Wednesday, 19. February 2020 @ 08:56
Einer parlamentarischen Anfragebeantwortung ist zu entnehmen, dass für die ersten 12 Monate der neuen ÖGK ein Verlust von 175,3 Millionen Euro erwartet wird. Kumuliert berechnet wird bis 2024 ein Bilanzverlust von 1,7 Milliarden Euro prognostiziert. Statt der von Kurz versprochenen „Patientenmilliarde“ soll jetzt der „Gürtel enger geschnallt“ werden.
Eine Analyse von Dr. Rudi Gabriel, Arzt und gesundheitspolitischer Sprecher der KPÖ.
„Eines Vorweg: Es darf nicht sein, dass jetzt die Gelder, welche die Versichertengemeinschaft über 60 Jahre auf Grund eines gesetzlichen Auftrages zurückgelegt haben für die teuren Aufwendungen der Kassenfusion der ehemaligen Gebietskrankenkassen herangezogen werden. Die Bundesregierung Kurz I hat ohne Not die Fusion gewollt – die Bundesregierung Kurz II und der Finanzminister müssen jetzt Verantwortung übernehmen und den Karren selbst aus den Dreck ziehen!“
Das sagt Rudi Gabriel, Gesundheitspolitische Sprecher der KPÖ, zu den bekannt gewordenen Verlusten bei der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK).
Die gesetzlichen Grundlagen dazu sind vorhanden: Auch wenn der Krankenkassenstrukturfond seit 2018 nicht mehr dotiert worden ist, ist dieser nach wie vor rechtsgültig und Sozialminister Anschober und Finanzminister Blümel haben damit die gesetzliche Grundlage, die durch eine nicht zu Ende gedachte Kassenfusion entstandenen Finanzlöcher aufzufüllen.
Der Vorsitzende im Dachverband der Sozialversicherungsträger, der Arbeitgebervertreter Peter Lehner, macht hingegen für die steigenden Defizite ÖGK ‚unter anderem die Beschlüsse der roten Selbstverwaltung‘ verantwortlich. So seien unter anderem in den letzten Jahren zu hohe Vertragsabschlüsse mit den Vertragsärzt_innen paktiert worden. Hier muss aber daran erinnert werden, dass der nunmehrige Dachverband bereits seit über 10 Jahren mit erheblichen Nachbesetzungsproblemen bei den Landärzt_innen konfrontiert ist. Andreas Huss, Arbeitnehmerobmann der Österreichischen Gesundheitskasse legte dazu in einer OTS Aussendung vom 14. Februar detailliert dar, dass seit Mitte 2018 bei den ehemaligen Gebietskrankenkassen nichts ohne Zustimmung der Vertreterinnen der Wirtschaft beschlossen wurde und bezeichnet die Vorwürfe als ‚Lügenmärchen‘.
Dass für das ‚Roll-Out‘ der ÖGK Kosten im dreistelligen Millionenbereich anfallen,
dass die Regierung KURZ I den Krankenkassenstrukturfond lediglich bis 2018 dotiert hat, dass per Gesetz erhebliche finanzielle Mittel zur AUVA und zu den Privatkliniken verschoben wurden, findet eher nur verschämt Erwähnung. Dass bei einer lohnsummenbasierten Einnahmen-Struktur Konjunktureinbrüche, wie diese in den kommenden Jahren prognostiziert werden, zu einer deutlichen Einnahmens-Erosion bei den Kassen führt, erklärt sich dagegen von selbst, erinnert Rudi Gabriel.
Die Quantität bei den Honorarabschlüssen ist außerdem ein wichtiger Bestandteil bei der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe, die Flächenversorgung im Primärversorgungssektor (Hausärzt_innen, Niedergelassene, …) sicher zu stellen. Zusätzlich wurde begonnen in einigen Bereichen der Kassen-Facharztpraxen die oftmals schwer kritisierten schweren Lücken auch in der städtischen Versorgung zu füllen und dazu auch neue zusätzliche Kassenverträge abgeschlossen.
„Den Gürtel enger schnallen“
Die Devise der ÖGK Zuchtmeister lautet jetzt: „Den Gürtel enger schnallen“. Es soll bei den Verhandlungen mit der Ärztekammer bezüglich des neuen Gesamtvertrages zu moderateren Abschlüssen kommen. Die Ärt_innen sitzen allerdings auf einem sehr langen Ast. Der Erfolg bei der Kassenfusion steht und fällt mit dem Abschluss eines „harmonisierten“ Honorar-Gesamtvertrag. Wenn es zu keiner Einigung kommen sollte, bleiben die alten länderweise abgeschlossen Verträge mit den ehemaligen Gebietskrankenkassen weiter rechtlich wirksam. Dem Hauptverband bliebe nur mehr die Option des vertragslosen Zustandes – und den wollen weder die Patientinnen, die Ärztinnen noch die Politk. Zu befürchten ist aber, dass noch mehr Ärzte in Zukunft als Wahlärzte ordinieren und, dass es im Bereich notwendiger Untersuchungen zu noch längeren Wartezeiten kommt.
Ein grundsätzlicher Vorschlag der KPÖ um die Einnahmen der öffentlichen sozialen Kassen auf nachhaltige Beine zu stellen ist es, nicht nur die Löhne und Gehälter sondern auch die zunehmenden Gewinne oder Profite beziehungsweise die Wertschöpfung insgesamt für eine solidarische Finanzierung des Sozialversicherungssystems heranzuziehen.
Der angekündigte Konsolidierungskurs bei der ÖGK lässt hingegen Verschlechterungen für die Versicherten befürchten. So warnt Rudi Gabriel abschließend: „Den Versprechungen, dass es zu keinen Beitragserhöhungen, Selbstbehalten oder Leistungskürzungen kommen wird, ist wohl ebenso wenig zu trauen, wie der vormals versprochenen Patientenmilliarde.“