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Wiener Behindertengesetz ist verfassungswidrig

  • Saturday, 30. April 2005 @ 09:59
Wien-Politik Bereits im März hob der Verfassungsgerichtshof die Bestimmung des Wiener Behindertengesetzes auf. Anlass für die Entscheidung des VGH war die Klage eines behinderten Mannes, der einen Pensions- und Bundespflegegeldanspruch hatte und auf Kosten des Landes Wien in einem Behindertenwohnheim lebt. Nach dem Wiener Behindertengesetz hatte er zu den Kosten für die Wohnheimunterbringung aus seinem Einkommen und dem Pflegegeld einen Beitrag zu leisten.

Im § 43 Abs. 4 erster Satz des Wiener Behindertengesetzes (WBHG), heißt es nämlich: „(4) Werden dem behinderten Menschen im Rahmen einer Maßnahme nach § 24 Unterbringung, Verpflegung und Betreuung gewährt, so sind das Gesamteinkommen des behinderten Menschen und die ihm zuerkannten pflegebezogenen Geldleistungen bis auf einen Betrag in der Höhe von 40 vH des Pflegegeldes der Stufe 3 zum Kostenbeitrag heranzuziehen.“

Im Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) und im Bundespflegegeldgesetzes (BPGG) ist aber geregelt, dass Menschen mit Behinderung zumindest 20% des Pensionsanspruches und mindestens 10% des Pflegegeldes der Stufe 3 als Taschengeld zur freien Verfügung bleiben müssen. Das bedeutet also, dass dies auch dann der anspruchberechtigten Person bleiben muss, wenn bei einer Heimunterbringung die Ansprüche auf das Land übergehen. Bisher war es in Wien üblich das Taschengeld bei der Berechnung des Kostenbeitrages als Einkommen zu berücksichtigen. Damit blieb behinderten Menschen, die unter Kostenbeteiligung des Landes Wien untergebracht waren, nicht mehr das ganze Taschengeld zur freien Verfügung.

Der Verfassungsgerichtshof hielt dazu fest: „Auch in der Bestimmung des § 324 Abs. 3 ASVG (die jener des § 13 Abs. 1 BPGG offensichtlich als Vorbild gedient hat) kommt zum Ausdruck, dass einem pensionsberechtigten Behinderten auch - und gerade - im Falle seiner Unterbringung auf Kosten eines Landes ein Betrag in Höhe von mindestens 20 % seiner Pension verbleiben soll.“
Dr. Harald Rosenauer, Dezernatsleiter des Referates für Sozialrecht in der MA 15, meinte in einer ersten Stellungnahme gegenüber dem Standard es werde zu „großen Kostenproblemen für die Gemeinde Wien“, wenn nicht gar zum „wirtschaftlichem Konkurs“ kommen. Insbesondere die Wohnungsfinanzierung für behinderte Menschen in der derzeitigen Form wäre in seinen Augen nicht mehr „administrierbar“ und schlussfolgerte: „Da muss man ja das ganze System hinterfragen.“

Es bleibt der Eindruck, dass die Vertreter der Gemeinde Wien nicht zur Kenntnis nehmen wollen, dass ein Mindestmaß an Möglichkeiten für ein selbstbestimmtes Leben auch für Menschen mit Behinderung zu gelten hat.

Claudia Krieglsteiner