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ÖVP-Chef Blümel: Scharfmacher und Hobby-Philosoph

  • Friday, 6. May 2016 @ 13:02
Wien-Politik Manche werden sich noch erinnern. "Geht´s der Wirtschaft gut, so geht es allen gut" - so das Motto einer Werbe- und PR-Kampagne der Wirtschaftskammer Österreich vor einigen Jahren. Dass es schon anno dazumal in Österreich "nicht allen gut gegangen ist", sei hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt.

Wenden wir uns also dem Terminus Wirtschaft zu. Was bzw. wer ist die Wirtschaft? Wikipedia definiert Wirtschaft als "die Gesamtheit aller Einrichtungen und Handlungen, die der planvollen Befriedigung der Bedürfnisse dienen. Zu den wirtschaftlichen Einrichtungen gehören Unternehmen, private und öffentliche Haushalte, zu den Handlungen des Wirtschaftens Herstellung, Absatz, Tausch, Konsum, Umlauf, Verteilung und „Recycling“/„Entsorgung“ von Gütern."

Wir sehen also: Die Wirtschaft ist mehr als die so genannten Arbeitgeber. Und wir sehen und wissen: Ohne ArbeitnehmerInnen könnte kein privater Unternehmer, der sich gerne selbst als Arbeitgeber bezeichnet, irgendetwas produzieren oder irgendeine Dienstleistung anbieten. Und: ohne KonsumentInnen, die etwas konsumieren wollen bzw. sich Produkte und Dienstleistungen leisten können, würden alle Produkte irgendwo verrotten - wie einst sogar Henry Ford erkannte. Aber schauen wir uns die Arbeitgeber-Seite einmal genauer an. In Österreich stellt sich die Situation wie folgt dar: Es gab mit Stand 1995

  • 283.018 Kleinunternehmen mit bis zu 4 Mitarbeitern.
  • Es gab 85.883 Unternehmen, die zwischen 5-19 Mitarbeiter beschäftigen.
  • 23.328 Betriebe verfügen über 20-99 Arbeitskräfte.
  • Nur noch 2.429 Betriebe verfügen über einen Personalstand der zwischen 100 und 199 liegt.
  • Und es gab 1610 Großunternehmen mit mehr als 200 Mitarbeitern.

    Mit Stand 2013 gab es (dort den Bereich Leistungs- und Strukturstatistik 2013 - Hauptergebnisse nach Beschäftigtengrößenklassen)

  • 283.515 Kleinunternehmen mit bis zu 9 MitarbeiterInnen
  • Es gab weitere rund 22.635 Unternehmen mit 10 bis 19 MitarbeiterInnen
  • und 12.059 Unternehmen mit 20 - 49 Beschäftigten.
  • Nur 1.132 Unternehmen hatten 2013 mehr als 250 Beschäftigte

    Insgesamt waren rund 700.000 Menschen in Unternehmen bis maximal 9 MitarbeiterInnen beschäftigt. Die 1.132 Groß-Unternehmen beschäftigten im Jahresdurchschnitt rund 930.000 Menschen.

    Die 20 größten (in Österreich tätigen) Unternehmen (dazu gehören z.B. Rewe und Spar, die ja nicht gerade für tolle Löhne bekannt sind) beschäftigten laut anderen Quellen 2014 rund 500.000 Menschen. Klingt zwar nach viel, ist es aber nicht, wenn mann/frau bedenkt, dass 2012 insgesamt rund 4 Millionen Menschen erwerbstätig waren.

