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Fritz Propst: Es bleibt noch viel an Aufklärungsarbeit zu leisten

  • Sunday, 16. March 2008 @ 10:19
Antifaschismus Nachfolgend die Rede, die Genosse Fritz Propst bei der Kundgebung am 15. März am Morzinplatz gehalten hat.

Liebe Genossinnen und Genossen!
Freundinnen und Freunde!

Heute vor 70 Jahren, am 15.März 1938, verließ ich mit Hilfe der Partei Österreich. Ich verabschiedete mich von unserer unvergesslichen Genossin Hedy Urach, die mir die nötigen Informationen für die Flucht gab. Ich war als Mitglied des illegalen KJV in der Widerstandsbewegung gegen den Austrofaschismus und wurde wiederholt eingesperrt, zuletzt war ich 6 Monate in Wöllersdorf, dem ersten Konzentrationslager in Österreich. Im März 1939 traf ich in London meine alten Freunde Otto Brichacek und Berta Grassl. Zu dieser Zeit war gerade in London das „Austrian Centre“ eröffnet worden. Wir beschlossen eine Jugendgruppe zu gründen die wir „Young Austria“ nannten und die sich alsbald zu einer Jugendorganisation mit Gruppen in allen Städten Englands entwickelte. Zuletzt hatten wir 1.500 Mitglieder.

Wir wollten den in Großbritannien gestrandeten jungen Menschen, die zumeist der englischen Sprache nicht mächtig, zum erstenmal in ihrem Leben allein und in größter Sorge um das Schicksal ihrer Eltern und Geschwister sich selbst überlassen waren, einen Rückhalt und frischen Mut im Leben geben. Wir bildeten eine verschworene Gemeinschaft des Kampfes zur Befreiung unserer Heimat, aus der wir von den Nazis vertrieben wurden.

„Young Austria“ leistete eine große politische und kulturelle Arbeit für Österreich und forderte dessen Wiederherstellung nach Ende des Krieges. Ein Jugendchor sowie eine Spielgruppe traten in großen Veranstaltungen auf und warben unter der britischen Bevölkerung um Unterstützung für ein freies Österreich. Das Kriegsziel war zu dieser Zeit unter den Alliierten noch umstritten, erst im Moskauer Memorandum vom Herbst 1943 einigten sich die Alliierten in Bezug auf Österreich auf folgenden Passus:
Wenn Österreich in den alten Grenzen wiedererstehen soll, muss
das österreichische Volk selbst auch einen Beitrag dazu leisten.

Den Erlös großer Konzerte und Kulturveranstaltungen, sowie Einnahmen einer Geldsammlung verwendeten wir unter anderem für den Ankauf einer fahrbaren Kantine für die britischen Streitkräfte. Wir übergaben diese dem Premierminister Churchill. Der „Völkische Beobachter“ das zentrale Organ Hitlers beobachtete offenbar unsere Tätigkeit, denn in der Ausgabe vom 20. Februar 1942 war auf der Titelseite ein hasserfüllter Artikel erschienen indem von der Übergabe der Kantine an Churchill berichtet wurde und dessen Überschrift lautete: „Churchill verspricht galizischen Juden ein freies Österreich“. Tatsächlich lobte Churchill unseren Einsatz für unsere Heimat Österreich und versprach zum erstenmal, dass Österreich in den alten Grenzen wiedererstehen wird.

Vor Kriegsbeginn lebten in England etwa 30.000 Österreicher und das Austrian Centre war der Treffpunkt für Alle. Es gab ein Wiener Restaurant, eine große Bibliothek mit Lesesaal, ein Theater mit täglichen Vorstellungen, Vorträge, eine eigene Zeitung, etc. Viele prominente Wissenschaftler und Künstler unterstützten uns, so auch Sigmund Freud, der Ehrenpräsident des Austrian Centre.

Das FAM war der nationale Zusammenschluss aller österreichischen Gruppierungen und aller Österreicher mit Ausnahme des „London Büro der österreichischen Sozialdemokraten“, unter Führung von Oskar Pollak, der wie Karl Renner für ein Großdeutschland eintrat, welcher den „Anschluss“ als historischen Fortschritt bezeichnete.

Als im Juni 1943 das britische Kriegsministerium grünes Licht gab, dass wir jungen Österreicher in die britischen Streitkräfte eintreten dürfen, rief ich als Vizevorsitzender von „Young Austria“ alle jungen Österreicher auf, sich zu einem bestimmten Zeitpunkt gleichzeitig bei den Rekrutierungsämter einzufinden. Diesen Aufruf sind etwa 600 junge Österreicher gefolgt. Alle Tageszeitungen brachten auf der Titelseite große Bildberichte über die Hunderte in Schlange stehenden jungen Österreicher, die in die britischen Streitkräfte eintreten und für die Niederlage Hitlers und die Freiheit ihres Landes kämpfen wollen.

Es hat 62 Jahre bedurft, bis das sich die Wiener Landesregierung entschloss die nur mehr noch 15 lebenden Wiener Freiheitskämpfer, die in der britischen Armee ihr Leben für die Befreiung Österreichs und die Beseitigung der Hitlerherrschaft eingesetzt haben, zu ehren. Diese Ehrung fand am 1.Juni 2007 statt und wurde von der gesamten eingeladenen Presse, dem ORF aber auch von der Wiener Rathauskorrespondenz totgeschwiegen. So sieht es also in Wirklichkeit mit der Aufarbeitung der Geschichte aus. Man wagt es noch immer nicht Freiheitskämpfer zu ehren und ein Bundesrat der BZÖ blieb ungeschoren als er öffentlich aussprach, dass Deserteure Soldatenmörder seien. Es bleibt noch viel an Aufklärungsarbeit zu leisten übrig.

Freiheit, Genossinnen und Genossen!