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Vom öffentlichen Gut Hausbriefkasten zum neoliberalen Spielball privater Profitinteressen.

  • Wednesday, 11. January 2006 @ 11:27
Wohnen in Wien Ein Lehrbeispiel neoliberaler Umstrukturierung auf Kosten der Allgemeinheit.

Klarerweise hat uns, die wir Wohnungen und Häuser bewohnen, niemand gefragt, ob wir die neuen EU-konformen Postkasterl wollen. Allein die Kosten der Umstellung sollen wir schon tragen düfen. Jedenfalls, wenn es nach dem Willen der Besitzer unseres Wohnraums geht. Ihnen zufolge sind wir "ja auch die eigentlichen Komsumenten der postalischen Dienstleistungen." (Kurier, 5.1.06)
Ob wir mehr Werbung und weniger Sicherheit bei der Zustellung an uns andressierter Briefe aber auch wirklich wollen - auch da wurden wir nicht gefragt ... Am 5. Jänner 2006 erschien im Kurier der Artikel: "Verfassungsrichter schauen ins Briefkasterl". Laut Kurier "wehren" sich die Hausbesitzer gegen den Austausch der Postkästen auf eigene Kosten und rufen den Verfassungsgerichtshof an. Auf der Strecke bleiben sollen dabei die MieterInnen, WohnungseigentümerInnen und EinzelhausbesitzerInnen. Die Hausbesitzer wollen nämlich einen Eintscheid erwirken, der es ihnen ermöglicht die Kosten auf die MieterInnen umzuwälzen, anstatt diejenigen in die Pflicht zu nehmen, die vom "Postkastl-Tausch" profitieren.

Die KPÖ fordert bereits seit Beginn der Debatte, dass die Kosten der Umstellung diejenigen tragen sollen, die davon profitieren wollen. Also die Werbeindustrie und die privaten, meist internationalen Zustell- bzw. Postdienste. Wir sprechen uns damit auch gegen die von der EU erzwungene "Liberalisierung" der Postdienste aus. Die bereits sattsam bekannten Folgen derartiger Umstrukturierungen sind Qualitäts- und Leistungsminderung, Personalabbau, Sicherheitsrisiken, Einschränkung der öffentlichen Versorgung und das alles bei weiter steigenden Preisen.

Josef Iraschko, MiterInnenberater und Bezirksrat der KPÖ-Wien: "Die Umrüstung der Postkästen ist ein Lehrbeispiel von rücksichtloser Durchsetzung privatkapitalistischer Profitinteressen unter dem Deckmantel angeblich besserer und preisgünstigerer Versorgung."

Nicht bezahlen, beeinspruchen!

Nachdem diese Vorgangsweise von EU, Regierung und Immobilienwirtschaft derart einseitig die MieterInnen zum Nutzen anderer benachteiligt, dürfte sie eigentlich rechtsstaatlichen Kriterien nicht entsprechen.

Iraschko, KPÖ-Wien, schlägt daher vor, nicht zu bezahlen, sondern zu beeinspruchen: "Solange es keine eindeutige Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes gibt, rege ich an, sobald in den Hauptmietzins- , Betriebskostenabrechnungen oder bei den Mietzinsvorschreibungen Kosten für die Umrüstung der Briefkästen auftauchen, soll dieser Posten sofort bei der Schlichtungsstelle - am Besten unter zuhilfenahme einer MieterInnen-Organisation - beeinsprucht werden."
Sinnvoll wäre es, wenn die Arbeiterkammer hier einen Musterprozess führen kann, ebenfalls mit dem Ziel der Kostenübernahme durch die Verursacher.
Iraschko abschließend: "Die KPÖ und ihr MieterSelbstHilfeZentrum (MSZ) werden jede diesbezügliche Initiative nach Kräften unterstützen."



Zusätzliche Hintergrundinfos:

> HauseigentümerInnen tragen diese Umstellung - entgegen anderslautender Pressedarstellungen - ohnehin nicht. Sie wird zur Gänze über die Minderung der Mietzinsreserve den MieterInnen angelastet. Da damit aber weniger Geld für Sanierungsvorhaben vorhanden ist werden Mietzinserhöhungen im Gefolge solcher Maßnahmen höher ausfallen.

> Die Umsetzung des Postkasterl-Tauschs impliziert etliche Nachteile:
- Zugang für immer mehr private Postdienste zu den Häusern und Briefkästen
- damit eine neue Werbematerial-Flut
- zunehmendes Kommen und Gehen von hausfremden Personen in den Wohnanlagen
- aufgrund schlechter Bezahlung und Fachfremdheit der privaten Bediensteten werden eine Menge Poststücke ihre Adressaten nicht erreichen
- kriminellen Delikte wird Vorschub geleistet, weil faktisch jeder Mensch Eingriffsmöglichkeit in die Briefkästen haben wird

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Josef Iraschko, Wohnrechtsexperte
MSZ-MieterSelbsthilfeZentrum der KPÖ-Wien
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Telefonische Terminvereinbarung unter 480 88 33
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