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Solidarität mit dem irakischen Volk heißt heute zivile und demokratische Initiativen zu unterstützen

  • Friday, 4. May 2007 @ 12:36
Die KPÖ-Wien Rede von Fuad Jaber, für die Irakische Kommunistische Partei in Österreich, bei der 1. Mai-Kundgebung 2007 in Wien Liebe Genossinnen und Genossen,

Der erste Mai als internationaler Kampftag der Arbeiterklasse war auch für uns als Irakische Kommunistische Partei immer ein zentraler Tag unseres politischen Kampfes. Als eine der ältesten kommunistischen Parteien im Nahen Osten und die älteste noch existierende irakische Partei überhaupt, blicken wir dabei auf eine lange wechselhafte Geschichte zurück, die eng mit der Geschichte unseres Landes verbunden ist, eine Geschichte in der wir stolz auf unseren Kampf um einen demokratischen Irak sind, in der wir aber auch auf manches kritischer zurückblicken müssen.

Wie Sie wissen macht der Irak zur Zeit eine der schwierigsten Phasen seiner Geschichte durch. Unsere Genossen im Irak, unsere Familien und Freunde, leben in einem Land, in dem sie täglich Opfer von Terror oder ethnisierter Gewalt werden können. Der Irak ist heute ein Land, das sowohl unter der Besatzung US-amerikanischer und britischer Truppen leidet, als auch unter dem Terror islamistischer und baathistischer Fanatiker, die das Land in einen Bürgerkrieg getrieben haben, in dem sich viele Irakerinnen und Iraker nur noch als Angehörige einer bestimmten religiösen oder ethnischen Gruppe sehen und keine Verantwortung mehr für das Land als gemeinsamen Staat übernehmen wollen oder können. In so einer Situation sind es immer die reaktionärsten und brutalsten Kräfte, die sich durchsetzen. Kein Wunder also, dass sich in so einem Land auch die Linke in einer schweren Krise befindet.

Eine Partei, die sich wie wir auf gemeinsame Interessen und eine gemeinsame Ideologie beruft und nicht nur der verlängerte Arm einer Religionsgruppe oder bestimmter Stammesstrukturen ist, kann sich in der gegenwärtigen Gewaltsituation kaum durchsetzen. Das heißt aber nicht, dass die bewaffneten Banden, seien sie nun in der Regierung oder gegen die Regierung, auch das wären, was sich die irakische Bevölkerung wünschen würde. Als wir Ende März den 73. Jahrestag unserer Parteigründung begingen, gingen allein in Bagdad trotz der weit verbreiteten Angst vor Terroranschlägen 10.000 Menschen auf die Straße, um mit uns nicht nur die Gründung unserer Partei zu feiern, sondern vor allem auch ein starkes Zeichen für die Zukunft zu setzen.

In allen Städten des Irak, in Nasseriyah, Diwaniah, Basra, Sulemaniya, Hilla, Kut, Najaf, Kerbala oder Halabja gingen die Menschen mit uns auf die Straße und setzten damit ein Zeichen. Die tausenden Menschen, die mit uns diesen Jahrestag feierten, zeigten damit nicht nur ihre Sympathien für unsere Partei, sondern setzten damit vor allem auch ein Zeichen gegen die Ethnisierung und die Politik reaktionärer islamistischer Kräfte, seien es nun schiitsche oder sunnitische Banden, die das Land mit Einschüchterung und Gewalt überzogen haben. Sie setzten damit ein Zeichen, dass der Irak politische Kräfte braucht, die sich dem Druck der Ethnisierung und der Gewalt widersetzen und sie setzten damit ein Zeichen für einen gemeinsamen, demokratischen und unabhängigen Irak.

Das Klima der Gewalt, das nach 35 Jahren blutiger Diktatur des Baath-Regimes und nach 4 Jahren nicht weniger blutiger Besatzung, Terror und Bürgerkrieg unser Land beherrscht, hat zu einer Verrohung geführt, der wir das Bemühen entgegen setzen, unser Land zu retten und einen funktionierenden demokratischen Staat aufzubauen. Wie sehr der Irak unter dieser Gewalt leidet, zeigen die mittlerweile alltäglichen Ereignisse der Gewalt. Entführungen, Anschläge gegen Schulkinder, Märkte oder kulturelle Veranstaltungen sind in vielen Teilen des Irak an der Tagesordnung und haben dazu geführt, dass das Leben immer unerträglicher wird. Darunter leidet das gesamte irakische Volk, insbesondere aber jene, die die Wehrlosesten sind. Als Beispiel soll hier etwa die Gewalt gegen religiöse Minderheiten oder gegen Frauen erwähnt werden. Wo es statt eines funktionierenden Staates nur die Herrschaft von Banden und Clans gibt, gibt es auch keine Sicherheit für die Bewohnerinnen und Bewohner. Erst vor wenigen Tagen hat uns etwa der Fall einer Frau erschüttert, die von ihren eigenen Familienangehörigen öffentlich zu Tode gesteinigt wurde, weil sie sich in einen Mann verliebt hatte, der einer anderen Religionsgemeinschaft als ihre eigene Familie angehörte. Und dieser Mord aus angeblichen Gründen der „Ehre“ wurde wiederum von wahabitischen Islamisten dazu benutzt, zum Mord an den Angehörigen der betroffenen Minderheit aufzurufen. Das ist jedoch kein Einzelfall. Die UNO berichtete, dass allein in diesem Jahr bereits 40 Fälle von Ehrenmorden allein im kurdischen Autonomiegebiet des Irak bekannt wurden. In anderen Teilen des Landes kennen wir nicht einmal die Zahlen.

In solch einem Klima der Angst ist es nicht wenig verwunderlich, dass in den letzten Monaten rund zwei Millionen Irakerinnen und Iraker aus ihrem Land in die Nachbarstaaten geflüchtet sind oder aus besonders unsicheren Gebieten in vermeintlich sichere Regionen des Landes flüchteten. Die meisten dieser Flüchtlinge und Intern Vertriebenen müssen unter erbärmlichsten Bedingungen um ihr materielles Überleben kämpfen. Von den psychischen Verletzungen ganz zu schweigen.

Wenn wir Euch, liebe Genossinnen und Genossen, heute um Eure Solidarität mit dem irakischen Volk bitten, dann bitten wir euch auch darum konkrete Schritte zu unternehmen diesen Flüchtlingen zu helfen und Euch dafür einzusetzen, dass Europa vor diesem Elend nicht mehr die Augen und seine Staatsgrenzen schließt, sondern seiner humanitären Verpflichtung nachkommt.

Solidarität mit dem irakischen Volk heißt heute nicht irgendwelche Banden zu unterstützen, die behaupten „Widerstand“ zu leisten, in Wirklichkeit aber für das Elend und das Klima der Angst in diesem Land maßgeblich verantwortlich sind. Solidarität mit dem irakischen Volk heißt heute zivile und demokratische Initiativen zu unterstützen, die einen demokratischen Irak aufbauen wollen. Solidarität mit dem irakischen Volk heißt, sich für die Vertriebenen und Flüchtlinge einzusetzen und ihnen in Europa eine menschenwürdige Zuflucht zu bieten!
Für diese Solidarität möchten wir Euch danken und Euch bitten uns in dieser schweren Zeit nicht im Stich zu lassen.