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Regierung plant Verschlechterungen im Mietrecht

  • Monday, 15. May 2006 @ 12:20
Josef Iraschko, Mietrechtsexperte und Bezirksrat der KPÖ in Wien Leopoldstadt, kritisiert, dass die Regierung am 19. Mai bei einer Tagung des Justizauschusses in einer Nacht- und Nebelaktion ohne Begutachtung gravierende Verschlechterungen für Mieter und Mieterinnen durchpushen will. Unter Punkt 26 der Tagesordnung des Justizauschusses findet sich eine Regierungsvorlage (RV) zur Änderung des Mietrechtsgesetzes unter dem Titel Wohnrechtsnovelle 2006 (WRN 2006).

Dieser WRN 2006 geht ein Kabinettstück österreichischer Parlamentsgeschichte voraus, denn diese von der Immobilienwirtschaft und der ihr gewogenen Regierung gewünschte „Reform“ des Mietrechts zum Nachteil von Millionen von MieterInnen gab es in ihren Grundzügen schon unter dem Titel WRN 2005. Ursprünglich sollte die Novelle bereits Anfang Juli 2005 in Kraft treten, dann Anfang 2006. Doch am 29. November 2005 wurde sie im Justizauschuss von der Tagesordnung abgesetzt. Vorausgegangen war dem ein koalitionärer Streit zwischen ÖVP und BZÖ, weil das BZÖ die „Reform“ mit einer generellen Prüfung der Gemeinnützigen Wohnbaugesellschaften (GBVs)) durch den Rechnungshof junktimieren wollte. Das hätte im Parlament eine 2/3 Mehrheit erfordert, außerdem war die ÖVP nicht davon angetan, da ja auch diejenigen GBVs, wo sie selbst die politische Macht inne hat, davon betroffen gewesen wären. Wurde Anfang des Jahres 2005 der Ministerialentwurf noch an die Interessensvertretungen zur Stellungnahme ausgesandt und von MieterInnen-Seite in der Hauptsache als Immobilienwirtschaft freundlich qualifiziert, so ist eine Begutachtung des neuen Entwurfs, der weitere Änderungen bringt, nicht mehr vorgesehen. Die WRN 2006 soll nun in einer Nacht- und Nebelaktion schnell über die Bühne gebracht werden. Offenbar ist es der ÖVP gelungen über einen verfassungstechnischen Trick sowohl das BZÖ zu befriedigen, als auch die 2/3-Mehrheit im Parlament zu umgehen.

Weitere mietrechtliche Verschlechterungen

Auf Kosten von Millionen von MieterInnen will man der Immobilienklientel noch schnell vor den Wahlen ein schön geschnürtes Begünstigungspaket präsentieren. Zusätzlich zu dem ursprünglichen Entwurf (zu dem die KPÖ und ihr MieterSelbsthilfeZentrum-MSZ bereits im Vorjahr umfassend Stellung genommen haben) sollen nun weitere Ausnahmen aus dem Mietrecht konstruiert werden: so sollen in Hinkunft Auf- und Zubauten (auch ohne im Zusammenhang mit einem Dachbodenausbau stehend) nur mehr dem Kündigungsregelungen des MRG unterliegen, ansonsten freie Mietzinsvereinbarungen möglich sein. Die von der VermieterInnen-Seite nicht besonders goutierte Bestimmung, dass Erhaltungsarbeiten durch die VermieterInnen bei erheblicher Gesundheitsgefährdung zwingend vorgeschrieben werden sollten, ist nun völlig verwässert.

Eine besondere Leistung ist den Regierungsjuristen dort eingefallen, wo es um eine Frage des tagtäglichen Lebens vieler MieterInnen geht: um die Sanierung oder Erneuerung schadhaft gewordener, in vielen Fällen überalterter, Thermen und Boiler, die derzeit noch immer per Mietvertrag auf die MieterInnen überwälzt werden können. Die AK und der VKI streben derzeit einen Musterprozess in der Frage technischer Geräte innerhalb eines Mietobjektes an mit dem Ziel, die Überwälzung solcher Sanierungsmaßnahmen und sogar die Erneuerungspflicht auf die MieterInnen als nicht rechtskonform zu beurteilen. Um das wahrscheinlich zu Gunsten von AK und VKI ausgehende Verfahren zu konterkarieren, ist in der jetzigen Gesetzesnovelle eine Bestimmung aufgenommen worden, nach der solche Erneuerungen weiterhin durch den Mieter zu erfolgen haben, aber immerhin der Investitionsersatzpflicht des § 10 MRG unterliegen. Die Angelegenheit hat nur einen besonders markanten Schönheitsfehler, der in den Erläuterungen sehr offen ausgesprochen wird: die VermieterInnen-Seite soll besonders geschützt werden und nicht schon wieder in eine „MieterInnen-Falle“ geraten: bevor die MieterInnen eine ersatzfähige Erneuerung durchführen, müssen sie die VermieterInnen davon in Kenntnis setzen. Diese können sich dann „ein eigenes Bild vom Zustand des Geräts und vom Erneuerungsbedarf verschaffen“, damit soll auch „etwa die Typenwahl oder auch die Entscheidung zwischen Reparatur des alten Geräts oder Ankauf eines neuen uneingeschränkt (Hervorhebung JI) in der Ingerenz (?) des Vermieters liegen“. Also die von solchen Maßnahmen betroffenen MieterInnen dürfen nicht nur Neuanschaffungen auf eigene Kosten betätigen, und das mit einem gesetzlich vorgeschriebenen Wertverlust von 10% im Jahr, sondern müssen sich auch noch vorschreiben lassen, was sie da anschaffen und ob das alte Gerät nicht doch das x-te Mal repariert werden kann, wiederum auf ihre Kosten. Was passiert, wenn die MieterInnen diese neu geforderte Informationspflicht nicht ordnungsgeäß erfüllen, weil diese für sie ja ohnehin völlig unlogisch ist? Fallen sie dann um die Investionsablöse um? So, wie diese neue Gesetzesstelle konstruiert ist, muss man das sehr wohl als die Absicht dahinter erkennen.

Wes Geistes Kind aber diese Regierung und ihre Immobilienwirtschaft tatsächlich ist, zeigt sich an einer Neuerung gegenüber dem Entwurf von 2005 der bestimmt, dass 35% des Überschusses zwischen Einnahmen und Ausgaben in der Hauptmietzinsabrechnung als Ausgaben zu bewerten sind, was nichts anderes besagt, als dass die MieterInnen die Steuerpflicht der EigentümerInnen-Seite zu übernehmen haben. Diese Neukonstruktion ist insofern mehr als entlarvend, als der Verfassungsgerichtshof Ende 2003 eine ähnliche Bestimmung in der Wohnrechtsnovelle 2002 als verfassungswidrig aufgehoben hatte. Die Regierungs- und Immobilienjuristen hoffen nun, dass die neuen Formulierungen einer neuerlichen verfassungsgerichtlichen Überprüfung standhalten.

Zu den übrigen Punkten haben wir schon im Vorjahr Stellung genommen. Die KPÖ lehnt diese neuerliche rechtliche Verschlechterung für die MieterInnen jedenfalls zur Gänze ab. Diese „Reform“ ist keine für die MieterInnen sondern ein ungeschminktes Geschenk für die Immobilienbranche.

Josef Iraschko, MSZ 15. Mai 2006