    Soweit also die Fakten. Lassen wir nun aber den Chef der ÖVP-Wien, Gernot Blümel, zu Wort kommen: Blümel kürzlich in einer Presseaussendung: "Um Arbeitsplätze zu schaffen, müsse man aber die Unternehmen unterstützen und ihnen das Leben erleichtern, statt ihnen Prügel zwischen die Beine zu werfen und ihnen das Wirtschaften zu verunmöglichen. Denn nur die Unternehmen schaffen Arbeit - nicht der Staat oder die Stadt!" Von welchen Unternehmen spricht Blümel? Von Großkonzernen, der Raiffeisen-Clique und anderen Großbanken, die von der ÖVP seit Jahrzehnten beschützt werden, damit diese unbehelligt dubiose Geschäfte in Panama und Liechtenstein machen können? Oder spricht Herr Blümel von den kleinen Gewerbetreibenden, die sich nicht mittels dubioser Geschäftspraktiken Steuervorteile verschaffen können?

    Der Scharfmacher Blümel, der eine Kürzung und Deckelung der Mindestsicherung fordert, betätigt sich neuerdings auch als Hobby-Philosoph. Blümel erklärt also: "Die soziale Frage unserer Zeit ist die Ausbeutung des Mittelstandes! Die Ausbeutung jener, die mit ihren Beiträgen jene finanzieren, die nichts beitragen aber oft am Ende des Monats gleich viel bekommen, wie jene die täglich harte Arbeit leisten. Wir brauchen Arbeits- statt Sozialanreize".

    Der "Mittelstand" - schon wieder eine Hülle, die rein gar nichts aussagt und nur zur Vernebelung des Sachverhalts dient. Es gibt ArbeiterInnen und Angestellte die zum Mittelstand gehören können oder sich als dazu gehörig sehen. Und auch Unternehmer können zum Mittelstand gehören. Dass Herr Blümel von Klassen nichts wissen will braucht nun nicht zu verwundern. Aber zur Aussage die ÖVP sei die Schutzherrin des Mittelstands? Da bekommen ja sogar die Hühner und Schafe einer Dauerlachkrampf. Wo war die ÖVP z.B. bei der letzten Steuerreform, als auch jene die 10.000 Euro oder mehr im Monat verdienen noch einen Steuergutschrift erhalten haben? Wo war und ist die ÖVP, wenn es darum geht große Vermögen minimalst zu besteuern bzw. eine Steuerquote auf OECD-Niveau für große Vermögen durchzusetzen? Wo war und ist der Einsatz der ÖVP, wenn es um die Besteuerung von Finanzspekulation geht? Wo war und ist die ÖVP, wenn es darum geht bei der Körperschaftsste­uer eine Staffelung nach der Höhe der Gewinne von einem Mindestsatz bis zum Spitzensteuersatz, um zwischen kleinen Kapitalgesellschaf­ten und großen Konzernen zu differenzieren, durchzusetzen?

    Wo war und ist die ÖVP, wenn es darum geht, dass Menschen vom Lohn ihrer Arbeit leben können. Tatsache ist, dass die Zahl der Working Poor, jener die trotz Arbeit arm sind, laut neuestem Sozialbericht rund 300.000 Menschen beträgt - würden die Sozialtransfers gekappt, dann würde die Zahl der Working Poor gar 600.000 Menschen umfassen.

    Tatsache ist, dass - entgegen den Lügen der ÖVP - fast 80 Prozent der BezieherInnen der bedarfsorientierten Mindestsicherung in Wien nur Ergänzungsleistungen erhalten und die Höhe der Mindestsicherung durchschnittlich bei 311 Euro pro einzelnem Bezieher lag.

    Und zur Behauptung "wer Arbeit will, bekommt auch welche" brauchst es nur einen Blick auf die AMS-Daten. Laut denen gibt es "in Wien auf eine Stelle, für die es keine Qualifikation braucht, 44 unqualifizierte Personen, die sich bewerben.“

    Bleibt also die Erkenntnis: Die ÖVP steht auf Seiten der Euro-Millionäre und des Großkapitals - denn christlich-sozial ist die ÖVP bzgl. wirtschaftspolitischer Fragen, sofern Sie es jemals war, schon lange nicht.

    Didi Zach (Landessprecher der KPÖ-Wien)

    Zum Thema siehe auch Fast 700.000 "Working Poor"