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Packen wir´s an!

  • Sunday, 3. December 2006 @ 13:20
Auszüge aus dem Referat des neuen Landessprecher der KPÖ-Wien, Didi Zach.

Ich werde in meinen Referat auf 2 große Bereiche genauer eingehen - ich werde einerseits die zentralen Gedanken der Diskussionsgrundlage nochmals skizzieren. Zweitens werde ich allgemeine Anmerkungen zur Situation, von der ausgehend wir agieren, machen.

Was sind die zentralen Gedanken der Diskussionsgrundlage?

Erstens: Für Marx und Engels ist der Mensch “Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse“. Doch Menschen können zugleich Entscheidungen treffen, Taten setzen. Bei Marx heißt es: „Menschen machen ihre eigene Geschichte“ - wenn auch „unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen.“ „Geschichte machen Menschen. Menschen machen Geschichte“ ist auch das Motto unserer Landeskonferenz, in welcher wir die letzten Jahre unserer gemeinsamen Arbeit bilanzieren und uns über die kommenden Schritte - was das Grundsätzliche betrifft - verständigen wollen.

Zweitens: Erkenntnisse, die aus der Studierstube und unseren Besprechungen nicht den Weg auf die Straße und in die Öffentlichkeit finden, Erkenntnisse, die auf Papier niedergeschrieben und dann archiviert werden, sind nur für die Nachwelt und Historiker interessant. Es geht um Praxis, es geht um eine gemeinsame Praxis, es geht darum, im Vorwärts gehen - gemeinsam - zu lernen. Oder, um mit Marx zu sprechen, „Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt aber darauf an, Sie zu verändern.“ Doch wer nur verändert, ohne sich einen Kopf darüber zu machen, was seine Interventionen bewirken, wer nicht fragt, was die Grundlagen des Handelns und der Entscheidungen, die mann/frau trifft, sind, der/die wird auch Schiffbruch erleiden. Also geht es um die richtige Symbiose von Analyse, Theorie und Praxis.

Aktivität und Engagement in der Partei und für die Partei bewirkt, dass eine Partei lebt. Wobei unsere Partei natürlich kein Selbstzweck ist. Unsere Partei ist bzw. soll ein Instrument im Kampf für soziale Gerechtigkeit, Instrument im Kampf gegen Rassismus und Ausgrenzung und für eine Welt ohne Ausbeutung des Menschen und der Natur sein. Da wir unsere Ideen, Hoffnungen und Träume von einer anderen, einer besseren Welt verteidigen, da wir meinen, dass sich unsere Ideen, Hoffnungen und Träume auch in dieser Partei, in der KPÖ verkörpern, daher haben wir die KPÖ nicht aufgeben, daher haben wir nicht aufgegeben, zu kämpfen.

Unser aller Aktivität und unser aller Engagement sind die Basis dafür, dass wir hier und heute eine im Großen und Ganzen positive Bilanz über die letzten Jahre ziehen können - und dies obwohl „das Ende der KPÖ“ vor einigen Jahren für viele Kommentatoren schon ausgemachte Sache war.

Im Dezember 2003, als wir die 20. Landeskonferenz abhielten, waren wenige Wochen seit dem Skandal-Urteil zur Novum-Causa vergangen. Die deutsche Justiz hat uns nach 11jährigem Rechtsstreit um 100 Millionen Euro erleichtert. Unklar war, wie wir den totalen Umbau der Partei bewerkstelligen können und welche Resultate dieser Umbau bringen würde. Doch nicht nur diese großen und schwierigen Fragen beschäftigten uns. Wir waren konfrontiert mit einer unappetitlichen parteiinternen Auseinandersetzung, in welcher dem damaligen Bundesvorsitzenden Walter Baier, in welcher dem Finanzreferenten Michi Graber und anderen, die als Baier-Clique bezeichnet wurden, falsche politische Weichenstellungen, „Verrat“ an Grundsätzen und „finanzielle Selbstbereicherung“ vorgeworfen wurde.

