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Linke lehnt Vertrag von Lissabon im EU-Parlament ab

  • Monday, 3. March 2008 @ 20:11
Europa Auf der Grundlage eines gemeinsam von dem PSE-Abgeordneten Richard Corbett und dem Konservativen Inigo Medez de Vigo eingebrachten Berichts hat das Parlament am 20. Februar 2008 einen Beschluss gefasst, in dem der Lissabonner Vertrag ausdrücklich "unterstützt" und die Notwendigkeit betont wird, dass "alle Mitgliedstaaten der Union ihn so rechtzeitig ratifizieren, so dass er zum 1. Januar 2009 in Kraft treten kann." Die Tatsache, dass der Lissabonner Vertrag der fast unveränderte Verfassungsvertrag ist, dieser aber bei Volksabstimmungen in Frankreich und in den Niederlanden durchfiel, war für die Mehrheit des Parlaments nicht einmal eine Erwähnung wert. Auch die Tatsache, dass der Lissabonner Vertrag, anders als der Verfassungsvertrag nicht mehr von einem Konvent, sondern wie in früheren Zeiten von einer hinter verschlossenen Türen tagenden Regierungskonferenz ausgearbeitet wurde, war für die Abgeordneten nicht der Kritik würdig. Dazu hieß es in dem Bericht lediglich lapidar, dass der Vertrag "das Ergebnis traditioneller Methoden der Regierungszusammenarbeit war". Geheimdiplomatie also als eine "traditionelle Methode der Regierungszusammenarbeit" - wir haben verstanden.

Unerwähnt im angenommenen Bericht blieb auch, dass eine der wesentlichen Gründe für die Ablehnung des Verfassungsvertrages die Sorge vieler Bürgerinnen und Bürger in Frankreich und in den Niederlanden war, dass der soziale Zusammenhalt in einem Europa des neoliberalen Binnenmarktes mehr und mehr zerstört wird. Direkt nach den Volksabstimmungen war diese Sorge den Eliten Europas noch sehr wohl bewusst. Damals forderte denn auch Angela Merkel, dem Verfassungsvertrag ein Sozialprotokoll anzufügen. Davon ist jetzt allerdings keine Rede mehr. In dem vom Parlament angenommenen Text wird dieses Sozialprotokoll nicht einmal mehr erwähnt.

Die Linke im Europäischen Parlament (die KPÖ ist Mitglied in der Europäischen Linkspartei) hat den Bericht über den Vertrag von Lissabon und damit auch den Vertrag selbst so gut wie geschlossen abgelehnt, "vor allem weil darin keine Fortschritte in Richtung auf ein soziales Europa und die Demokratie vorgeschlagen werden, die Liberalisierung zum Nachteil insbesondere der öffentlichen Dienste und der Beschäftigung beschleunigt wird und die Militarisierung der Europäischen Union vorangetrieben wird" (vgl. Änderungantrag Nr. 31).

In ihrem Änderungsantrag Nr. 36 wies sie darauf hin, dass "die Bestimmungen der derzeitigen Verträge, auf die sich der Gerichtshof vor kurzem gestützt hat, um Sozialdumping zu rechtfertigen und Arbeitskampfmaßnahmen der Arbeitnehmer der Wahrung der Dienstleistungsfreiheit unterzuordnen (Urteile Vaxholm und Viking Line), vollständig in den Vertrag von Lissabon aufgenommen wurden." Und sie forderte, "dass das Recht auf Arbeitskampfmaßnahmen im ausschließlichen Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten verbleibt."

Die von Sozialdemokraten und Grünen verbreitete Hoffnung, dass sich durch die eine oder andere kosmetische Änderung im Vertragstext etwas an der wirtschafts- und sozialpolitischen Orientierung der Europäischen Union ändern wird, ist auf Sand gebaut. Wer wirklich ein anderes, demokratisches, soziales und friedliches Europa will, muss vielmehr diesen Lissabonner Vertrag zurückweisen.

(aw)