen kann wird also feststellen, dass - zumindest vorläufig - nur magere 10 % des gesamten Steuerreform-Volumens für die "Schwächsten der Schwachen" da sein sollen.

c) Es ist zu befürchten, dass schon in 1, 2 Jahren die Kassen der Arbeitslosenversicherung (aufgrund einer veränderten Konjunkturlage) ziemlich leer sein könnten. Und dann wird wahrscheinlich die "Netto-Ersatzrate" von Arbeitslosen abgesenkt oder auf andere Art und Weise werden Arbeitslose und/oder Erwerbstätige zur Kasse gebeten. Ein solches Szenario ist nicht aus der Luft gegriffen, der FLAF (Familienlastenausgleichsfonds) wurde auf diese Art und Weise bereits mehrmals "geplündert".

d) Öffentliche Gebühren sind in den letzten Jahren stark angestiegen. In der Bundeshauptstadt Wien z.B. sind die Gebühren von 2005 bis 2006 um 13,4 Prozent, wobei die jüngsten Erhöhungen (öffentliche Verkehrsmittel, Parken) in dieser Berechnung noch gar nicht enthalten sind, gestiegen. In den Bundesländern stiegen die Gebühren um durchschnittlich 3,9 Prozent.

Da bleibt von der Ersparnis von 30,- Euro pro Monat also nichts mehr übrig. Andererseits: "Die durchschnittlichen Nettolöhne haben zwischen 2000 und 2006 real stagniert, und die Verteilungsungleichheit ist größer geworden. Die Zahl der Sozialhilfeempfänger ist allein in diesem Jahrzehnt um ein Drittel gestiegen" (musste selbst Bundeskanzler Gusenbauer im Oktober 2007 eingestehen).

e) Seit 2000 ist der Mietenindex in Österreich um 27,6 Prozent gestiegen und damit rund zweimal so stark wie der der gesamte Verbraucherindex (14,6 Prozent). Die Betriebskosten haben sich 2002 sogar um 31 % verteuert.

Laut einer Erhebung des Immobilienportals FindMyHome.at betragen die Mieten am privaten Wohnungsmarkt in Wien bereits 11,90 Euro pro Quadratmeter. Die Tendenz ist weiter steigend. Eine 60 Quadratmeter große Wohnung kostet demnach schon 714 Euro im Monat, für 80 Quadratmetern müssen 952 Euro pro Monat bezahlt werden. Durchschnittsverdiener müssen bereits 40 Prozent und mehr von ihrem Einkommen bloß für die Miete ausgeben.

2.) Die Pensionen werden schon am 1. November 2008 (und nicht erst mit 1.1.2009) erhöht – nimmt man eine Pensionserhöhung von drei Prozent an, bringt das etwa einer Pensionistin mit 1.000 Euro Pension 60 Euro zusätzlich im Jahr 2008. Jene, die es betrifft, können also - zu Recht - erfreut sein. Aber summa summarum wird es sich damit doch nur um eine Inflationsabgeltung handeln. Die Tatsache, dass z.B. in Wien rund 220.000 Menschen, die ihr Leben lang hart gearbeitet haben sich nun in der Pension mit rund 1.000 Euro netto pro Monat begnügen müssen, bleibt unverangetastet.

3.) Vermögenszuwachssteuer zur Sicherung des Gesundheitssystems

"Aktienspekulanten werden dann für ihre Gewinne genauso Steuern zahlen wie die Großmutter für ihr Sparbuch Kest zahlt", behauptet die SPÖ. Doch alle Details zu dieser Causa sind noch offen - und in den Details kann sich gar manch seltsames verbergen. Eine Zustimmung der ÖVP zu diesem Punkt ist ausserdem keinesfalls fix. Auf der ÖVP-Website heißt es zu diesem Punkt: "Bei Bedarf können zusätzliche Mittel über eine Vermögenszuwachssteuer zugeführt werden - wenn zuvor alle Effizienzpotenziale ausgeschöpft sind."

Warum

  • die Wiedereinführung der Vermögenssteuer
  • die Abschaffung der Steuerprivilegien von Privatstiftungen
  • die flächendeckende höhere Besteuerung von Zinseinkünften bis zum Höchststeuersatz
  • die Erhöhung des Spitzensteuersatzes ab einem Einkommen von 75.000 Euro jährlich
  • die Erhöhung der Körperschaftssteuer
  • eine deutliche steuerliche Entlastung kleinerer Einkommen

    tabu ist, bleibt ungeklärt. Und warum über die Einführung einer Wertschöpfungsabgabe nicht mal nachgedacht wird, wissen wohl auch einzig und allein die Experten in der Löwelstraße.