Unter schwierigsten Bedingungen haben wir - Genossin Stiefsohn hat davon bereits gesprochen - 2004 trotzdem einen EU-Wahlkampf durchgeführt, haben wir 2005 erfolgreich GR-Wahlen geschlagen und 2 Bezirksratsmandate wiedererkämpft, haben wir bei den letzten NR-Wahlen ein sehr, sehr gutes Resultat erreicht. Wir haben uns wahlpolitisch in Wien seit 1994 fast verdreifacht, wir haben bei der letzten NR-Wahl in Wien so viele Stimmen erreicht wie zuletzt 1983 - doch damals hatten wir wesentlich mehr Mitglieder, wesentlich mehr Geld, in den 80er Jahren existierte noch ein großen Apparat bezahlter MitarbeiterInnen und wir hatten die Volksstimme als Tageszeitung zur Verfügung. Wenn wir all dies berücksichtigen, dann können wir uns voller Recht auf die Schulter klopfen.

Doch nicht nur wahlpolitisch waren wir erfolgreich. Wir haben kleine und große politische Beiträge gesetzt (wie im Rechenschaftsbericht nachzulesen), wir haben Positionen erarbeitet, wir sind auf die Straße gegangen, wir haben uns als konsequent linke Kraft positioniert und - ganz wichtig - wir haben neue Mitglieder gewonnen.

Ich wiederhole mich - aber ich denke, wir müssen es oft, oft - auch laut - sagen, da es sich dabei wirklich um eine der zentralen Lehren der letzten Jahre handelt. Gemeinsam können wir was bewegen. Wenn viele, viele Menschen ihre kleinen und großen Beiträge, die ganz unterschiedlicher Art sein können, leisten, dann können wir optimistisch in die Zukunft blicken.

Ein Kollektiv ist eben mehr als die Summe der Mitglieder. Die letzten Jahre und auch die 3 großen Wahlkämpfe, die wir absolviert haben, zeigen, dass, wenn wir unterschiedliche Möglichkeiten und Stärken klug zueinander in Beziehung setzen, wir gute, ja sehr gute Resultate erzielen können. Jeder Beitrag - und erscheine er vorerst auch noch sein klein - ist ein wichtiger. Egal ob wer "nur" mit Freunden und Bekannten redet, egal ob wer "Steck´n geht", sich an Aktionen von Gruppen beteiligt - wie am Tafelmarsch, ob wer bei Internetforen postet, ob wer Plakate aufhängt, in einer Arbeitsgruppe mitmacht - viele, viele kleine und große Beiträge waren es, die bewirkt haben, dass die Null vor dem Komma der Vergangenheit angehört.

Dritter Punkt: Die Leitung hat politische Verantwortung in vielerlei Art und Weise. Die Leitung hat Rahmenbedingungen zu schaffen, die es möglichst vielen Mitgliedern ermöglichen, sich in die Parteiarbeit einzubringen. Die Leitung hat dafür zu sorgen, dass die Lage analysiert, dass politische Möglichkeiten ausgelotet werden. Die Leitung hat Entscheidungen zu treffen. Und die Leitung hat natürlich besondere Verantwortung bzgl. der Aufgabenstellung, dass die Entwicklung der Partei insgesamt voran geht. Wichtige Aufgabe von Leitungen ist es daher, GOs zu unterstützen, beim Aufbau neuer GOs mitzuhelfen, dafür Sorge zu tragen, dass neue Mitglieder und die Mitglieder überhaupt entsprechend ihren Möglichkeiten und Fähigkeiten sich optimal einbringen. Wie auch im Hauptantrag festgehalten ist die Stadtleitung der Meinung, dass wir uns in der kommenden Periode auch sehr um den Neuaufbau von Gos kümmern müssen, da zur Zeit in diesem Bereich viele Ressourcen ungenützt sind. Und - last but not least - ist natürlich auch Aufgabe von Leitungen, dafür zu sorgen - dass der Grundkonsens - nicht verloren geht. Und dass auch ein Grundkonsens brüchig werden kann haben all jene, die schon länger in der Partei sind, in den letzten Jahren ja erlebt.

Wir verstehen uns als Partei, in welcher den AktivistInnen ein zentraler Stellenwert zukommt. Und uns ist bewusst, dass unterschiedliche Meinungen, unterschiedliche Positionen auch zum Um und Auf kommunistischer Politik gehören, dass wir nur in Austragung von Meinungsverschiedenheiten und Differenzen unsere Standpunkte weiterentwickeln können - doch dazu bedarf es auch einer Grundsolidarität, dazu bedarf es auch einer gemeinsamen Praxis.

