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Wehret den Anfängen!

  • Friday, 10. February 2006 @ 09:33
Was gab Bundeskanzler Dollfuß am 12. Februar 1934 das Recht, das Standrecht auszurufen? Hatten gar Putschisten das Bundeskanzleramt und die Regierungsgebäude besetzt? Fiel gar das Radio in die Hände von Putschisten? Nein, es ist nichts derartiges geschehen. Und ausserdem saßen die Putschisten bereits in der Regierung!

Ein Kommentar von Genossen Fritz Propst zu den Geschehnissen am 12. Februar 1934 und zum Umgang mit historischen Tatsachen. Als am 15. März 1933 der 3te Präsident des Nationalrates das Parlament einberief, ließ Dollfuß das Parlament von der Polizei, bewaffnet mit Gewehren und Stahlhelmen, umstellen und niemand konnte hinein. Er erklärte das Parlament für aufgelöst und regierte fortan mit dem Kriegsermächtigungsgesetz aus der Zeit der Monarchie. Und wir wissen auch wie es weiterging: Am 31. März 1933 wurde der Republikanische Schutzbund verboten, während die faschistische Heimwehr weiterbestand und offen als Ziel die Errichtung eines faschistischen Staates nach dem Muster Mussolinis verkündete. Ebenso blieben die SA und SS der Nazipartei unangetastet. Bald darauf wurde die KPÖ verboten, die gewählten Mandatare der Arbeiterkammer abgesetzt.

Trotzdem marschierten am 1. Mai an die 400.000 Menschen von den entlegensten Teilen Wiens in die Stadt. Und der Faschist Dollfuß hatte den Mut - natürlich mit Hilfe des Bundesheeres, welches mit Maschinengewehren bewaffnet alle Zufahrtstrassen abgesichert hatte - den Maiaufmarsch zu verbieten. Von Seiten des Parteivorstandes der SPÖ gab es nur Beruhigungsparolen, man möge sich nicht provozieren lassen. Nachdem diese Machtprobe gelang, kam die Pressefreiheit dran und die Arbeiterzeitung, das Zentralorgan der SPÖ, erschien oft entweder überhaupt nicht oder mit weißen Flecken, da das Geschriebene der Zensur zum Opfer fiel.

Der damalige Parteivorstand der Sozialdemokratie hatte versagt und den Faschismus unterschätzt. Ich höre es noch in meinen Ohren, als Karl Renner damals erklärte, bei uns wird es keinen Faschismus geben, wir jagen sie mit nassen Fetzen davon. Und ich erinnere mich auch an Koloman Wallisch (Mitglied des Parteivorstandes und steirischer Arbeiterführer), der nach dem 12. Februar gehängt wurde. Die Eisenbahnergewerkschaft lud ihn 1933 nach Wien ein. Tausende Genossen kamen, um zu hören, was er zu sagen hatte. Der Saal und die Gänge waren zum Bersten voll. Schließlich standen noch Hunderte vor dem Eingang und konnten nicht hinein. Ich merkte mir den wichtigen Satz aus seiner Rede; „Genossen seid auf der Hut, wenn wir still bleiben werden die uns beseitigen“.

Symptomatisch für den 12. Februar war, dass sich der Schutzbund in den Gemeindebauten verschanzte, um das zu schützen, was damals im Roten Wien allen so heilig war: „Ein gesundes Leben mit der Familie“. Diese Gemeindebauten und alles was sich die Arbeiterschaft seit der Beseitigung der Monarchie erkämpft hatte, der sogenannte „revolutionäre Schutt“ wie der Vizekanzler und Heimwehrführer Fey es nannte, sollte beseitigt werden. Wir, der Wehrsport, besetzte das SAJ Heim in der Angeligasse (ich wohnte damals im 10. Bezirk), um es vor befürchteten Angriffe der Heimawehr zu schützen. Wir waren etwa 25 - 30 Wehrsportler, hatten aber nur 5 Gewehre und 25 Schuss Munition. Es kam aber niemand. Und als der Schutzbund, der den Gemeindebau Quellenhof besetzt hielt, kapitulierte, da die Polizei drohte den Quellenhof vom Laaerberg aus mit Kanonen zu beschießen, mussten sie an die Frauen und Kinder denken, die dort wohnten, und gaben auf. Auch wir Wehrsportler gingen nach Hause.

Nach der Befreiung Österreichs gab es genug Menschen, die in der Befreiung eine Niederlage sahen und sich der Befreiungsarmee gegenüber feindselig verhielten. Die nazistische Ideologie wurde viel zu ungenügend aufgearbeitet. Es ging damals allen Parteien darum, möglichst viele Stimmen zu bekommen. Der ehemalige Chefredakteur der Arbeiterzeitung Franz Kreuzer hat es auf den Punkt gebracht. Er sagte es klar und unverblümt in einem Fernsehinterview. Was die Verfolgung der Naziverbrecher anbelangt ging man in Österreich mit diesen sehr sanft um.

Ich meine die Verbrecher und nicht die Millionen irregeführten Mitläufer. Ich meine zum Beispiel den Massenmörder vom Spiegelgrund, der Dutzende Kinder tötete. Als man nach vielen Jahren sich doch entschloss, ihn vor Gericht zu stellen, hat man das Verfahren wegen seines Gesundheitszustandes eingestellt. Anders war es bei Genossen Münichreiter. Da reklamierte der Verteidiger, dass laut Gesetz Schwerkranke nicht zum Galgen gebracht werden können, worauf der Richter meinte, „was wollen Sie, der Mann ist nicht schwerkrank, er ist nur schwerverwundet“. Zugleich gibt es heute wieder Politiker, die Rassenhass und Verharmlosung der faschistischen Zeit predigen. Ein Abgeordneter des Bundesrates getraut sich zu sagen, „Deserteure im Krieg seien Soldatenmörder“. Die FPÖ hat sich zwar von dieser Aussage distanziert, aber hat sie ihn auch aus der Partei ausgeschlossen? Sie hat seine politische Einstellung gekannt und hat ihn in den Bundesrat entsandt! Seine ehemaligen Parteifreunde der BZÖ sitzen in der Regierung und der Chef der BZÖ, Landeshauptmann Haider, verhindert die Erfüllung des Staatsvertrages und des Gerichtsurteiles des Höchstgerichts - die Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln! Da ist Widerstand nach wie vor wichtig!