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Aus der Traum?

  • Friday, 17. June 2005 @ 14:41
Europa DANIELA GRAF, Obfrau der Grünen Bildungswerkstatt, betrauert das Ergebnis des EU-Referendums in Frankreich.

Wir bringen Ihre Begründung - die auch auf http://www.planet.gruene.at/index.php?seite=themen&tid=35976 nachzulesen ist.



Im Jahr 2003 hat sich die Grüne Bildungswerkstatt unter dem Titel „Zur Rolle des Staates im Europäischen Zusammenhang“ eingehend mit dem Werden der EU Verfassung beschäftigt. Im Buch zur damaligen Sommerakademie haben wir die Reden von Johannes Voggenhuber vor dem EU-Konvent veröffentlicht – ein anschauliches Beispiel für lebendige parlamentarische Demokratie in Europa.

Auch wenn ich die Abstriche vom ursprünglichen Konventsentwurf durch den Europäischen Rat bedauert habe, bin ich davon überzeugt, dass dieser Verfassungstext durch die ungewöhnliche Form seiner Entstehung – der Zusammenarbeit von EU-ParlamentarierInnen, nationalen ParlamentarierInnen und RegierungsvertreterInnen – das Beste aus der europäischen Idee herausgeholt hat.

Das Beste ist natürlich nicht im Sinne der Grünen Grundsätze gemeint, sondern als der bestmögliche Kompromiss in diesem historischen Augenblick.
Diese Verfassung enthält nichts Negatives, was nicht ohnehin schon in bestehenden EU-Verträgen festgeschrieben wäre und dafür viel Positives, das es vorher nicht gab. So die Stärkung der Demokratie auf EU-Ebene, eine stärkere Einbeziehung der nationalen Parlamente in die EU und die Grundrechte als einklagbares Recht für alle EU-BürgerInnen.

Die Mobilisierung eines bedeutenden Teils der französischen Linken gegen die Verfassung hat das Referendum in Frankreich gekippt – in meinen Augen hat die französische Linke damit einen gravierenden historischen Fehler begangen, aber auch Chirac, der das Referendum schließlich gar nicht hätte ansetzen müssen.

In Zeiten des Neoliberalismus und der Globalisierung sind Probleme nicht mehr auf nationaler Ebene zu lösen und die soziale Dimension der EU hätte sich auf Basis der Verfassung weit besser entwickeln lassen als ohne sie. Eine Neuverhandlung des Verfassungstextes wird es in absehbarer Zeit nicht geben. Der gut gemeinte linke Aufstand hat sich selbst ins Knie geschossen.

Wohin die Fortsetzung der bisherigen EU-Politik aber führt, haben die anschließenden Verhandlungen zu den EU-Finanzen gezeigt. Die Schwäche von Chirac und Schröder, der beiden „lame ducks“ der europäischen Politik, hat Tony Blair genützt um sich noch einmal zu erholen – was er an Popularität bei den BritInnen durch den Irakkrieg verloren hat, holt er sich über die Erhaltung des „Britenrabatts“ und die Kritik an der europäischen Agrarpolitik wieder zurück. Die RegierungschefInnen agieren in Brüssel, wie gewohnt, als nationale PolitikerInnen, die ihre Haut für die nationalen Wahlen retten wollen.

Ich selbst bin ratlos, wie es mit Europa jetzt weitergehen kann, ich weiß nur eins: Die, denen es die französische Linke zeigen wollen, jene so genannten „Heuschrecken“ (so problematisch das Bild auch sein mag) von denen Müntefering spricht, sind die GewinnerInnen:
Ohne Verfassung keine Stärkung der europäische Demokratie und ohne Stärkung der europäischen Demokratie keine Stärkung der sozialen Dimension in Europa.

Daniela Graf ist Obfrau der GBW