Wir KommunistInnen gehen davon aus, dass der Kampf um Emanzipation eine politische Organisierung erfordert. Organisierung heißt aber auch Arbeitsteilung - Und wenn wir die KPÖ vor allem als ein Instrument zur emanzipatorischen Umgestaltung der Welt begreifen, dann müssen wir einerseits unseren Beitrag zur Entstehung einer breiten und vielfältigen antikapitalistischen und antipatriarchalen Bewegung leisten, andererseits müssen wir auch unsere Eigenständigkeit verteidigen und unsere Arbeit in der Partei effektivieren.

Ich möchte versuchen, die Problemstellung an einem - zugegeben vereinfachten - Beispiel aufzuzeigen: Die Wr. Leitung wird sich nicht anmaßen darüber urteilen zu wollen, wie in Liesing, Ottakring oder der Donaustadt „vor Ort“ Politik zu machen ist. Die GenossInnen, die vor Ort aktiv sind, müssen selbst entscheiden, welches Thema Sie wo, wann, wie. in welcher Form, wie intensiv - entsprechend unserem allgemeinen politischen Verständnis - zur Sprache bringen. Eine sinnvolle und zugleich demokratisch legitimierte und kontrollierbare Arbeitsteilung heißt aber auch - es macht null Sinn, ja es hemmt die Partei als Ganzes, wenn Grundorganisationen auf die Arbeit vor Ort vergessen, weil Sie quasi in Permanenz damit beschäftigt sind, Entscheidungen des Bundesvorstands zu debattieren und in Frage zu stellen oder sich gegenseitig versichern, dass gewählte Funktionäre die Weiterentwicklung der AktivistInnenpartei behindern. Oder andersrum: Wenn AktivistInnen, wenn Funktionäre, egal ob der KPÖ-Wien oder der Bundespartei, in Permanenz getroffene Entscheidungen des Leitungsgremiums, welches ja von der Partei gewählt und legitimiert wurde, in Frage stellen, dann müssen wir alle „Stopp“ sagen. Dann müssen wir diese Kritiker und Kritikerinnen darauf hinweisen, dass solche Fragen im Statut klar geregelt sind und dass es möglich ist, ja erwünscht und nicht verboten ist, die Wege des Statuts zu beschreiten. Jede und jeder hat das Recht, ein Misstrauensvotum gegen die Leitung oder einzelne Leitungsmitglieder auszusprechen. Nicht sein kann aber und nicht sinnvoll ist, so meine feste Überzeugung, dass wir uns in Permanenz mit uns selbst beschäftigen, statt zu überlegen, wie wir insgesamt politikfähiger werden bzw. „vor Ort“ Politik entwickelt können.

Die KPÖ - so die Formulierung in der politischen Plattform, die am 33. Parteitag im Jahr 2004 beschlossen wurde - die KPÖ „kann sich nur als eine marxistische Partei der Vielfalt, in der die Politik frei und demokratisch diskutiert und beschlossen wird, entwickeln.“ Und weiters: „Der Zusammenhalt der KPÖ basiert auf der Übereinstimmung der Mitglieder in grundlegenden Fragen revolutionärer Politik. Darüber hinaus aber ist die KPÖ eine Partei der inhaltlichen Vielfalt.“ Und weiters: „Die Praxis einer pluralen Partei setzt die Anerkennung der Pluralität durch alle Strömungen der Partei voraus. Eine offene Diskussion in der Partei hat vor allem das Ziel der Verständigung auf die gemeinsame Aktion. Denn, wo die gemeinsame politische Praxis nicht mehr organisierbar ist, führt sich der Sinn einer gemeinsamen Organisation ad absurdum.“

Vierte zentrale Idee der Diskussionsgrundlage ist, dass wir uns - auf allen Ebenen - konkrete Aufgabenstellungen setzen müssen. Natürlich ohne dabei das Gesamte, das größere Ziel aus den Augen zu verlieren. Darum haben wir in der Diskussionsgrundlage formuliert, dass wir in der kommenden Periode die Zahl der Beitritte steigern - ich persönlich hätte die Zahl ja auch gerne beziffert - und den Kern der AktivistInnen vergrößern wollen. Wir haben festgehalten, dass es eine eigenständige Bildungs- und Seminartätigkeit der KPÖ-Wien braucht, dass es Kontinuität in unserer Veranstaltungspolitik braucht, dass Straßenaktivitäten wieder zum integralen Bestandteil unserer Tätigkeit werden sollen, ja müssen, dass wir ausgehend von Analysen der konkreten Situation in Wien Strategien entwickeln müssen, um Gegenkräfte für Kämpfe zu mobilisieren, dass wir gemeinsam dafür verantwortlich sind, wie gut wir die neuen politischen Möglichkeiten aufgrund der Bezirksratsmandate im zweiten und dritten Bezirk nutzen. (...)

