Willkommen bei KPÖ Wien Tuesday, 28. December 2021 @ 18:40

Die KPÖ in der Regierung – Opposition und Verantwortung

  • Thursday, 27. November 2008 @ 20:54
Österreich 1945 träumten viele KommunistInnen in Österreich davon, nun endlich, nach dem Sieg über den Nationalsozialismus, Teil der Macht zu werden und die damals schon 27 Jahre andauernde Oppositionsrolle zu überwinden. Gemessen an ihrer tatsächlichen Verankerung in der Bevölkerung waren diese Träume irreal.

Die Präsenz der KPÖ in der Regierung war überproportional hoch im Vergleich zum Wählerpotential. Und doch war diese kurze Phase zwischen 1945 und 1947, als die KPÖ Teil der Regierung war, für die österreichische Nachkriegsgeschichte prägend. Mit dem Zeitzeugen Kurt Hacker, der als junger Mann Auschwitz überlebt hatte und später als Polizeijurist hoher kommunistischer Staatsfunktionär war, sprach Susanne Kowarc 1998 über die Frage, welche Rolle der KPÖ als Regierungspartei zukam. Wie war die Situation für die Partei im Mai 1945?

Es gab zwei Probleme. Zunächst mußte man überleben und zweitens am Aufbau mitwirken. Ohne daß wir damals irgendwelche theoretische Überlegungen austauschen mußten, war es jedem von uns klar, daß man mit aller Kraft etwas zu tun hat, um zu helfen. Alle sollten da mitwirken, worunter alle politischen Kräfte zu verstehen waren, die sich demokratisch neu bildeten. Die Einschätzung der Kommunisten zu ihrer Stärke war damals sicher falsch, ich beziehe mich auf ein Gespräch, das ich mit Ernst Fischer gehabt habe, der das Wählerpotential für die KP auf 20 Prozent schätzte. Davon ausgehend waren wir überzeugt, daß wir mitbestimmende Kraft sein müßten. Aus dem moralischen Gewicht heraus war für uns selbstverständlich, daß in Österreich alles zu tun war, damit dieser Staat lebensfähig werden und auch bleiben würde. Uns Kommunisten wurde das Staatssekretariat für Inneres zugebilligt, besetzt durch Honner und das Staatssekretariat für Unterricht, besetzt mit Fischer, Koplenig wurde stellvertretender Staatskanzler.

Nun begann man mit den ersten vielfältigen Aufgaben: Honner hatte eine vollkommen neue Polizei zu schaffen, da die alte Polizei in den Augen der Bevölkerung diskreditiert war. Es galt also, Kader zu bilden, die Honner natürlich mit ihm nahestehende Leuten besetzte. Darunter verstand man nicht nur Kommunisten an sich, sondern auch Leute, von denen man wußte, daß sie auf keinen Fall mit den Nazis in irgendeinen Zusammenhang zu bringen waren.

Also auch andere politisch Verfolgte...

Natürlich. Sicher war, daß es sich um Leute gehandelt hatte, denen man bei den ersten Aufgaben Vertrauen schenken konnte. Honner war eine bestimmende politische Kraft. Auch nach seinem Ausscheiden aus der provisorischen Regierung waren die Kommunisten nicht verschwunden. Doch mit dem Kalten Krieg setzte die Kritik an der Honnerpolizei ein und die Versuche, die maßgeblichen Stellen in der Polizei, soweit sie von Kommunisten besetzt waren, durch andere abzulösen.

Ähnliches spielte sich im Unterrichtsministerium ab. Da brachte Fischer alle jene Erfahrungen ein, die er seinerzeit als Sozialist gemacht hatte. Die Universitäten nahmen schon im Sommersemester 1945 den Betrieb auf. Eine Idee Fischers war, daß Studenten Schutt wegräumen sollten. Die Gebäude waren ja oft fast völlig zerstört. Das Unterrichtsministerium hatte auch die Kulturarbeit zu leisten.

Fischer forcierte das Wiederbespielen der Theater, die ersten Buchveröffentlichungen. Er selbst spielte zusätzliche Rolle bei der ersten Zeitung Das Neue Österreich , das einige Wochen hindurch das einzige Organ war außer den von den Besatzungsmächten herausgegebenen Zeitungen. Da hat der Geist eines demokratischen Konsenses eine Rolle gespielt, die Zeitungen haben die Verbrechen des Nationalsozialismus aufzuzeigen begonnen.

