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Das FRITZ - MANÖVER

  • Sunday, 20. August 2006 @ 15:28
Kultur und Bücher 1357 Personen lesen am 103. Geburtstag von Theodor Wiesengrund Adorno gleichzeitig 1357 Blätter des Romans Naturgemäß II der österreichischen Autorin Marianne Fritz. Nur heute, nur einmal.

11. September 2006, 19 Uhr. Stadtwildnis Gaudenzdorfergürtel direkt beim Ausgang U4 Margaretengürtel Das Fritz-Manöver: Eine statistische Sofortmaßnahme. Ein Bildungsablaß. Eine Alphabetisierungskampagne für Zeichenleser. Ein ultimatives Volkstheater. Oder einfach die einzig mögliche Umsetzung des Romans Naturgemäß II?

Im folgenden ein paar zielgruppenspezifische Manöver-Deutungsversuche, die Ihnen Munition für die Überzeugungsarbeit in Ihrem beruflichen Umfeld liefern können. Schließlich sind 1357 Personen nicht so einfach auf einem Wiesengrund zu versammeln. Unpassende Zielgruppen einfach überspringen und dem Fritz - Manöver Aufmerksamkeit schenken.

Literatur:

Weil die komplexe Gesamtstruktur des Romans Naturgemäß II von Marianne Fritz so angelegt ist, daß diese Komplexität sich in jedem Ausschnitt zu spiegeln scheint, liegt die adäquate Auseinandersetzung mit diesem Textmaterial in einer scheinbar beliebigen Form, dem Fritz - Manöver: Im radikalen 1356-fachen Zurückgeworfensein auf ein Blatt des Originaltextes erfährt sich der Einzelne als Teil eines literarischen Universums. “Auch wenn uns das Undurchdringliche, das sperrig Dichtgefügte, das geordnet Ungeordnete an Marianne Fritz’ Riesenprojekt Naturgemäß (das wiederum Teil ihres Lebenswerks Die Festung ist) immer wieder absichtsvoll auszuschließen scheint: zumindest eine Annäherung ist immer möglich, und vielleicht kommen wir unverhofft doch hinein in die Festung, wenn wir sie nicht frontal zu stürmen versuchen, sondern die weiße Fahne schwenken und uns ihr ergeben.”(Friedhelm Rathjen, Durch dick und dünn, 2006)

Theater / Performance / Tanz:

Das Fritz - Manöver als performativer Befreiungsakt versteht sich als post-dramatisches Statement gegen den Terror des Verstehenmüssens, als temporäre Okkupation der Stadtwildnis am Gaudenzdorfergürtel, die mit ihrem akustischen Vergehen im Verkehrslärm rechnet. Der zutiefst fragmentarische Charakter des Fritz - Manövers realisiert in seiner übergroßen Vielstimmigkeit paradigmatisch einen zeitgenössischen Theater-Chor, der sich von der üblichen Trennung in Akteure/Publikum verabschiedet: "Will man die Transformation im Konzept der Inszenierung reflektieren, so stößt man vielmehr nach dem Theater ohne Zuschauer auf die darin implizite, aber noch nicht wirklich gedachte Formel eines "Theaters ohne Schauspieler". Es geht tatsächlich um die Eröffnung eines möglichen Theaters ohne - bloße - Schauspieler, also eine Weise der Inszenierung, die nur noch marginal - oder überhaupt nicht mehr oder nur als Katalysator - ein Schau-Spiel schafft ...” (Hans-Thies Lehmann, Das Politische Schreiben, 2002)

Bildende Kunst:

Das Fritz - Manöver kann einerseits als temporäre Textintervention im öffentlichen Raum als auch als partizipatorisches Modell gelesen werden, das Diskurse der Instrumentalisierung thematisiert, indem es sie kritisch betreibt; zudem feiert das Fritz - Manöver am 11. September 2006 neben Theodor Wiesengrund Adornos’ auch den 40. Geburtstag des Schweizer Installationskünstlers Christoph Büchel, der mit seinen Arbeiten ebenfalls grundlegende Parameter des demokratischen Kunstverständnisses thematisiert: “Das Projekt adressiert Themen der Zensur und Selbstzensur, nimmt Bezug auf aktuelle und historische Beispiele kultureller Äußerungen im öffentlichen Raum der Stadt und thematisiert damit verbundene politische Widerstände, Polemiken und Machthierarchien im Spannungsfeld der Begriffe Kunst und Demokratie.” (Christoph Büchel, ARS (Aktion Reales Salzburg), 2006)

Wirtschaft (zB. Fleischer und Selcher):

Unsere Kultur ruht auf den Säulen der Verfeinerungskünste des Existenzerhalts. Was liegt also näher, als diesen den lesenden Geist hinzuzugesellen, dh. die sinnliche Kompetenz im Fritz-Manöver zu steigern und die Stadtwildnis am Gaudenzdorfergürtel versöhnt an Körper und Geist in der Herbst-Dämmerung wieder zu verlassen.

Wir hoffen, Ihnen für die Verbreitung der Nachricht vom Fritz-Manöver genügend Material in die Hand gegeben zu haben, danken für Ihre Mitarbeit und freuen uns auf ein (Wieder)Sehen am 11. September 2006 um 19 Uhr!

Fritzpunkt. Büro für theatralische Sofortmassnahmen

Ein Konzept des Stadt Theater Wien Anne Mertin. Fred Büchel

Eitelbergergasse 4 A - 1130 Wien

Tel / Fax +43 1 876 68 45 mobil +43 (0)699 11685616 buero@fritzpunkt.at

http://www.fritzpunkt.at http://www.fritzmanoever.at

In Kooperation mit dem Tanzquartier Wien, VÖGB, osa, Tanz*Hotel, triangel.at und Orange 94.0

Dank an Ulrich Beckefeld, Christoph Büchel, Georg Haslinger, Erich Joham, Christoph Kepplinger, Franziska Maderthaner, Tatjana Nikitsch, Markus Redl und Reinhard Wieser

Gefördert von der MA7 – Kultur der Stadt Wien