Sind SPÖ und Grüne eine politische Alternative?

Nehmen wir die Frage der Pensionsreform her. Behauptet wird, und da sind sich Konservative, Sozialdemokraten und selbst Grüne einig, dass wir uns die Altersversorgung nicht mehr leisten können. Ignorieren wir mal die Frage, wer das „Wir“ ist. Ein Blick auf Statistiken beweist, dass diese Behauptungen erstunken und erlogen sind. Der Bundeszuschuss zu den Pensionen - der laut Gesetz bis zu einem 1/3 betragen kann - liegt bei den ASVG-PensionistInnen bei unter 20 Prozent. Wir dürfen ÖVP, SPÖ und Grüne nicht in einen Topf werfen. Es gibt zwischen diesen Parteien natürlich - auch in durchaus wichtigen praktischen Fragen - Unterschiede. Doch zugleich müssen wir darauf hinweisen, dass auch sozialdemokratische und grüne Spitzenfunktionäre nicht über die gestiegene Arbeitsproduktivität in den letzten Jahrzehnten reden, die Frage der Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums nicht ansprechen. Und wir müssen darauf hinweisen, dass Sie den Profitwahnsinn nicht prinzipiell in Frage stellen. Wie das Österreichische Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) in seiner jüngsten Studie , die vor einigen Wochen der Öffentlichkeit präsentiert wurde, untermauert, sind in Österreich die Arbeitskosten deutlich gesunken. Die relativen Lohnstückkosten - der wirklich interessante Wert bzgl. der Wettbewerbsfähigkeit im internat. Vergleich - sind laut Angaben der Arbeiterkammer von 1996 bis 2001 sogar um 13,7 Prozent gesunken. Verglichen mit Österreich ist der Faktor Arbeit in den west- und nordeuropäischen Ländern um 20 bis 35 Prozent teurer. Das ewige Lamento der Industrie und ihrer Lobbies, dass der Standort Österreich zu teuer sei, erweist sich vor dem Hintergrund dieser WIFO-Analyse als unhaltbar.

Außerdem gilt es festzuhalten: Lohnnebenkosten sind Sozialleistungen. Eine Senkung ginge also auf Kosten des sozialen Netzes und damit zu Lasten der Lohnabhängigen. Pensions-, Arbeitslosen-, Unfall- und Krankenversicherung, Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Insolvenzfonds, Wohnbauförderung, Familienlastenausgleichsfond sind elementare Bestandteile des Einkommens und der sozialen Sicherheit der Lohnabhängigen.

Während jedoch fast 1 Million Menschen - dass ist die Bevölkerung aller Landeshauptstädte ohne Wien - trotz Erwerbstätigkeit an oder unter der Armutsgrenze von 848,-- Euro im Monat lebt, nimmt die Zahl der Euro-Millionäre zu - wir haben im NR-Wahlkampf darauf hingewiesen. In Österreich besitzt ein Prozent der Bevölkerung ein Drittel des privaten Vermögens, 90 Prozent der Bevölkerung verfügt ebenfalls über ein knappes Drittel - ein sozial- und wirtschaftspolitischer Skandal. Und: Armut ist noch immer vor allem weiblich. Österreichische Frauen verdienen nach wie vor ein Drittel weniger als Männer. Weltweit sind 70 Prozent aller Armen Frauen, sie beziehen nur zehn Prozent aller Einkommen und besitzen ein Prozent des Vermögens. (...)

Die heutige Landeskonferenz ist eine Etappe, wahrscheinlich nur ein kleiner Baustein im großen Puzzle der Weltgeschichte. Ich meine nichtsdestotrotz - wer nicht kämpft hat schon verloren. Versuchen wir gemeinsam Wege zu finden, die uns politikfähiger machen. Es liegt an uns. Packen wir´s an.

Danke für Eure Aufmerksamkeit!