Welche infrastrukturellen Maßnahmen wurden noch in Angriff genommen?

In der Landwirtschaft hatten wir den Unterstaatssekretär Laurenz Genner, der vor allem in Niederösterreich, wo er als Sozialist schon vor 1934 aktiv gewesen war, versuchte, von den Großgütern abzugehen und den kleinen bis mittleren Bauern jeweils nach ihrer Kraft Land zum Bebauen überlassen wollte. Das war eine doppelte Notwendigkeit: Erstens eine ideologische Selbstverständlichkeit, zweitens galt es, Lebensmittel zu beschaffen. Die Einrichtung von Kollektiven wurde nicht forciert.

Was änderten die Wahlen im November 1945 für die Situation der KPÖ?

Diese Wahlen waren sehr enttäuschend – statt erwarteter 20 gab es kaum 5 Prozent. In der Regierung Figl war die KP durch Energieminister Altmann vertreten. Er entwickelte einen Elektrifizierungsplan Österreichs, fußend auf den vorhandenen Ressourcen inklusive den von den Nationalsozialisten geschaffenen, begonnenen oder geplanten E-Werken, wie etwa Kaprun. In den Unterstaatssekretariaten hatten die Kommunisten oft wesentlichen Anteil am Erfolg.

Hella Postranecky etwa war Unterstaatssekretärin für Ernährung. Sie war die erste Frau in einem österreichischen Regierungsamt. Gemeinsam mit den Bürgermeistern kleinerer Gemeinden hat sie Lebensmittel ausfindig gemacht – etwa Kartoffellager, die sie mit Hilfe der Eisenbahn nach Wien schaffen ließ. Das war gar nicht so einfach, denn man mußte sich auch gegenüber der sowjetischen Besatzungsmacht durchsetzen, die ja schließlich auch Lebensmittel brauchte. In dieser Situation war es die Kraft der Kommunisten, die Sowjets davon zu überzeugen, daß man diese Lebensmittel der Bevölkerung geben muß.

Hier spielte auch Honner eine Rolle, der als Kohlebergbauarbeiter und Gewerkschafter aus Grünbach bekannt war: Er hat Kohle organisiert – vor allem für Schulen und Spitäler aber auch für private Haushalte.

Wir hatten, abgesehen von den Staatssekretariaten, auch Funktionäre in den Landesregierungen - etwa Viktor Matejka. Er versuchte als einziger Politiker, die Emigranten zur Rückkehr nach Österreich zu bewegen.

Teile der Arbeit der Kommunisten wurde dann ab 1945, verstärkt ab 1947, von bürgerlichen und sozialdemokratischen Ministern weitergeführt. Diese Errungenschaften wurden nicht als kommunistische Machenschaften abgelehnt, sondern allgemein als notwendig akzeptiert.

Dann kam der Bruch der KPÖ mit der Regierung im Jahr 1947...

Der Abgang Altmanns aus der Regierung erfolgte, als Österreich sich entschloß, die Marshallplanhilfe anzunehmen. Für uns war das unakzeptabel, Österreich mache sich damit von den USA abhängig.

Natürlich war schon vorher versucht worden, Altmann aus der Regierung zu entfernen. Er fühlte, daß kein Konsens mit den Regierungspartnern mehr bestand. Noch bei der Bildung der Personalstände hat Altmann als Verhandlungspartner die zumindest teilweise Beibehaltung kommunistischer Amtsträger eingebracht. Es wäre nicht möglich gewesen, daß die KP aus ihrer Tradition im Widerstandskampf nicht an der Entnazifizierung teilgenommen hätten. Die Oppositionsrolle gab es als politische Überlegung daher nie.

Also ist das Argument, daß die Oppositionsrolle eigentlich den KommunistInnen auf den Leib geschneidert worden ist, nicht richtig?

Damals nicht. Oppositionell heißt, gegen alles sein, was subjektiv, also für die arbeitenden Menschen falsch ist - aber alles unterstützen, was für richtig empfunden wird. 1945 haben es Kommunisten also als selbstverständlich empfunden, den Aufbau führend mitzugestalten. Wir haben in den ersten Monaten niemals eine Oppositionsrolle diskutiert. Nachher, als wir schwächer geworden sind, haben wir uns schon die Frage, welche Rolle wir im bürgerlichen Staat spielen, gestellt.

In den ersten Monaten ging es also darum, Infrastruktur ins Land zu bringen. Das ist aber nichts primär Kommunistisches. Auch eine bürgerliche Regierung hätte die Universitäten wieder aufgebaut.

