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Kapitalismuskritik und Tabus

  • Tuesday, 14. June 2005 @ 13:56
Soziales 8,3 Millionen Dollarmillionäre gibt es in der Welt und 63.000 in Österreich. Die Angaben über deren ungeheuren privaten Reichtum lesen sich in den Medien wie eine Schilderung über eine extravagante Eigenschaft einer etwas exotischen Gruppe von Menschen.
Eine Analyse von Michael Graber.

Dass der Kapitalismus des Jahres 2005 kein Honiglecken ist, hat sich herumgesprochen. Kapitalismuskritik gehört fast schon zum Mainstream und hat es zumindest in Deutschland bereits zum Wahlkampfthema gebracht. Nun haben die internationalen Agenturen den von der Bank Merill Lynch und der Beratungsfirma Capgemini erstellten “Weltreichtumsbericht” verbreitet, sodass auch österreichische Medien darauf eingehen mußten.

"Hochkonjunktur für Millionäre", "Reich, reicher am reichsten", "Österreich ist neuerdings ein guter Boden für Millionäre" lauteten denn auch die Überschriften. Und es wurden die wichtigsten Angaben über die Entwicklung der Zahl der Dollar-Millionäre und ihrer Vermögen rapportiert. 8,3 Millionen Dollar-Millionäre seien es weltweit und sie hätten im Vorjahr um 7,3 Prozent zugenommen. Die Vermögen sogar noch rascher um 8,2 Prozent. Und das langfristig-stabil, unabhängig vom konjunkturellen Auf und Ab oder den Bewegungen an den Börsen.

Merill Lynch hat natürlich nichts mit Kapitalismuskritik im Sinn. Der Bank geht es darum, die Entwicklung des privaten Reichtums regional und auf einzelne Länder aufgeschlüsselt zu ermitteln, um sich rechtzeitig auf die dynamischsten Reichtumsentwicklungen in der Welt einzustellen. Da fallen auch über Österreich einige Daten ab. Demnach gebe es 63.000 Dollarmillionäre in Österreich, um 3300 oder 5 Prozent mehr als vor einem Jahr. Ihr Vermögen sei mit 176,5 Milliarden Dollar ebenfalls um 5 Prozent gewachsen. Das ist zwar weltweit gesehen unterdurchnittlich, aber immerhin das Siebenfache des prozentuellen Zuwachses der Vermögen der Dollarmillionäre in Deutschland. Nun versteht man auch den Grund, warum sich deutsche Medien derzeit so sehr um den vermeintlich paradiesischen Zustand der Wirtschaft der "Ösis" kümmern.

Das Sammeln von Zahlen über den privaten Reichtum in der Welt ist Angelegenheit privater Banken geworden. Statistiken von öffentlichen Stellen gibt es kaum. Schon gar nicht in Österreich, wo die Vermögensteuer von sozialdemokratischen Regierungen abgeschafft wurde. Und so lesen sich die Medienberichte über das weltweite und österreichische Privatvermögen der Dollarmillionäre wie eine Schilderung über eine extravagante Eigenschaft einer etwas exotischen Gruppe von Menschen. In keinem der in österreichischen Zeitungen erschienenen Berichte ist in diesem Zusammenhang von Kapitalismus die Rede. Hier endet der Mainstream.

Nur der "Kurier" fand es für angemessen, die Reichtumszahlen den Armutszahlen gegenüberzustellen. Aber bereits zwei Tage danach antwortete die selbe Zeitung auf die selbst gestellte Frage, ob die Arbeitnehmer in der EU von den Konzernen ausgebeutet würden, mit dem Satz: "Diese Behauptung ist statistisch nicht nachweisbar."

Inzwischen ist zumindest gängig, dass die Geschwindigkeit des Wachstums des privaten Reichtums der Millionäre und Milliardäre auch abhängt von der steuerlichen Entlastung der Spitzeneinkommen und der Vermögen und die Dividenden und Aktienkurse von der Zahl der abgebauten Arbeitsplätze. Die Frage aber, woher der ungeheure Reichtum von 31.000 Milliarden Dollar kommt, den die 8,3 Millionen Dollar-Millionäre in aller Welt im Gegensatz zu den restlichen 6 Milliarden Menschen ihr Eigen nennen dürfen, bleibt in der Öffentlichkeit tabu.