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Von Hollywood bis Hanoi

  • Sunday, 16. December 2007 @ 12:24
International Unselbständig Beschäftigte wollen mehr als Brösel haben: Streiks nehmen weltweit zu. Einige Schlaglichter, ohne irgendeinen Anspruch auf Vollständigkeit Seit 5 Wochen sind die Textschreiber für Hollywood und die US-Unterhaltungsindustrie im Streik. (http://www.forbes.com/feeds/ap/2007/12/05/ap4409937.html?partner=alerts). Die Auswirkungen des Ausfalls diverser Shows und laufende Wiederholungen von Unterhaltungssendungen in den USA mögen vielleicht manchen eine schwere Strafe sein. Weltweit gibt es noch wesentlich folgenschwere Abwehraktionen von unselbständig Beschäftigen:

Kürzlich haben die Lokführer in Deutschland durch Streikaktionen ihr geringes Einkommen verbessern können (Ohne Unterstützung der Gesamtgewerkschaft, die die Privatisierung der deutschen Bahn begrüßt!) Auch in Ungarn haben die Eisenbahner vor 2 Wochen die Rücknahme der Einstellung der Regionalbahnen erreicht. Auch in England, Italien und Frankreich gab es ausgedehnte Bahnstreiks.
Nach Jahrzehnten stehen derzeit sogar die Beschäftigen von AMTRAK (US-Eisenbahn-Personenverkehr) vor einem Streik
(http://www.forbes.com/feeds/ap/2007/11/28/ap4382145.html?partner=alerts)

Nahe Hanoi in Vietnam haben in einer der berüchtigten riesigen Nike-Fabriken (dort wurde bis zu 84 Stunden unter gesundheitsgefährdenden Bedingungen gearbeitet) durch einen Streik eine Inflationsabgeltung von 3 € zusätzlich zu 46 € (im Monat!!) und eine Verbesserung des Kantinenessens erreicht. NIKE hat die Profite übrigens gerade um 51 % erhöht. Die Lohnkosten der Produktion in Vietnam, China, Bangla Desh oder Indonesien machen bei NIKE übrigens etwa 2 % der Verkaufspreise der Schuhe aus.
(siehe: http://www.forbes.com/feeds/ap/2007/11/29/ap4386080.html?partner=alerts und
http://www.forbes.com/feeds/ap/2007/12/03/ap4397047.html?partner=alerts )

In China sind gerade in etlichen Millionenstädten die (de facto unselbständigen) derzeit in einem Streik. Sie verdienen 100 € im Monat
(Taxi Strike Hits Northeastern China: http://www.forbes.com/feeds/ap/2007/12/05/ap4407920.html?partner=alerts)

Zähneknirschend hat vor über einem Jahr ausgerechnet der US-Handelsriese Wal-Mart akzeptieren müssen, dass in seinen zahlreichen Mega-Märkten in China Gewerkschaftsgruppen eingerichtet wurden; wobei gerade Wal-Mart, von den Beschäftigten her die größte Firma der Welt, immer so stolz war, „gewerkschaftsfrei“ zu sein

Einen eigenen Bericht wären die zahlreichen Streiks schon seit längerem in diversen Bergwerken rund um die Welt wert. Sie werden oft mit großer Erbitterung geführt, aber zuletzt immer öfter erfolgreich (weil die Preise für Rohstoffe so stark gestiegen sind, dass die Grubenherrn um des Profits willen dann doch lieber nachgeben). Nur zwei Beispiele: In einem US-Kohlenbergwerk haben die Arbeiter vor kurzem nach dreijährigem (!!)Streik wegen willkürlicher Personalpolitik einen Sieg errungen, währenddessen sie laufend Streikposten standen (Mine Workers Celebrate Massey Victory http://www.forbes.com/feeds/ap/2007/11/29/ap4386850.html?partner=alerts)

In sämtlichen südafrikanischen Minen (und das sind nicht wenige) fand vorige Woche das erste Mal überhaupt ein gemeinsamer Streik statt. Der Grund: die unsicheren Arbeitsbedingungen, die letztes Jahr zu 199 Toten führten. ( Das ist übrigens aber eine geringe Zahl angesichts 5986 verunglückter Bergleute in China 2005, hauptsächlich in privaten Kohlegruben, besser gesagt Kohlehöhlen; gestern sind gerade wieder über 100 Bergleute auf einmal in China gestorben http://english.people.com.cn/90001/90776/90882/6317132.html ). - Bergleute werden durch die Arbeitsbedingungen überall mehr krank und sterben früher.

Selbst in Dubai hat vor etwa einem Jahr der erste Streik seit Menschengedenken stattgefunden. Die asiatischen Arbeitskräfte, die bisher aus Angst vor jederzeitigem Abschub, auf der größten Baustelle der Welt, u.a. beim Bau des höchsten Turms der Welt, zu Niedrigstlöhnen schuften, während die Scheichs prassen, haben die Angst verloren, und gemeinsam etwas mehr Sicherheit erreicht.

Auch am Balkan, wo seit vielen Jahren gewisse Kräfte erfolgreich die Zugehörigkeit zu (eng verwandten) Volksgruppen in den Vordergrund stellen konnten, kommen die gemeinsamen Interessen, das Bewusstsein der Solidarität und der Stärke durch gemeinsames Handeln wieder in den Vordergrund:

Dazu kurz was Persönliches: Im größten Stahlwerk der früheren jugoslawischen Staaten, in Zenica in Bosnien, kam ich unverhofft in einen Streik: Die Arbeiter verdienen dort 1€ (in der Stunde) und wollten 25 % Erhöhung haben, zumal der weltweit bei Stahl dominierende Mittal Konzern das Werk vom Staat quasi geschenkt bekam, hohe Profite schreibt, und der Konzernboss Lakshmi Mittal einen aufreizenden Luxus demonstriert. Die Antwort des Mittal-Konzern war der Versuch der Kriminalisierung der Gewerkschaftsführung, was letztlich zu einer nur geringen Erhöhung führte.

Hintergründe für diese globale Entwicklung sind:
* Die Industrialisierung auf breiter Front und die dadurch entstehende Nachfrage vermindert die Angst vor Folgen von Gegenwehraktionen.
* Zunehmende Preissteigerungen in fast allen Ländern verringern das Lebensniveau breiter Kreise. Die rasanten Preiserhöhungen nicht nur bei Öl, landwirtschaftlichen Gütern und vielen anderen Grundstoffen zeigen zunehmende Verteilungskonflikte
* Die schamlose Bereicherung eines kleinen Teils der Menschheit bleibt zunehmend nicht unwidersprochen

(Im Standard vom 6. Dezember wird berichtet, dass der Porsche-Chef W. Wiedekind einen Jahresgehalt von 43 Millionen € - etwa das 1000-fache des Durchschnittseinkommens - bezieht und dazu sagt: „Wenn ich Erfolg habe, möchte ich auch gut bezahlt werden.“ – Die „Umwelt“-Erfolge von Porsche wären übrigens ein eigenes Thema.)

Zu Österreich wäre auch einiges zusagen, doch das ein anderes Mal. Positiv gesehen: es hat schon seine Vorteile, wenn mensch sich zumindest des Lebens sicher ist. Gerade deshalb sollte Solidarität selbstverständlich sein. „Via Campesina“ ist ein guter Ansatz globaler Solidarität.

Das Leben von GewerkschafterInnen oder anderen BasisaktivistInnen ist in etlichen Teilen der Welt nicht sehr sicher, vor allem in Südamerika.


Mit ökosolidarischen Grüßen
Josef Baum