Aber daß Kommunisten es mitgetragen haben, ist ein Beweis für den Aufbauwillen. Die Frage des bürgerlichen Gedankengutes in der österreichischen Politik war solange zweitrangig, als nicht entschieden war, wie sich die Verhältnisse in Europa weiter gestalten würden.

Natürlich begrüßten die Kommunisten die Veränderungen in Osteuropa. Es ist ja auch den österreichischen Kommunisten nachher wiederholt vorgeworfen worden, sie hätten versucht, Volksdemokratien einzurichten. Diese Frage kann man weder mit Ja noch mit Nein beantworten. Sicherlich haben die Kommunisten versucht, ihr politisches Gedankengut einzubringen. Es gab im Sommer 1945 Verhandlungen zwischen Kommunisten und Sozialisten zur Bildung einer gemeinsamen Plattform

Es hat also vor allem zwei Dinge gegeben, an denen die KP führend beteiligt war: Die Entnazifizierung und als zweites die Frage der Industrialisierung. Als du Altmanns Energieprogramm erwähntest, fiel mir das alte Stichwort ein: Sozialismus ist Elektrifizierung plus Sowjetsystem. Was also zum Sozialismus in Österreich fehlte, war das Sowjetsystem.

Eine grundsätzliche Sache: Es gab keine Überlegungen der Kommunisten, ein Sowjetösterreich aufzubauen. Der Ausdruck war absolut nicht gebräuchlich. Es ist nicht darum gegangen, die Sowjetunion blind nachzuahmen. Als Polizist war ich doch einer der gut informierten Leute. Während des Oktoberstreiks gab es keinen Wunsch der sowjetischen Besatzungsmacht, Teile Österreichs abzutrennen und einen Eisernen Vorhang wie in Deutschland aufzubauen. Wenn sie das gewollt hätten, hätten sie mit ihrer damaligen militärischen Kraft sicher anders gehandelt.

Eigentlich ist die Tradition der Partei eine des Widerstandes, weil diese 80-jährige Geschichte der KPÖ fast ununterbrochen eine Geschichte des Widerstandes war und nur unterbrochen wurde von gut zwei Jahren, in denen die KP eine Mitbeteiligungsgeschichte schrieb. Ist die KPÖ eher eine Partei der Opposition oder der Beteiligung – über 80 Jahre hinweg gesehen?

Von der Geschichte aus gesehen war die Partei bis auf diese beiden Jahre eine oppositionelle Gruppe innerhalb der Arbeiterbewegung. Trotzdem war anfangs die Hoffnung vorhanden war, daß die Kommunisten noch etwas weiter bringen in der Regierung. Am Beginn standen Erklärungen auch seitens konservativer Politiker, ein revolutionäres Österreich gründen zu wollen. Das konnten wir mittragen. Natürlich waren das Alibierklärungen, und so ist der Einfluß der Kommunisten geringer geworden – nicht zuletzt auch, weil sie sich übertölpelt gefühlt haben.

Es scheint, also ob 1945 die Kommunisten die Bürgerlichen mit Glacéhandschuhen angefaßt hätten, im Vergleich zur Zeit des Ständestaates. Und nun saßen sie in einer Regierung inklusive ehemaligen Vertretern dieses verhaßten Ständestaates. Da war doch der revolutionäre Pathos auf einmal weg. War das der vielbeschworene Geist der Lagerstraße?

Das ist auch ein Mythos. Die Österreicher in Mauthausen haben zum Beispiel einen Aufruf zum Wiederaufbau Österreichs verfaßt, der später auch von Politikern aller Lager unterzeichnet wurde. Sowjetösterreich war bei den Kommunisten genauso wenig Thema wie die Frage, den katholischen Ständestaat wieder aufzumachen. Beide Seiten haben also gelernt.

Kurt Hacker, geboren 1920 in Wien, wurde in die Deutsche Wehrmacht eingezogen und begann während des Westfeldzuges mit der Verbreitung geheim hergestellter Druckschriften. Nach seiner Verurteilung saß er in verschiedenen deutschen Zuchthäusern und wurde schließlich ins KZ Auschwitz überstellt. Im Jahr 1945 schloß er sich als Kommunist der neu gegründeten österreichischen Polizei an und galt als einer der „Honnergardisten“. Ab Mitte der 70er Jahre war er verantwortlicher Leiter der Gedenkstätte Mauthausen.