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EU-Verfassung: Auch die Grünen sind weiterhin gegen eine Volksabstimmung

  • Thursday, 27. September 2007 @ 12:49
Europa Nicht nur die SPÖ mauert, wenn es um die Neuauflage der kosmetisch veränderten EU-Verfassung geht. Auch die Grünen sprechen sich weiterhin gegen eine Volksabstimmung in Österreich aus. Und auch bei den einstmals für Ihre Basisdemokratie so gerühmten Grünen werden alle Abgeordneten von der Parteiführung auf "Linie" gebracht. Das "Dialogbüro" hat die "Ermächtigung" im Namen aller Abgeordneten die Position darzulegen - Differenzen und Nuancen im Detail gibt es bei dieser wichtigen und komplexen Fragen bei den Grünen offenbar keine mehr.

Vielen Dank für Ihr mail, auf das wir gerne im Auftrag und Namen aller Grünen Abgeordneten, die von Ihnen angeschrieben wurden, antworten:

Die EU wird durch den Reformvertrag demokratischer und bürgernäher - ein Aspekt, der den Grünen seit jeher ein heiß umkämpftes Anliegen ist, etwa was die Rechte des Europaparlamentes betrifft. Der Vertrag bringt viele Fortschritte hinsichtlich Gewaltenteilung und Grundrechten, die nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden sollten. In der Sache gibt es aus grüner Sicht in allen Bereichen mehr Fortschritte gegenüber den bisherigen Verträgen als Rückschritte. Stichworte Bekenntnisse zum Vollbeschäftigungsziel und zu sozialer Marktwirtschaft und zur strikten Einhaltung der UN-Charta. Natürlich würden wir Grüne uns einen "Grünen" Reformvertrag wünschen, aber als politische Partei müssen wir auch sehen, was realistisch machbar ist, mit Regierungen wie der polnischen oder der britischen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht einmal die Grundrechtscharta voll unterschreiben wollen!

Die von Ihnen so genannte Aufrüstungsverpflichtung besteht bereits im Verfassungsvertrag lediglich für jene Länder, die im Rahmen der strukturierten Zusammenarbeit sich zu einem militärischen Kerneuropa bekennen. Die Grünen treten gegen die Bildung eines solchen Kerneuropas und für die Beibehaltung der Neutralität sowie für eine aktive Neutralitätspolitik ein. Dies wäre mit dem EU-Verfassungsvertrag möglich gewesen und wird auch bei Inkrafttreten des Reformvertrages der Fall sein - genauso wie dies für die anderen neutralen bzw. bündnisfreien EU-Staaten Finnland, Schweden, Irland und Malta gilt. Eine Beistandsverpflichtung besteht im Gegensatz zu Ihrer Behauptung keineswegs. In der Rüstungsagentur - dann Verteidigungsagentur - ist Österreich bereits heute vertreten, und ohne dass dafür eine Rechtsgrundlage besteht!

Österreich hat ein repräsentativ-demokratisches System und Volksabstimmungen sind darin nicht als allgemein übliches Verfahren wie in einigen anderen EU-Mitgliedsstaaten vorgesehen. Wir Grüne treten für eine möglichst breite und intensive öffentliche und parlamentarische Debatte im Zuge der Beschlussfassung ein - und werden diese Debatte auch selbst offensiv mitgestalten. Volksabstimmungen sind für uns Grüne zwar ein gutes demokratisches Mittel, nicht jedoch um den Preis des Schürens von Ausländerfeindlichkeit und Rassismus sowie nationalistischen Gedankengutes, wie dies die FPÖ schon jetzt ankündigt. Die FPÖ ist übrigens derzeit die einzige österreichische Parlamentspartei, die für eine Volksabstimmung und gegen den Reformvertrag ist. Eine Volksabstimmung wäre in diesem Lichte ein Freibrief für ein weiteres Aufhetzen von Strache und Co. Das können wir Grüne nicht zulassen. Abgesehen davon sind die Grünen immer - und tun dies auch weiterhin - für eine europaweite Volksabstimmung oder zumindest Volksbefragung (da einige EU-Mitgliedsstaaten ja keine nationale Volksabstimmung gesetzlich vorgesehen haben) eingetreten - etwas, was zu Zeiten von Schwarz-Blau Bundeskanzler Schüssel verhindert hat (denn im Konvents-Entwurf war dies vorgesehen). Jetzt ist beides angesichts der Positionen einiger Regierungen völlig unrealistisch.

Der Reformvertrag hat übrigens durch das vorbereitende Verfahren in Konvent, Regierungskonferenz und nationale Ratifikationsprozesse die breiteste Legitimation von allen europäischen Rechtsakten. Hinzu kommt, dass die Garantie des Art. I-5 EU-Verfassungsvertrags („die EU achtet die grundlegende politische und verfassungsrechtliche Struktur ihrer Mitgliedstaaten“) aus österreichischer Sicht als Anerkennung der Baugesetze der österreichischen Bundesverfassung - also Beibehaltung der Neutralität - verstanden werden muss. Es fehlt derzeit auch an Anhaltspunkten, dass mit der ausdrücklichen Fassung des Vorranges des Unionsrechtes vor nationalem Recht ein „grundlegender Qualitätswandel“ zur bisherigen Rechtslage verbunden ist, die eine nationale Volksabstimmung rechtfertigen bzw. aus verfassungsrechtlicher Sicht notwendig machen würde.

Mit freundlichen Grüßen Ihr Dialogbüro der Grünen

Dialogbüro Grüner Klub im Parlament 1017 Wien www.gruene.at